Die Mittäterschaft beschreibt die gemeinschaftliche arbeitsteilige Begehung einer Straftat durch mehrere Personen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans. Gemäß § 25 Absatz 2 StGB wird dabei jeder Mittäter als Täter bestraft, da ihre Handlungen wechselseitig zugerechnet werden. Dies bedeutet, dass die individuelle Handlung eines jeden Mittäters den anderen zugerechnet wird, sodass jeder Mittäter als Täter bestraft wird.
Die Mittäterschaft unterscheidet sich von anderen Formen der Täterschaft und Teilnahme wie der Anstiftung und Beihilfe, wodurch sie in der Rechtslehre und Rechtsprechung eine besondere Stellung einnimmt. Ein gemeinsamer Tatplan und arbeitsteiliges Handeln sind wesentliche Merkmale, die die Mittäterschaft von der Nebentäterschaft abgrenzen, bei der mehrere Personen unabhängig voneinander denselben tatbestandlichen Erfolg herbeiführen.
Darüber hinaus gibt es komplexe Formen der Mittäterschaft wie die sukzessive Mittäterschaft, bei der eine Person erst nach Beginn der Tat in das Tatgeschehen eintritt, und die Mittäterschaft durch Unterlassen, bei der eine rechtliche Verpflichtung zum Handeln besteht. Auch der Exzess eines Mittäters, bei dem ein Beteiligter den Tatplan überschreitet, wirft Fragen zur Zurechnung und strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf.
Die versuchte Mittäterschaft bezieht sich auf Fälle, in denen mehrere Personen den gemeinsamen Tatentschluss haben, eine Straftat zu begehen, jedoch aus unvorhersehbaren Gründen daran gehindert werden.
In diesem Beitrag werden die verschiedenen Aspekte der Mittäterschaft detailliert beleuchtet, beginnend mit den grundlegenden Voraussetzungen gemäß § 25 Absatz 2 StGB, über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, bis hin zu den besonderen Fällen wie der sukzessiven Mittäterschaft, der Mittäterschaft durch Unterlassen und den Exzess des Mittäters. Abschließend wird die versuchte Mittäterschaft und ihre rechtliche Behandlung erläutert.
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Mittäterschaft gemäß § 25 Absatz 2 StGB liegt vor, wenn mehrere Personen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans arbeitsteilig handeln, um einen Straftatbestand zu verwirklichen. Dies bedeutet, dass alle Beteiligten die Tat gemeinschaftlich begehen und dabei bewusst und gewollt zusammenwirken. Die individuelle Handlung eines jeden Mittäters wird den anderen zugerechnet, sodass alle als Täter bestraft werden.
Voraussetzungen der Mittäterschaft:
Abgrenzung zur Nebentäterschaft: Von der Mittäterschaft abzugrenzen ist die Nebentäterschaft. Bei der Nebentäterschaft führen mehrere Personen unabhängig voneinander denselben tatbestandlichen Erfolg herbei, ohne bewusstes und gewolltes Zusammenwirken. Ein typisches Beispiel hierfür ist, wenn zwei Personen unabhängig voneinander denselben Menschen vergiften. In einem solchen Fall gibt es keinen gemeinsamen Tatplan und kein arbeitsteiliges Handeln, sodass jeder Täter unabhängig voneinander für seine eigene Tat verantwortlich gemacht wird. In dem vorliegenden Fall ist in der Prüfung lediglich zu fragen, welche der jeweiligen Handlungen kausal für den tatbestandlichen Erfolg war.
Beispiele zur Verdeutlichung:
Die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist ein zentraler Punkt in zahlreichen strafrechtlichen Klausuren, gerade da die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme anhand unterschiedlicher Ansichten der Rechtsprechung sowie der Lehre erfolgt. Dabei gibt es zwei Haupttheorien, die in Ihrem Gutachten herangezogen werden sollten, um zu entscheiden, ob jemand als Täter oder nur als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) zu bestrafen ist: die Tatherrschaftslehre und die subjektive Theorie.
