Voraussetzungen – Wann wird eine Fahrtenbuchauflage verhängt?
Für die rechtmäßige Anordnung einer Fahrtenbuchauflage müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die sicherstellen, dass diese Maßnahme sowohl notwendig als auch verhältnismäßig ist.
1. Vorliegen eines Verkehrsverstoßes
Ein grundlegendes Kriterium für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes. Dieser Verstoß muss schwerwiegend genug sein, um einen Punkt im Fahreignungsregister nach sich zu ziehen. Beispiele für solche Verstöße sind:
- Geschwindigkeitsüberschreitungen: Je nach Höhe der Überschreitung kann dies einen Punkt in Flensburg zur Folge haben.
- Überfahren einer roten Ampel: Auch hier wird in der Regel mindestens ein Punkt vergeben, besonders wenn Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden.
- Abstandsunterschreitungen: Zu dichtes Auffahren, das zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führt.
- Sonstige eintragungspflichtige Verstöße: Jeder Verstoß, der nach der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zu einer Eintragung führt.
2. Unmöglichkeit der Fahrerermittlung
Die Fahrtenbuchauflage kann nur verhängt werden, wenn die Feststellung des Fahrers nach einem Verstoß nicht möglich war. Hierbei sind die Behörden verpflichtet, alle zumutbaren und angemessenen Maßnahmen zur Fahrerermittlung zu ergreifen. Folgende Punkte sind dabei entscheidend:
- Ermittlungsmaßnahmen der Behörde: Die Behörde muss beispielsweise einen Anhörungsbogen an den Fahrzeughalter senden und gegebenenfalls Nachbarn oder Familienangehörige befragen. Auch technische Hilfsmittel wie Blitzerfotos und Videoaufzeichnungen sollten genutzt werden.
- Zumutbare Maßnahmen: Die Maßnahmen müssen im Verhältnis zum Verstoß stehen. Ein umfassender Ermittlungsaufwand, wie etwa das Durchführen aufwendiger technischer Analysen oder weitreichende Befragungen, ist nicht zwingend erforderlich, wenn einfachere Mittel zum Ziel führen könnten.
- Beweislast der Behörde: Die Behörde muss nachweisen können, dass sie alle angemessenen Mittel ausgeschöpft hat, bevor sie eine Fahrtenbuchauflage verhängt. Dies kann auch die Nutzung moderner Technologien wie einer Google-Bildersuche umfassen, wie im Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG Berlin, Urt. v. 26.06.2024, Az. 37 K 11/23) festgestellt wurde.
3. Rolle des Fahrzeughalters
Der Fahrzeughalter spielt eine zentrale Rolle bei der Ermittlung des Fahrers. Seine Mitwirkung ist entscheidend, um den tatsächlichen Fahrer zu identifizieren. Verschiedene Szenarien verdeutlichen die möglichen Konsequenzen:
- Zeugnisverweigerungsrecht Fahrtenbuch: Beruft sich der Fahrzeughalter auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und verweigert jegliche Auskunft, kann dies die Ermittlungen erheblich erschweren. In solchen Fällen ist die Behörde berechtigt, eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen, da die Ermittlungen ohne die Mithilfe des Halters ins Leere laufen könnten.
- Keine Kooperationsbereitschaft: Verweigert der Fahrzeughalter die Kooperation, indem er den Anhörungsbogen nicht zurücksendet oder keine hilfreichen Hinweise gibt, kann die Behörde ebenfalls eine Fahrtenbuchauflage anordnen. Dies gilt auch, wenn der Fahrzeughalter angibt, sich nicht erinnern zu können, wer zum Tatzeitpunkt gefahren ist.
- Unzureichende Angaben: Gibt der Fahrzeughalter unzureichende oder falsche Angaben zum Fahrer, kann dies ebenfalls zur Verhängung einer Fahrtenbuchauflage führen. Beispielsweise, wenn er eine nicht existierende Person nennt oder eine unzutreffende Adresse angibt.
