Das Beweisverwertungsverbot ist eine zentrale Rechtsfigur im Prozessrecht, insbesondere im Straf- und Zivilprozess, und dient dem Schutz von Grundrechten sowie der Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien. Es regelt, unter welchen Umständen Beweise, die rechtswidrig erhoben wurden, in einem Gerichtsverfahren nicht verwendet werden dürfen. Dabei ist zu differenzieren zwischen verschiedenen Arten von Beweiserhebungsverboten, selbstständigen und unselbstständigen Beweisverwertungsverboten, sowie gesetzlich normierten und ungeschriebenen Verboten.
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Ein Beweisverwertungsverbot regelt die Frage, ob Beweise, die während eines Verfahrens erhoben wurden, auch in der Hauptverhandlung verwendet werden dürfen. Der Grundgedanke hinter dem Beweisverwertungsverbot ist es, die staatlichen Eingriffe in die Rechte von Individuen einzuschränken, vor allem wenn es um das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Schweigerecht sowie das Recht auf ein faires Verfahren geht.
In der Praxis betrifft das Beweisverwertungsverbot insbesondere die Strafprozessordnung (StPO), ist aber auch in der Zivilprozessordnung (ZPO) von Bedeutung. Beispielsweise kann ein Beweisverwertungsverbot in der ZPO greifen, wenn Beweismittel wie private WhatsApp-Nachrichten oder E-Mails ohne Zustimmung des Verfassers verwendet werden. In der StPO ist das Verbot besonders relevant, da hier häufig die Rechte des Beschuldigten durch staatliche Ermittlungsmaßnahmen betroffen sind. Diese Maßnahmen können durch das Beweisverwertungsverbot eingeschränkt werden, wenn sie gegen rechtliche Vorgaben oder Grundrechte verstoßen.
Dabei unterscheidet sich das Beweisverwertungsverbot zwischen selbstständigen und unselbstständigen Verwertungsverboten:
Nicht jede rechtswidrig erlangte Beweiserkenntnis führt jedoch zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot. Hier kommt die Abwägung der widerstreitenden Interessen ins Spiel. Die Gerichte wägen das Interesse an der Wahrheitserforschung gegen die Grundrechte des Betroffenen ab, insbesondere, wenn es um die Verwertung von Beweisen geht, die durch geringfügige Verfahrensverstöße erlangt wurden. In solchen Fällen ist die Abwägung der Schwere des Grundrechtseingriffs auf der einen Seite und des staatlichen Strafverfolgungsinteresses auf der anderen Seite von entscheidender Bedeutung. Besonders gravierende Verstöße, wie der Einsatz von Folter zur Beweiserhebung, führen jedoch stets zu einem absoluten Beweisverwertungsverbot.
Das Beweisverwertungsverbot baut in vielen Fällen auf einem vorangegangenen Beweiserhebungsverbot auf, das die Art und Weise der Beweisgewinnung regelt. Ein Verstoß gegen ein solches Verbot kann zur Folge haben, dass die gewonnenen Beweise nicht verwertet werden dürfen. Die Beweiserhebungsverbote unterteilen sich in drei Hauptkategorien:
Beweiserhebungsverbote sind somit eine entscheidende Vorstufe für Beweisverwertungsverbote. Ohne ein Beweiserhebungsverbot würde ein Beweisverwertungsverbot in den meisten Fällen nicht greifen. Das Vorliegen eines Beweiserhebungsverbots legt den Grundstein für die weitere Beurteilung, ob der gewonnene Beweis im Verfahren verwertet werden darf oder ob er ausgeschlossen werden muss.
Im Prozessrecht wird zwischen selbstständigen und unselbstständigen Beweisverwertungsverboten unterschieden, um die Rechtmäßigkeit der Nutzung bestimmter Beweise zu prüfen.
Diese Verbote greifen, wenn die Beweiserhebung zwar rechtmäßig war, die Verwertung des Beweises jedoch aufgrund anderer Gründe verboten ist. Der zentrale Unterschied zu den unselbstständigen Verboten besteht darin, dass das Verbot nicht auf einem Fehler in der Beweiserhebung, sondern auf anderen rechtlichen Erwägungen basiert, meist im Bereich der Grundrechte.