Die Tatherrschaftslehre ist die herrschende Ansicht in der Literatur. Sie basiert auf der Idee, dass Täter ist, wer das Tatgeschehen als Zentralfigur beherrscht und die Verwirklichung des Tatbestandes nach seinem Willen steuern kann. Teilnehmer hingegen sind diejenigen, die keinen Einfluss auf das “Ob” und “Wie” der Tat haben und lediglich fördern oder anstiften.
Kriterien der Tatherrschaftslehre:
Beispiel: A und B planen einen Banküberfall. A besorgt die Waffen und den Fluchtwagen, während B die Bank betritt und die Angestellten bedroht. A bleibt draußen im Auto, um die Flucht zu sichern. Beide haben planvoll die Tat gestaltet und führen sie arbeitsteilig aus. Beide sind nach der Tatherrschaftslehre als Mittäter anzusehen, da sie das Tatgeschehen gemeinsam beherrschen.
Die subjektive Theorie stellt auf die innere Willensrichtung des Handelnden ab. Täter ist demnach, wer die Tat als eigene will (sog. animus auctoris), während Teilnehmer ist, wer die Tat als fremde fördern oder veranlassen möchte (sog. animus socii). Diese Theorie wurde vor allem von der Rechtsprechung entwickelt und verwendet.
Kriterien der subjektiven Theorie:
Beispiel: X und Y planen, Z zu töten. X gibt Y die Waffe und erklärt, wie Z zu töten ist. Y führt die Tat aus, während X am Tatort anwesend ist und die Szene beobachtet. Nach der subjektiven Theorie ist X als Täter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte und sich als Hauptakteur sah. Wenn X jedoch lediglich die Tat förderte, ohne sie als eigene zu betrachten, könnte er als Teilnehmer gelten.
Die Rechtsprechung verwendet oft eine Kombination beider Theorien, die als normative Kombinationstheorie bezeichnet wird. Diese Theorie berücksichtigt sowohl objektive als auch subjektive Kriterien, um die Rolle des Beteiligten festzustellen.
Normative Kombinationstheorie:
Beispiel: Bei einem Raubüberfall planen A und B die Tat gemeinsam. A bleibt draußen, um im Fluchtwagen zu warten, während B die Tat im Inneren der Bank ausführt. A und B sehen sich beide als Hauptakteure und haben den Raub gemeinsam geplant. Nach der normativen Kombinationstheorie sind beide als Mittäter zu betrachten, da sie sowohl objektiv als auch subjektiv die Tat gemeinsam beherrschen und wollen.
Anstiftung (§ 26 StGB): Anstifter ist, wer einen anderen zu einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt. Der Anstifter hat keinen Einfluss auf das “Ob” und “Wie” der Tat, sondern ruft lediglich den Tatentschluss beim Haupttäter hervor.
Beihilfe (§ 27 StGB): Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Der Gehilfe unterstützt den Haupttäter bei der Durchführung der Tat, hat jedoch keine beherrschende Stellung im Tatgeschehen.
Beispiel: C überredet D, einen Einbruch zu begehen (Anstiftung). E hilft D, indem er ihm das notwendige Werkzeug zur Verfügung stellt und während des Einbruchs Wache hält (Beihilfe).
Die sukzessive Mittäterschaft ist eine besondere Form der Mittäterschaft, bei der eine Person nach dem Beginn der Tat, aber vor deren Beendigung, in das Tatgeschehen eintritt. Diese Form der Mittäterschaft wird nach der herrschenden Meinung anerkannt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Voraussetzungen der sukzessiven Mittäterschaft:
Beispiel für sukzessive Mittäterschaft: Ein klassisches Beispiel ist, wenn eine Person während eines laufenden Diebstahls zur Hilfe gerufen wird, um die Beute wegzutragen, und sich bereit erklärt, die Beute zu teilen.
