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Subsidiaritätsprinzip einfach erklärt – Definition, Anwendungsbereiche, Rechtsgrundlagen

Das Subsidiaritätsprinzip regelt das Verhältnis zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen und staatlichen Ebenen und bestimmt, wann eine höhere Instanz eingreifen darf oder sogar muss. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieses Prinzips, erklärt seine Bedeutung anhand von Beispielen und nennt die relevanten Rechtsnormen.

I. Subsidiaritätsprinzip Definition und Ursprung

Das Subsidiaritätsprinzip stammt aus dem lateinischen Begriff „subsidium“, was so viel wie „Hilfe“ oder „Unterstützung“ bedeutet. Es bezeichnet das Prinzip, dass eine übergeordnete Einheit – sei es der Staat oder eine größere Organisation – erst dann tätig werden darf, wenn die darunter liegende Ebene die anstehenden Aufgaben nicht mehr selbst bewältigen kann. Diese Regelung zielt darauf ab, den Handlungsspielraum der kleineren Einheiten – wie Familien, Gemeinden oder regionalen Verwaltungen – zu schützen und deren Eigenverantwortung zu fördern.

In Deutschland ist das Subsidiaritätsprinzip auf mehreren Ebenen von Bedeutung. Es findet sich sowohl in der föderalen Struktur des Staates als auch im Sozialrecht wieder. Auf europäischer Ebene wurde es als grundlegendes Strukturprinzip in den EU-Verträgen verankert, insbesondere in Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV). Hierbei wird betont, dass die Europäische Union nur dann tätig werden darf, wenn die Mitgliedstaaten allein nicht in der Lage sind, die gewünschten Ziele zu erreichen.

 

II. Was ist das Subsidiaritätsprinzip?

In seiner einfachsten Form besagt das Subsidiaritätsprinzip, dass Entscheidungen und Maßnahmen auf der niedrigst möglichen Ebene getroffen werden sollen. Höhere Ebenen dürfen nur dann einschreiten, wenn dies zur Lösung der Probleme notwendig ist. Dieses Prinzip zielt darauf ab, den Handlungsspielraum und die Autonomie der kleineren Einheiten zu stärken und unnötige Eingriffe von oben zu verhindern.

Beispielsweise kann in einer föderalen Struktur wie Deutschland die Zuständigkeit für die Schulpolitik weitgehend bei den Bundesländern liegen, da diese die spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten besser kennen als der Bund. Wenn jedoch Probleme auftreten, die die Länder alleine nicht bewältigen können – etwa die Finanzierung von Hochschulen auf nationaler Ebene – greift der Bund unterstützend ein.

Das Subsidiaritätsprinzip lässt sich vereinfacht folgendermaßen erklären: Wenn eine Aufgabe von einer kleineren Einheit, wie einer Gemeinde oder einer Familie, bewältigt werden kann, soll diese Einheit dies auch tun. Der Staat oder eine höhere Instanz greift nur dann ein, wenn die kleinere Einheit nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen.

 

III. Subsidiaritätsprinzip Beispiel

Ein klassisches Beispiel für das Subsidiaritätsprinzip findet sich im Bereich der Sozialhilfe. Hier greift der Staat erst dann ein, wenn bedürftige Personen nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen und auch keine Unterstützung aus ihrem familiären Umfeld oder durch andere Institutionen wie die Arbeitsagentur oder Krankenkassen erhalten. So steht etwa einer alleinerziehenden Mutter ohne Vermögen, die keine Arbeitslosenversicherungsleistungen bezieht, weil sie durch die Kindererziehung dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, staatliche Sozialhilfe zu. Dieses Prinzip der nachrangigen Hilfe zeigt sich auch in anderen Bereichen: In der Gesundheitsversorgung etwa fordert das Sozialgesetzbuch in § 2 SGB V, dass Versicherte zunächst in Eigenverantwortung für ihre Gesundheit sorgen, bevor die gesetzliche Krankenversicherung eingreift. Auch in der kommunalen Verwaltung wird das Subsidiaritätsprinzip sichtbar. So wird von einer Gemeinde erwartet, dass sie den öffentlichen Nahverkehr eigenständig organisiert, solange sie über die notwendigen Mittel verfügt. Scheitert sie an dieser Aufgabe, kann eine höhere Ebene, wie der Landkreis oder das Land, unterstützend tätig werden. Im Bildungsbereich zeigt sich das Subsidiaritätsprinzip in der Regelungskompetenz der Bundesländer. Solange diese in der Lage sind, die Schulpolitik eigenständig zu gestalten, verbleibt die Zuständigkeit bei ihnen. Nur bei überregionalen oder länderübergreifenden Herausforderungen greift der Bund regulierend ein. Diese Beispiele verdeutlichen die grundlegende Maxime des Subsidiaritätsprinzips: Es wird stets darauf geachtet, dass Entscheidungen und Maßnahmen auf der niedrigsten Ebene getroffen werden, während höhere Instanzen nur dann eingreifen, wenn die Möglichkeiten der unteren Ebenen erschöpft sind.