Ein typisches Beispiel eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots ist die Nutzung von Beweismitteln, die intime und private Inhalte betreffen, selbst wenn sie korrekt erlangt wurden. Ein Tagebuch oder private Selbstgespräche, die durch Überwachungsmaßnahmen rechtmäßig aufgezeichnet wurden, dürfen aufgrund des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG) nicht als Beweismittel verwendet werden. Die Intimsphäre, die einen Kernbereich privater Lebensgestaltung bildet, ist besonders geschützt und darf nicht in ein Gerichtsverfahren eingebracht werden, selbst wenn diese Informationen auf legalem Weg erlangt wurden.
Der Zweck der selbstständigen Beweisverwertungsverbote ist der Schutz der Würde des Einzelnen und seines Persönlichkeitsrechts, unabhängig davon, wie der Beweis erlangt wurde. Besonders schwere Eingriffe in diesen Rechtsbereich können nicht durch das Interesse an der Strafverfolgung gerechtfertigt werden, weshalb selbst eine rechtmäßige Beweiserhebung nicht automatisch zu einer Verwertbarkeit des Beweises führt.
Diese Verbote treten als unmittelbare Folge eines Beweiserhebungsverbots ein. Liegt ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweiserhebung vor, kann dies zur Unverwertbarkeit des Beweises führen. Der Klassiker in diesem Zusammenhang ist die Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung, obwohl kein Fall von Gefahr im Verzug gegeben ist, gemäß § 81a StPO. Wenn ein solcher Verstoß vorliegt, greift grundsätzlich ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot.
Allerdings kommt es auch bei unselbstständigen Beweisverwertungsverboten auf eine Abwägung der Interessen an. Das Gericht wägt das Interesse an der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung gegen das Grundrecht des Beschuldigten auf einen fairen Prozess ab. In vielen Fällen führt ein gravierender Verstoß gegen die Grundrechte des Betroffenen, etwa die Missachtung des Richtervorbehalts bei der Beweiserhebung, zu einem Beweisverwertungsverbot. Doch auch hier können Ausnahmen gelten, wenn das öffentliche Interesse an der Verfolgung besonders schwerer Straftaten überwiegt. Diese Abwägung wird nach den Umständen des Einzelfalls vorgenommen.
Die Abwägungslehre ist eine zentrale Methode der Rechtsprechung, um zu entscheiden, ob ein Beweisverwertungsverbot im Strafprozess vorliegt. Sie dient dazu, das Spannungsverhältnis zwischen der effektiven Strafverfolgung und dem Schutz der Grundrechte des Beschuldigten zu lösen. Die Abwägungslehre sieht eine Einzelfallentscheidung vor, in der verschiedene Kriterien miteinander in Einklang gebracht werden.
Die Abwägungslehre ist daher eine flexible Methode, um die oft widersprüchlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten in Einklang zu bringen. Sie ermöglicht es den Gerichten, im Einzelfall eine gerechte Entscheidung zu treffen und dabei sowohl das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung als auch den Schutz der Rechte des Beschuldigten zu berücksichtigen.
Die Widerspruchslösung ist eine Regelung im deutschen Strafprozessrecht, die dem Verteidiger eine aktive Rolle bei der Geltendmachung von Beweisverwertungsverboten zuweist. Sie besagt, dass der Verteidiger eines Angeklagten während des Verfahrens der Verwendung eines rechtswidrig erlangten Beweises widersprechen muss. Dieser Widerspruch ist bis zum Abschluss der Beweisaufnahme gemäß § 257 StPO zu erheben. Unterlässt der Verteidiger den Widerspruch, so gilt dies als Einverständnis mit der Verwertung des Beweises, und dieser kann trotz eines Verfahrensverstoßes in die Urteilsfindung einbezogen werden.
Die Widerspruchslösung soll eine geordnete Verfahrensführung und eine rechtzeitige Klärung der Beweisfragen gewährleisten. Durch die Verpflichtung, frühzeitig Widerspruch zu erheben, wird verhindert, dass der Verteidiger erst im späteren Verfahrensverlauf oder gar erst in der Revision im Strafrecht die Unverwertbarkeit eines Beweises rügt. Dies dient der Verfahrensökonomie und der Fairness im Strafverfahren, da die Strafkammer und die Staatsanwaltschaft so rechtzeitig Kenntnis von eventuellen Verfahrensverstößen erhalten und darauf reagieren können.
