In der komplexen Welt des Steuerrechts werden Rückstellungen für Mehrsteuern oft diskutiert, insbesondere im Kontext von Betriebsprüfungen und deren wirtschaftlicher Verursachung. In diesem ersten Teil unseres Artikels werden wir die Grundlagen und einige zentrale gerichtliche Entscheidungen in Bezug auf Rückstellungen für Mehrsteuern beleuchten.
Gemäß H 4.9 EStH sind Rückstellungen für Mehrsteuern, die aufgrund einer Betriebsprüfung entstehen, im Jahr der wirtschaftlichen Verursachung zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass abzugsfähige Steuern grundsätzlich dem Jahr zugerechnet werden, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Dies wurde auch vom Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 03.12.1969 (I R 107/69) bestätigt.
Es reicht jedoch nicht aus, dass ein Unternehmer allgemein davon ausgeht, dass nach einer Betriebsprüfung mit Steuernachforderungen zu rechnen ist. Eine solche allgemeine Erwartung rechtfertigt nicht automatisch die Bildung einer Rückstellung. Der BFH stellte in einem Urteil vom 13.01.1966 (IV 51/62) klar, dass konkrete Anzeichen oder Ereignisse vorhanden sein müssen, die auf eine ernsthafte Inanspruchnahme durch den Steuerpflichtigen hindeuten.
Ein entscheidender Aspekt bei der Bildung von Rückstellungen für Steuernachforderungen, die aus zukünftigen Betriebsprüfungen resultieren könnten, ist daher, ob es am Bilanzstichtag hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Kaufmann ernsthaft mit einer solchen Inanspruchnahme rechnen muss. Eine allgemeine Erfahrung, dass Betriebsprüfungen zu Beanstandungen führen könnten, reicht hierfür nicht aus. In einem solchen Fall wird das Risiko als ein dem allgemeinen Unternehmerrisiko vergleichbares Risiko angesehen.
Der oben genannte Grundsatz gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige sich bewusst ist, eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Das allein reicht jedoch nicht aus, um eine Rückstellung zu bilden. Es muss weiterhin ein konkreter Sachverhalt vorliegen, der eine ernsthafte und quantifizierbare Steuernachforderung erwarten lässt.
Der aktuelle Kontext und die Einzelheiten der Betriebsprüfung, insbesondere in Fällen von Steuerfahndung, spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob und wann eine Rückstellung gebildet werden sollte. Dies wird in den folgenden Teilen unseres Artikels weiter vertieft.
Die Frage der Bildung von Rückstellungen wird besonders interessant im Kontext von Steuerfahndungsergebnissen. Nach einem Urteil des BFH vom 27.11.2001 (VIII R 36/00) sind Rückstellungen für Mehrsteuern aufgrund von Steuerfahndungsergebnissen erst im Jahr der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer in der Bilanz auszuweisen. Dies impliziert, dass bis zu diesem konkreten Zeitpunkt, dem sogenannten “aufdeckungsorientierten Maßnahme”, keine Rückstellung gebildet werden sollte.
Jedoch gibt es hierzu unterschiedliche Interpretationen. Die Finanzverwaltung vertritt beispielsweise die Ansicht, dass dieses Urteil nicht auf Fälle einer regulären Betriebsprüfung anwendbar sei. Hier zeigt sich, wie komplex und vielschichtig die Thematik der Rückstellungsbildung im Kontext des deutschen Steuerrechts sein kann.
Die Bildung von Rückstellungen für Mehrsteuern ist eine kunstvolle Balance zwischen rechtlichen Anforderungen, wirtschaftlichem Kalkül und der Interpretation individueller Betriebsvorgänge. Es ist von zentraler Bedeutung, sowohl die aktuellen rechtlichen Grundlagen als auch die individuelle Unternehmenssituation zu berücksichtigen, um korrekte und optimale Entscheidungen zu treffen. Hoffentlich bietet dieser Artikel einen hilfreichen Überblick und konkrete Anhaltspunkte für die Praxis.
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