 

IV. Rechtsgrundlagen des Subsidiaritätsprinzips

1. Das Subsidiaritätsprinzip auf nationaler Ebene

Das Subsidiaritätsprinzip ist sowohl im deutschen Recht als auch auf europäischer Ebene fest verankert und dient als Leitlinie für die Verteilung von Zuständigkeiten zwischen unterschiedlichen Ebenen. In Deutschland wird dieses Prinzip im Grundgesetz an mehreren Stellen manifestiert. Besonders deutlich wird es im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen, die in Artikel 70 ff. GG geregelt sind. Diese Normen stellen klar, dass die Gesetzgebung grundsätzlich den Ländern obliegt, es sei denn, das Grundgesetz weist dem Bund ausdrücklich eine Zuständigkeit zu. Hier zeigt sich der föderale Charakter der Bundesrepublik Deutschland, der durch das Subsidiaritätsprinzip gestützt wird: Nur wenn eine Angelegenheit die Kompetenzen der Länder übersteigt oder einheitliche Regelungen erforderlich sind, greift der Bund ein.

Darüber hinaus schützt Artikel 28 Absatz 2 GG die kommunale Selbstverwaltung und garantiert den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Dieses Selbstverwaltungsrecht steht in direktem Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip, da es den Gemeinden erlaubt, lokal Entscheidungen zu treffen, solange sie dazu in der Lage sind. Nur wenn ihre Möglichkeiten erschöpft sind oder übergeordnete Interessen berührt werden, darf der Staat eingreifen.

Ein weiterer zentraler Artikel im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip ist Artikel 31 GG, der festlegt, dass „Bundesrecht Landesrecht bricht“. Dieser Artikel verdeutlicht, dass in Fällen, in denen Bundesrecht und Landesrecht im Widerspruch zueinander stehen, das Bundesrecht Vorrang hat. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, übergeordnete Regelungen einzuführen, wenn es notwendig ist, einheitliche Standards zu gewährleisten. Dies steht im Einklang mit der Idee des Subsidiaritätsprinzips, wonach übergeordnete Einheiten nur dann tätig werden sollen, wenn die niedrigeren Ebenen die Aufgaben nicht hinreichend erfüllen können.

 

2. Das Subsidiaritätsprinzip auf europäischer Ebene

Auf europäischer Ebene ist das Subsidiaritätsprinzip ein tragendes Element des politischen Systems der Europäischen Union. Es wurde in Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und im zugehörigen Protokoll Nr. 2 festgeschrieben. Der Artikel bestimmt, dass die Europäische Union in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur dann tätig werden darf, wenn die Ziele einer Maßnahme auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können. Mit dieser Regelung wird der Grundsatz gewahrt, dass Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden und die Mitgliedstaaten ihre Eigenständigkeit behalten, solange sie in der Lage sind, eine Aufgabe selbst zu lösen.

Das Protokoll Nr. 2 zum EUV fügt diesem Grundsatz ein Kontrollinstrument hinzu: die sogenannte Subsidiaritätsrüge. Dieses Verfahren gibt den nationalen Parlamenten das Recht, gegen Vorschläge der Europäischen Kommission Einspruch zu erheben, wenn sie der Auffassung sind, dass eine geplante Maßnahme gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Wird eine solche Rüge von einer ausreichenden Anzahl an Parlamenten unterstützt, muss der Vorschlag überprüft werden. Dies gewährleistet, dass der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten gewahrt bleibt und die EU nur dann aktiv wird, wenn ein Handeln auf europäischer Ebene einen klaren Mehrwert bietet.

Zusammengefasst ist das Subsidiaritätsprinzip auf verschiedenen rechtlichen Ebenen in Deutschland und der EU verankert. Es schützt die Eigenverantwortung der kleineren Einheiten, sei es auf kommunaler, Länderebene oder im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, und sorgt dafür, dass übergeordnete Ebenen nur bei Bedarf eingreifen, um übermäßigen Zentralismus zu verhindern.

 

V. Fazit

Das Subsidiaritätsprinzip ist ein zentraler Grundsatz, der sowohl im deutschen Recht als auch im europäischen Kontext eine bedeutende Rolle spielt. Es fördert Eigenverantwortung und Bürgernähe, indem es sicherstellt, dass Entscheidungen auf der niedrigsten Ebene getroffen werden, auf der sie sinnvoll sind. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass höhere Instanzen nur dann eingreifen, wenn dies notwendig ist. Durch seine vielfältigen Anwendungsbereiche – vom Sozialrecht über die föderale Struktur bis hin zur EU – ist das Subsidiaritätsprinzip ein unverzichtbares Instrument zur Wahrung der Handlungsspielräume kleinerer Einheiten und zur Verhinderung eines übermäßigen Zentralismus.

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