Eine Ausnahme von der Widerspruchslösung gilt bei absoluten Beweisverwertungsverboten, die auch ohne Widerspruch nicht verwendet werden dürfen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Verstöße gegen § 136a StPO, der verbotene Vernehmungsmethoden wie Folter oder Täuschung untersagt. Solche Verstöße führen automatisch zur Unverwertbarkeit des Beweises, sodass ein Verteidiger keinen Widerspruch erheben muss. Bei absoluten Verboten ist der Schutz der Menschenwürde und der Grundrechte des Angeklagten so hoch, dass die Beweiserhebung und -verwertung in jedem Fall unzulässig ist.
Genauer betrachtet betreffen absolute Beweisverwertungsverbote Fälle, in denen die Verwertung eines Beweises aufgrund eines ausdrücklichen gesetzlichen Verbots in jedem Fall ausgeschlossen ist. Solche Verbote lassen keinen Raum für eine Abwägung der Interessen zwischen Strafverfolgung und Grundrechtsschutz. Das bedeutet, dass selbst bei schwerwiegenden Straftaten oder einem hohen öffentlichen Interesse die betreffenden Beweise unter keinen Umständen verwendet werden dürfen.
Es gibt zwei zentrale Beispiele für absolute Beweisverwertungsverbote:
Ein praxisnahes Beispiel für die rechtliche Auseinandersetzung um die Verwertbarkeit solcher Beweise bietet finden Sie in unserem Beitrag zu dem Fall EncroChat. In diesem Beitrag wird die komplexe juristische und gesellschaftliche Diskussion um die Nutzung entschlüsselter Kommunikationsdaten als Beweis detailliert beleuchtet.
Insgesamt dienen absolute Beweisverwertungsverbote dem unbedingten Schutz bestimmter verfassungsrechtlich geschützter Werte, insbesondere der Menschenwürde, der Integrität der Privatsphäre und des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Gerichte sind in diesen Fällen nicht befugt, eine Abwägung zwischen Strafverfolgungsinteressen und Grundrechtsschutz vorzunehmen; die unverwertbar erlangten Beweise müssen stets ausgeschlossen bleiben.
Im Übrigen unterscheidet man zwischen der Fernwirkung und der Fortwirkung von Beweisverwertungsverboten, die in Zusammenhang mit rechtswidrig erlangten Beweisen stehen.
Die Fernwirkung, im anglo-amerikanischen Recht auch als “Fruit of the poisonous tree” bekannt, bezieht sich auf Beweise, die durch den Gebrauch eines rechtswidrig erlangten Beweises gewonnen wurden. Im deutschen Recht wird diese Theorie weitgehend abgelehnt. Das bedeutet, dass ein Beweis, der auf einen ursprünglich rechtswidrigen Beweis zurückgeht, nicht automatisch als unverwertbar gilt. Stattdessen wird im Einzelfall geprüft, ob der mittelbar erlangte Beweis unabhängig von dem ersten rechtswidrig erlangten Beweismittel hätte erlangt werden können.
Entscheidend ist dabei, ob der neue Beweis auf einer völlig unabhängigen Beweisquelle beruht oder ob der Zusammenhang zwischen dem ursprünglichen Verfahrensverstoß und dem neuen Beweis so stark ist, dass der zweite Beweis durch den Verfahrensverstoß „infiziert“ ist. In Fällen, in denen die Verknüpfung nicht stark ist, können die Gerichte trotz des ursprünglichen Verfahrensverstoßes die Verwertung des zweiten Beweises zulassen, sofern dies verhältnismäßig erscheint.
Die Fortwirkung von Beweisverwertungsverboten betrifft den Fall, dass eine ursprünglich rechtswidrig erlangte Aussage oder ein Beweis die Verwertbarkeit von späteren Aussagen oder Beweisen beeinflusst. Ein Beispiel ist, wenn ein Beschuldigter ohne ordnungsgemäße Belehrung eine Aussage macht und daraufhin später nochmals, diesmal nach ordnungsgemäßer Belehrung, eine ähnliche Aussage tätigt. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob die zweite Aussage aufgrund der vorherigen, rechtswidrig erlangten Aussage „vorbelastet“ ist.
Die Rechtsprechung hat hier die qualifizierte Belehrung entwickelt. Um die Fortwirkung zu beseitigen, muss der Beschuldigte umfassend darüber informiert werden, dass seine frühere Aussage rechtswidrig war und daher nicht verwertet werden darf. Erst wenn diese qualifizierte Belehrung erfolgt, kann seine spätere Aussage verwertet werden. Ohne diese Belehrung könnte die zweite Aussage aufgrund der Vorwirkung der ersten ebenfalls unverwertbar sein.
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