Befangenheit in der Justiz und Verwaltung

Gerichtsverfahren sollen fair, Verwaltungsentscheidungen unparteiisch sein. Doch was, wenn der Eindruck entsteht, dass ein Richter voreingenommen urteilt oder ein Behördenmitarbeiter eigene Interessen verfolgt? Schon der bloße Verdacht kann das Vertrauen in ein Verfahren erschüttern – und genau hier setzt das jeweilige Verfahrensrecht an.

Dieser Beitrag zeigt, wann ein Befangenheitsantrag Aussicht auf Erfolg hat, welche Fallgruppen immer wieder diskutiert werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Denn wer über andere entscheidet, muss nicht nur neutral sein, sondern auch als neutral wahrgenommen werden.

a) Definition Befangenheit

Befangenheit bedeutet, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters oder einer anderen Prozessperson zu rechtfertigen.1 Maßgeblich für das Vorliegen der Befangenheit ist der Standpunkt des Ablehnenden aus der Sicht eines verständigen und vernünftigen Angeklagten.2

b) Befangenheit Bedeutung:

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Befangenheit liegt vor, wenn ein Grund besteht, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit führt dazu, dass dieser nicht mehr am Verfahren mitwirken darf. Maßgeblich sind die Regelungen der §§ 42 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) und §§ 24 ff. Strafprozessordnung (StPO).

c) Verwaltungsverfahren: Befangenheit im Amt

Auch im Verwaltungsrecht kann eine Befangenheit vorliegen. Dies ist der Fall, wenn ein Beamter ein persönliches Interesse (zum Bespiel ein Verwandtschafts- oder Vermögensinteresse) an einem Verwaltungsakt hat. In diesen Fällen kann dies einen Anfechtungsgrund darstellen (vgl. § 21 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)), womit eine Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt möglich wird.

1. Bei welchen Personen kann Befangenheit eine Rolle spielen?

Die Unparteilichkeit ist kein bloßes Ideal, sondern eine tragende Säule der Justiz und Verwaltung. Wer in einem Verfahren über Rechte und Pflichten anderer entscheidet, darf nicht befangen sein – sei es als Richter, Sachverständiger, Dolmetscher oder Verwaltungsbeamter. Die Rechtsprechung verlangt von ihnen nicht nur eine objektive Herangehensweise, sondern auch den Anschein absoluter Neutralität. Denn schon der kleinste Zweifel an der Unvoreingenommenheit kann das Vertrauen in die Entscheidungsfindung erschüttern.

Diese Anforderung durchzieht sämtliche Instanzen des Rechtswesens: Richter müssen frei von persönlichen Interessen urteilen, Sachverständige dürfen keine versteckten Loyalitäten pflegen, Dolmetscher müssen unvoreingenommen übersetzen, und Verwaltungsbeamte dürfen keine Eigeninteressen verfolgen. Nur so bleibt gewährleistet, dass Urteile, Verwaltungsakte und sonstige Entscheidungen nicht durch subjektive Neigungen oder persönliche Beziehungen beeinflusst werden.

Richter

Das Ideal des unabhängigen und neutralen Richters ist ein maßgeblicher Grundpfeiler des Rechtsstaats. Während § 41 ZPO zwingende Ausschlussgründe regelt, ermöglicht § 42 ZPO den Verfahrensbeteiligten, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dies kann erfolgen, wenn objektive Umstände den Anschein fehlender Neutralität erwecken (§ 42 Absatz 2 ZPO). Die Entscheidung darüber erfolgt in einem geregelten Verfahren (§§ 44 ff. ZPO), denn die Unparteilichkeit des Richters ist eine Grundvoraussetzung für dessen Unabhängigkeit und folgt aus Artikel 97 Absatz 1 GG sowie Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG.

Das Ablehnungsrecht steht jeder Partei sowie Streithelfern zu (§§ 42 Absatz 3, 67 ZPO). Auch ein Zeuge, der sich gegen ein Ordnungsgeld wehrt (§ 390 ZPO), oder ein Insolvenzgläubiger kann unter bestimmten Bedingungen ein Ablehnungsgesuch stellen.1

Eine Besetzungsrüge hingegen betrifft nicht die persönliche Eignung eines Richters, sondern die gesetzeskonforme Zusammensetzung des Gerichts.2

Obgleich Befangenheitsanträge nur selten Erfolg haben, werden Selbstablehnungen des Richters (§ 48 ZPO) häufiger anerkannt. Dies entspricht seiner Amtspflicht, die Unparteilichkeit der Richterbank zu wahren und eine neutrale Besetzung sicherzustellen.3

Wann sollte ein Befangenheitsantrag gestellt werden? Ein Befangenheitsantrag sollte nicht leichtfertig eingereicht werden. Er ist nur erfolgversprechend, wenn objektive Umstände den Anschein von Parteilichkeit begründen. Unzufriedenheit mit einer gerichtlichen Entscheidung reicht nicht aus.