Für Fahrzeugführer gibt es gleichwohl unter verschiedenen Umständen Hoffnung, eine Fahrtenbuchauflage zu umgehen:
Schaffen die Behörden es nicht, innerhalb von drei Monaten nach Versenden es Anhörungsbogens, einen Täter ausfindig zu machen, gilt der Verkehrsverstoß als verjährt.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist die sogenannte Zwei-Wochen-Frist. Die Zwei-Wochen-Frist besagt, dass der Fahrzeughalter in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß über die Anhörung zum Vorfall informiert werden sollte. Liegen zwischen dem Verstoß und der ersten Anhörung mehr als zwei Wochen, ist es dem Halter oft nicht mehr zumutbar, sich an die Einzelheiten zu erinnern. Die Zwei-Wochen-Frist ist in der Rechtsprechung verankert (siehe bspw.: VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 04.03.2020, Az.: B 1 K 19.46) und dient der Fairness gegenüber dem Fahrzeughalter. Sie ist keine gesetzliche, aber eine gerichtlich anerkannte Regel, die sich aus dem Prinzip der Zumutbarkeit und der ordnungsgemäßen Ermittlungsführung ableitet.
In der Praxis bedeutet dies, dass Behörden grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach einem Verkehrsverstoß aktiv werden und den Halter kontaktieren müssen. Falls diese Frist überschritten wird, kann dies zugunsten des Fahrzeughalters ausgelegt werden und eine Fahrtenbuchauflage verhindern. Ein Beispiel verdeutlicht dies:
- Ein Fahrzeug wird am 1. März geblitzt. Die Behörde sendet den Anhörungsbogen jedoch erst am 20. März ab. Der Fahrzeughalter kann sich darauf berufen, dass die Frist von zwei Wochen überschritten wurde, und somit ist es ihm nicht mehr zumutbar, sich an den Fahrer zu erinnern.
Gleichwohl gilt die Zwei-Wochen-Frist insbesondere bei Firmenfahrzeugen oft nicht, da hier erwartet wird, dass der Halter (in diesem Fall das Unternehmen) eine bessere und längerfristige Dokumentation darüber führt, wer zu welchem Zeitpunkt das Fahrzeug genutzt hat.
4. Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage muss immer verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass der Eingriff in die Rechte des Fahrzeughalters im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen muss. Die Behörden müssen hierbei sorgfältig abwägen, ob die Maßnahme notwendig und gerechtfertigt ist.
II. Aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zur Fahrtenbuchauflage (Az. 37 IK 11/23)
Im November 2019 wurde ein auf ein Unternehmen zugelassener Audi Quattro in Berlin innerorts mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h geblitzt. Trotz eines brauchbaren Blitzerfotos konnte die Behörde den Fahrer nicht ermitteln. Der Fahrzeughalter, das betroffene Unternehmen, machte keine Angaben zur Person des Fahrers. Daraufhin stellte die Behörde das Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 170 Absatz 2 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) ein und erteilte dem Unternehmen eine Fahrtenbuchauflage nach § 31a Absatz 1 StVZO für die Dauer von einem Jahr.
Das Unternehmen legte hierauf Widerspruch gegen die Fahrtenbuchauflage ein und klagte letztlich vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Das Gericht hob die Fahrtenbuchauflage auf mit der Begründung, dass die Behörde nicht alle zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen ergriffen habe, um den Fahrer zu identifizieren.
Ein bemerkenswerter Aspekt des Urteils war die Feststellung des Gerichts, dass eine einfache Google-Bildersuche ausgereicht hätte, um den Fahrer zu identifizieren. Der Richter führte eine Google-Bildersuche nach dem Namen des Unternehmens und dem Geschäftsführer durch und fand innerhalb kurzer Zeit ein Foto des Geschäftsführers auf dessen Xing-Profil, das mit dem Blitzerfoto übereinstimmte.
Das Gericht argumentierte, dass es “schlechterdings nicht vermittelbar” sei, dass die Behörde diese naheliegende und einfache Ermittlungsmöglichkeit außer Acht gelassen habe. Das Urteil unterstrich, dass auch moderne und leicht zugängliche Ermittlungsmethoden genutzt werden müssen, bevor eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden kann.
Im Übrigen erinnerte das Verwaltungsgericht Berlin daran, dass der Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Absatz 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) in Verbindung mit § 160 Absatz 1 und 2 StPO verlangt, dass alle zumutbaren und angemessenen Ermittlungen durchgeführt werden müssen. Die Fahrtenbuchauflage darf nicht dazu dienen, die fehlende Mitwirkung des Fahrzeughalters zu sanktionieren, sondern soll präventiven Charakter haben. Die Behörde hatte in diesem Fall versäumt, diesen Grundsatz zu beachten.
III. Kosten und Dauer einer Fahrtenbuchauflage
Fahrtenbuchauflage Kosten: Die Kosten, die mit einer Fahrtenbuchauflage verbunden sind, können variieren und umfassen mehrere Aspekte:
- Verwaltungsaufwand: Die Behörde erhebt für die Anordnung und Überwachung der Fahrtenbuchauflage Verwaltungsgebühren. Diese können je nach Bundesland unterschiedlich hoch ausfallen und liegen oft zwischen 50 und 100 Euro.