Beispiel: T begeht einen Diebstahl in einem Café. Er bemerkt, dass er die gestohlene Ware nicht alleine tragen kann und ruft seinen Freund F an, um ihm zu helfen. F kommt zum Tatort, hilft T, die Ware zu tragen, und beide verabreden sich, die Beute später zu teilen.
In diesem Fall liegt sukzessive Mittäterschaft vor, da F durch seine Handlung zur Vollendung des Diebstahls beiträgt und das Geschehen bewusst und gewollt unterstützt.
Probleme und Streitfragen: Die sukzessive Mittäterschaft wirft in der Praxis einige Streitfragen auf, insbesondere in Bezug auf die genaue Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem eine Person als Mittäter angesehen werden kann, und die Bewertung des Tatbeitrags.
In der Klausurenpraxis gibt es unterschiedliche Ansätze zur Prüfungsschema der Mittäterschaft, je nachdem, ob die Mittäter gemeinsam oder getrennt geprüft werden sollen.
Die gemeinsame Prüfung bietet sich an, wenn:
Vorteile:
Die getrennte Prüfung bietet sich demgegenüber an, wenn:
Vorteile:
Zur Prüfung der Mittäterschaft gemäß § 25 Absatz 2 StGB kann man sich an folgendem Schema orientieren:
A. Tatbestandsmäßigkeit
I. Objektiver Tatbestand
a) Gemeinsamer Tatplan
b) Gemeinsame Ausführungshandlung
II. Subjektiver Tatbestand
B. Rechtswidrigkeit
C. Schuld
A. Strafbarkeit des ersten Beteiligten (z.B. A)
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
B. Strafbarkeit des zweiten Beteiligten (z.B. B)
I. Tatbestandsmäßigkeit
II. Rechtswidrigkeit:
III. Schuld:
Die Mittäterschaft durch Unterlassen ist ein kontroverses Thema, das sich auf Situationen bezieht, in denen eine Person durch Unterlassung zum Mittäter wird. Dies setzt voraus, dass die Person eine rechtliche Verpflichtung zum Handeln (Garantenstellung) hatte und durch ihr Unterlassen zur Tat beiträgt.
Voraussetzungen der Mittäterschaft durch Unterlassen:
Beispiel: Ein Schwimmlehrer (G) sieht, dass ein Schüler (S) ertrinkt, unternimmt jedoch nichts, um ihn zu retten, obwohl er die rechtliche Pflicht (Garantenstellung) hat, für die Sicherheit der Schüler zu sorgen. Wenn G und eine andere Person (T) verabredet haben, S zu töten, und G seine Unterlassung bewusst und gewollt einsetzt, um den gemeinsamen Tatplan zu verwirklichen, könnte G als Mittäter durch Unterlassen bestraft werden.
Ein Exzess des Mittäters liegt vor, wenn ein Mittäter den gemeinschaftlichen Tatplan überschreitet und eine Handlung vornimmt, die über das vereinbarte Maß hinausgeht. Ein solcher Exzess ist ein wesentliches Thema in der Diskussion über die Mittäterschaft, da er die strafrechtliche Verantwortung der übrigen Mittäter betrifft.
Definition und Abgrenzung: Ein Exzess des Mittäters bedeutet, dass ein Beteiligter Handlungen vornimmt, die nicht vom gemeinsamen Tatplan gedeckt sind. Solche Handlungen können die anderen Mittäter grundsätzlich nicht zugerechnet werden, da sie außerhalb des vereinbarten Tatgeschehens liegen. Die Grundsätze der Mittäterschaft besagen, dass jeder Mittäter für die Handlungen, die innerhalb des gemeinsamen Tatplans liegen, verantwortlich gemacht werden kann, nicht jedoch für Exzesse einzelner Mittäter.
