Es gibt sicherlich verschiedene Ansichten darüber, was einen gelungenen juristischen Stil ausmacht, da “guter Stil” bis zu einem gewissen Grad subjektiv ist und immer auch von der Art des Textes und dem Leser abhängt. Dennoch gibt es insbesondere im Jurastudium einige Leitlinien, die dir beim Verfassen von Hausarbeiten und Klausuren hilfreich sein können.
Das juristische Gutachten sollten in erster Linie genau sein. Daher gilt: Aussagen, die keinen Erkenntnisgewinn im speziellen Fall liefern, sind Fehl am Platz – ebenso wie Füllphrasen oder übertriebene Adjektive. Die juristische Sprache ist von Natur aus eher sachlich und im besten Fall so knapp wie möglich, ohne dabei inhaltliche Dinge außen vor zu lassen. Das bedeutet auch, komplizierte verschachtelte Sätze zu vermeiden. Der Korrektor wird es euch danken.
Viele Juristen neigen dazu, Nominalisierungen inflationär zu verwenden. Dieser Ausdrucksstil ist nicht grundsätzlich falsch oder schlecht, kann aber das Verständnis beeinträchtigen. Es empfiehlt sich daher eher auf komplizierten Ausdruck zu verzichten und den Text mit Wissen zu füttern. Dennoch enthalten gute Fallberichte keine starken umgangssprachlichen Ausdrücke, Redewendungen oder Wertungen. Ebenso sollten keine umfangreichen Passagen aus dem Fall oder aus dem Gesetz wörtlich übernommen werden, es sei denn, dies ist unbedingt notwendig. Schließlich wird von den Studierenden erwartet, dass sie einen Sachverhalt analysieren und nicht nur wiedergeben.
In Klausuren oder Hausarbeiten wird oft eine eigene Begründung benötigt. Hier ist wichtig: Unterschiedliche Ansichten zu einem Problem und die eigene Sicht werden – es sei denn, die Fragestellung gibt etwas anderes vor – “objektiv” dargestellt. Anstelle von “meiner Meinung nach” oder “ich denke”, ist es besser, Ausdrücke wie “für die erste Ansicht spricht” zu verwenden. Weiterhin wichtig: In Klausuren und Hausarbeiten sollten Studierende stets die Normen, auf die sie sich beziehen, korrekt zitieren. Außerdem beeinflussen auch Rechtschreibung und Grammatik den Gesamteindruck einer juristischen Arbeit und damit auch die Bewertung.
Eine wesentliche Voraussetzung für eine ordentliche Klausur oder Hausarbeit ist eine methodisch fundierte Herangehensweise. Der Gutachtenstil ermöglicht eine systematische Darstellung des Gedankengangs des Verfassers. Für Klausuren und Hausarbeiten ist er unabdingbar. Vor allem in den ersten Semestern legen die Korrektoren großen Wert darauf, dass der Gutachtenstil in der Fallbearbeitung befolgt wird. Wer davon abweicht, begeht einen so genannten “Kardinalfehler” und ist somit oft automatisch durchgefallen. Schritt für Schritt führt der Gutachtenstil zur Lösung einer juristischen Fragestellung und besteht aus vier Teilen:
Oft ist es erforderlich, verschiedene Prüfungen miteinander zu “verschachteln”. Dies ist der Fall, wenn ein in Schritt 2 definiertes Tatbestandsmerkmal weitere Anforderungen beinhaltet, die definiert werden müssen. Nach einer Definition folgt dann ein weiterer Obersatz. Unproblematische Aspekte können Studierende aber auch in verkürzter Form darstellen, indem sie Definition und Subsumtion kombinieren.
Für den Gutachtenstil gibt es bestimmte Signalwörter wie “daher”, “folglich”, “somit” oder “demnach”. Diese deuten darauf hin, dass aus dem zuvor geschriebenen ein Ergebnis gebildet wird.
Juristische Gutachten sollten zwar knapp und verständlich sein, dennoch sind einige fachspezifische Ausdrücke und Formulierungen unvermeidbar. Beispielsweise prüft man im öffentlichen Recht, ob der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen ist. Der Beklagte eines Zivilverfahrens ist nicht mit dem Angeklagten in einem Strafverfahren zu verwechseln.
Präzise Formulierungen sind für Juristen von großer Bedeutung, denn verschiedene Terminologien können schnell zu unterschiedlichen Bedeutungen führen. Aus diesem Grund führt das Verfassen von juristischen Texten unweigerlich zur Wiederholung bestimmter Begriffe. Im Gegensatz zum journalistischen oder kreativen Schreiben ist es nicht zielführend, ständig neue Synonyme zu suchen, um Textvarianz zu erzeugen. Dies könnte die Klarheit und Verständlichkeit juristischer Texte beeinträchtigen. Auch wenn es anfangs ein wenig entmutigend sein mag: Im Jurastudium geht es nicht primär darum, Texte im traditionellen Sinn schön zu gestalten.
Die vielen Fachausdrücke, die in der Alltagssprache nicht üblich sind, können anfänglich leicht überfordern. Aber keine Angst: Im Verlauf der ersten Semester prägen sich bestimmte Begriffe automatisch ein. Dabei ist es hilfreich, juristische Texte zu lesen und Beispiel-Fälle oder Klausuren zu betrachten. Oftmals kommt es darauf an, ein bestimmtes Schlagwort zu verwenden – es lohnt sich also, in Vorlesungen und beim Lernen auf die genaue Terminologie zu achten.
Ein wiederkehrendes Element im juristischen Gutachten ist das Führen eines Meinungsstreits. Oft gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie ein rechtliches Problem zu lösen ist. Hier liegt i.d.R. ein Schwerpunkt der Falllösung. Deshalb sollte das Gutachten an dieser Stelle etwas ausführlicher ausfallen – insbesondere, wenn die verschiedenen Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Eine Entscheidung für eine bestimmte Ansicht ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn die verschiedenen Meinungen im konkreten Fall zum gleichen Ergebnis führen. Andernfalls ist eine durchdachte, eigene Argumentation von großer Bedeutung.
Für die Darstellung des Streits empfiehlt es sich, jede Meinung einzeln zu präsentieren, sie auf den Fall zu beziehen und das daraus resultierende Ergebnis festzuhalten. Die Meinung, der man folgen möchte, wird normalerweise zuletzt genannt. Nach dieser Darstellung muss der Verfasser dann argumentativ eine Entscheidung für eine Meinung treffen. Dabei kann die Reihenfolge der Argumente variieren: Entweder werden zunächst alle Argumente für eine Ansicht und dann die Gegenargumente genannt. Oder auf ein Argument für die erste Ansicht folgt ein Gegenargument, das für die zweite Ansicht spricht. In jedem Fall ist es wichtig, den Meinungsunterschied nicht isoliert vom Fall darzustellen, sondern ihn auf den Fall zu beziehen.
In Bezug auf die Formulierung ist zu beachten, dass in einem Fallgutachten nicht von “der herrschenden Meinung” oder “einer Mindermeinung” gesprochen wird. Es ist am besten, so zu formulieren, als hätte man die unterschiedlichen Ansichten selbst abgeleitet. Es ist auch möglich, von “einer Ansicht” oder “einer weiteren Ansicht” zu sprechen.