- Zeitaufwand: Für den Fahrzeughalter oder das Unternehmen bedeutet das Führen eines Fahrtenbuchs einen erheblichen zeitlichen Aufwand. Jede Fahrt muss dokumentiert werden, was besonders bei Fahrzeugen, die von mehreren Personen genutzt werden, sehr aufwendig sein kann.
- Bußgelder bei Verstößen: Wenn die Fahrtenbuchauflage nicht ordnungsgemäß eingehalten wird, können zusätzliche Bußgelder anfallen. Diese betragen in der Regel 100 Euro pro Verstoß. Bei wiederholten oder gravierenden Verstößen können die Bußgelder auch höher ausfallen.
Dauer einer Fahrtenbuchauflage: Die Dauer einer Fahrtenbuchauflage wegen eines Verkehrsverstoßes wird von der Behörde festgelegt und richtet sich nach der Schwere des begangenen Verkehrsverstoßes. Dabei spielt auch die Verhältnismäßigkeit eine wichtige Rolle.
- Einfache Verstöße / Fahrtenbuch beim ersten Verstoß: Bei weniger schwerwiegenden Verstößen, die zu einer Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister führen, kann die Fahrtenbuchauflage für sechs bis zwölf Monate verhängt werden. Beispiele hierfür sind Fahrtenbuchauflagen nach einem Blitzer bei moderaten Geschwindigkeitsüberschreitungen oder einfache Rotlichtverstöße.
- Schwerwiegende Verstöße: Bei schwerwiegenderen Verstößen kann die Fahrtenbuchauflage länger dauern. Beispielsweise:
- Fahrerflucht: In Fällen von Fahrerflucht kann die Fahrtenbuchauflage bis zu drei Jahre betragen.
- Wiederholte Verstöße: Wenn ein Fahrzeughalter wiederholt Verkehrsverstöße begeht oder die Fahrerermittlung wiederholt scheitert, kann die Dauer der Fahrtenbuchauflage ebenfalls verlängert werden. Hier sind Auflagen von bis zu zwei Jahren keine Seltenheit.
- Ermessensspielraum der Behörde: Die konkrete Dauer der Fahrtenbuchauflage liegt im Ermessen der Behörde und kann je nach individuellen Umständen des Falls und der bisherigen Verkehrsauffälligkeit des Fahrzeughalters variieren. Die Behörde berücksichtigt dabei auch, ob der Fahrzeughalter zuvor bereits auffällig geworden ist oder ob besondere Umstände vorliegen, die eine längere Auflage rechtfertigen.
IV. Fahrtenbuch Vorlage – Führung und Kontrolle des Fahrtenbuchs
Das Fahrtenbuch muss folgende Angaben für jede Fahrt enthalten:
- Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers
- Amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs
- Datum und Uhrzeit des Fahrtbeginns und -endes
- Unterschrift des Fahrzeugführers nach Fahrtende
Das Fahrtenbuch muss auf Verlangen der Behörde jederzeit vorgelegt werden können und ist bis zu sechs Monate nach Ablauf der Auflage aufzubewahren, anderenfalls drohen Bußgelder.
Ein Beispiel für eine Fahrtenbuchvorlage könnte folgendermaßen aussehen:
Abfahrt Datum & Uhrzeit |
Ankunft Datum & Uhrzeit |
Strecke / km |
Zweck der Reise |
KFZ Kennzeichen |
Kilometerstand bei Ankunft |
Unterschrift Fahrer |
01.08.2024, 08:00 |
01.08.2024, 08:30 |
30 |
Geschäftstermin |
ABC-123 |
10,230 |
Max Mustermann |
01.08.2024, 09:00 |
01.08.2024, 09:45 |
20 |
Kundentermin |
ABC-123 |
10,250 |
Maria Musterfrau |
02.08.2024, 10:00 |
02.08.2024, 10:30 |
15 |
Materialbeschaffung |
ABC-123 |
10,265 |
Max Mustermann |
03.08.2024, 11:00 |
03.08.2024, 11:45 |
25 |
Messebesuch |
ABC-123 |
10,290 |
Maria Musterfrau |
04.08.2024, 12:00 |
04.08.2024, 12:30 |
10 |
Firmeninterne Besprechung |
ABC-123 |
10,300 |
Max Mustermann |
Fahrtenbuch:
Fahrer: Max Mustermann
Datum Abgabe: 05.08.2024