Beispiel: A und B planen gemeinsam einen Raubüberfall. Während des Überfalls erschießt A den Ladenbesitzer, obwohl dies nicht Teil des Tatplans war. B hatte nicht vor, Gewalt anzuwenden, und wusste auch nichts von A’s Plänen.
Voraussetzungen für die Zurechnung eines Exzesses: Ob ein Exzess eines Mittäters den anderen Mittätern zugerechnet werden kann, hängt von folgenden Faktoren ab:
Beispiel für vorhersehbaren Exzess: Nachdem A und B den Login für Chat GPT gefunden haben und ihren nächsten großen Coup planen, wurde ihnen aus strafrechtlicher Perspektive angeraten, während eines Raubüberfalls nur zu drohen, aber keine Gewalt anzuwenden. A ist jedoch für seine aggressive und unberechenbare Natur bekannt. Während des Überfalls schlägt A das Opfer nieder. Da B wusste, dass A zu solchen Handlungen neigt und dies billigend in Kauf nahm, könnte B für den Exzess verantwortlich gemacht werden.
Rechtsfolgen des Exzesses: Wenn ein Exzess nicht vorhersehbar war und nicht billigend in Kauf genommen wurde, bleibt die strafrechtliche Verantwortung auf den Mittäter beschränkt, der den Exzess begangen hat. Die anderen Mittäter werden nur für die Handlungen verantwortlich gemacht, die innerhalb des gemeinsamen Tatplans lagen.
Beispiel für nicht vorhersehbaren Exzess: C und D planen gemeinsam einen Einbruch, ohne Gewalt anzuwenden. C, ohne D darüber zu informieren, hat eine Waffe dabei und schießt während des Einbruchs auf einen Wachmann. Da D nichts von der Waffe wusste und keine Gewalt geplant war, kann D nicht für den Schuss verantwortlich gemacht werden.
Abgrenzung zum erwarteten Verhalten: Kleinere Abweichungen vom Tatplan, die im Rahmen der Durchführung der Straftat zu erwarten sind, gelten in der Regel als vom Tatplan gedeckt und werden den Mittätern zugerechnet. Es muss daher eine wesentliche Abweichung vorliegen, damit von einem Exzess gesprochen werden kann.
Beispiel für erwartetes Verhalten: E und F planen, einen Laden auszurauben. Es ist geplant, dass F die Angestellten bedroht, während E das Geld einsammelt. F schlägt einem Angestellten ins Gesicht, als dieser Widerstand leistet. Diese Handlung könnte als im Rahmen des erwarteten Verhaltens gesehen werden und F wird zugerechnet.
Die versuchte Mittäterschaft liegt vor, wenn mehrere Personen den gemeinsamen Tatentschluss haben, eine Straftat zu begehen, und konkrete Maßnahmen zur Ausführung ergreifen, die Tat jedoch nicht vollendet wird (sog. Versuchsstrafbarkeit). Die versuchte Mittäterschaft wird nach den allgemeinen Grundsätzen des Versuchs (§§ 22 ff. StGB) geprüft.
Voraussetzungen der versuchten Mittäterschaft:
Beispiel: A und B planen einen Raubüberfall auf eine Bank. Sie verabreden sich, die Bank zu betreten, die Angestellten zu bedrohen und das Geld zu stehlen. Als sie die Bank betreten und beginnen, die Angestellten zu bedrohen, trifft die Polizei ein und verhindert die Tat. Beide werden festgenommen, bevor sie das Geld stehlen können.
Dabei sind die folgenden Aspekte bei der Prüfung der versuchten Mittäterschaft zu berücksichtigen:
Beispiel für den Rücktritt vom Versuch: A und B planen einen Einbruch in ein Juweliergeschäft. Sie brechen die Tür auf und betreten das Geschäft, entscheiden sich jedoch kurz darauf, die Tat abzubrechen und fliehen ohne Beute. Da der Rücktritt freiwillig und ohne äußeren Zwang erfolgt, kann A und B der Rücktritt vom Versuch zugutekommen.
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