Sachverständige

Sachverständige übernehmen als richterliche Gehilfen eine zentrale Rolle im Verfahren und unterliegen daher ähnlichen Unparteilichkeitsanforderungen wie Richter. § 406 Absatz 1 ZPO regelt ihre Ablehnung wegen Befangenheit und orientiert sich dabei an denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§§ 41 f. ZPO).

Ein Ablehnungsgesuch soll frühzeitig erfolgen, um zu verhindern, dass ein unverwertbares Gutachten entsteht und das Verfahren unnötig verzögert wird. Das Nebenverfahren zur Ablehnung wird daher getrennt vom Hauptverfahren geführt und soll dieses möglichst nicht aufhalten.4 Ein Ablehnungsgrund ist nicht an eine tatsächliche Befangenheit des Sachverständigen geknüpft, sondern an objektive Anhaltspunkte, die geeignet sind, aus Sicht einer verständigen Partei Zweifel an dessen Neutralität zu wecken.5 Vorbefassung mit demselben Sachverhalt oder enge geschäftliche Beziehungen zu einer Partei können ebenso zur Ablehnung führen wie unsachliche Äußerungen oder eine Überschreitung des Gutachtenauftrags.6

Sobald eine Ablehnung rechtskräftig festgestellt wurde, darf das betroffene Sachverständigengutachten nicht verwertet werden und der Sachverständige verliert gegebenenfalls seinen Vergütungsanspruch, aber darf in jedem Fall keine weiteren Beiträge mehr in dem Verfahren leisten.7

Was tun, wenn Zweifel an der Neutralität bestehen? Parteien sollten frühzeitig prüfen, ob es Anhaltspunkte für eine Befangenheit gibt. Ein späterer Ablehnungsantrag kann das Verfahren verzögern und bereits erstellte Gutachten unbrauchbar machen.

Amtspersonen

Amtspersonen in der Verwaltung müssen neutral handeln, insbesondere wenn sie Verwaltungsakte erlassen oder über Anträge entscheiden. Befangenheit liegt vor, wenn persönliche oder wirtschaftliche Interessen ihre Objektivität infrage stellen. Ein Beamter darf nicht tätig werden, wenn er selbst Beteiligter ist oder aus der Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil ziehen könnte.

Besonders heikel kann dies in Disziplinarverfahren sein: Liegen konkrete Hinweise auf eine Befangenheit vor, kann dies nicht nur zur Ungültigkeit einer behördlichen Entscheidung führen, sondern unter Umständen selbst ein Dienstvergehen darstellen. Das OVG Niedersachsen entschied, dass bereits der Anschein der Befangenheit ausreichen kann, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Disziplinarverfahrens zu begründen.8

Welche Folgen hat eine Befangenheit in der Verwaltung? Verwaltungsakte, die unter Mitwirkung eines befangenen Beamten ergangen sind, können angefochten oder sogar nichtig sein. Eine nicht unverzügliche (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) Rüge kann jedoch dazu führen, dass der Verwaltungsakt trotz möglicher Befangenheit Bestand hat.

Dolmetscher

Dolmetscher müssen im Gerichtsverfahren strikt unparteiisch sein. Sie können – wie Sachverständige – wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 191 GVG, §§ 74, 24 StPO). Eine erfolgreiche Ablehnung führt dazu, dass der Dolmetscher weder weiter tätig sein noch als sachverständiger Zeuge zu den von ihm übersetzten Aussagen vernommen werden darf.

Ein Ablehnungsgrund liegt insbesondere vor, wenn die Übersetzung die beweisrechtliche Bedeutung einer Aussage verändert oder Worte mit mehreren Bedeutungen einseitig wiedergegeben werden. Auch wenn die Übersetzung eine Erwartungshaltung widerspiegelt – sei es die des Gerichts, des Beschuldigten oder anderer Verfahrensbeteiligter –, kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen.9

Warum ist absolute Neutralität entscheidend? Ein Dolmetscher beeinflusst das Verfahren nicht nur durch seine Wortwahl, sondern auch durch Betonung, Gestik und Tonfall. Schon kleine Nuancen in der Übersetzung können die Wahrnehmung einer Aussage verändern.

Flankierende Regelungen in anderen Verfahrensordnungen

Daneben enthalten auch andere Verfahrensordnungen Vorschriften zur Ablehnung von Gerichtspersonen:

  • Sozialgerichtsgesetz (SGG): § 60 SGG verweist auf die §§ 41–49 ZPO. Besondere Bedeutung hat Absatz 3, der die Befangenheit bei Richtern normiert, die dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehören, sofern deren Interessen im Verfahren berührt sind.10
  • Finanzgerichtsordnung (FGO): § 51 FGO regelt die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen und stellt klar, dass auch ein Schöffe betroffen sein kann (Absatz 2). Für Sachverständige und Dolmetscher gelten gesonderte Vorschriften (§ 82 FGO i. V. m. § 406 ZPO bzw. § 155 FGO i.V.m. § 191 GVG).11
  • Patentrecht: § 86 PatG verweist auf die ZPO-Bestimmungen und ergänzt sie um Ausschlussgründe für Patentprüfer, wenn diese bereits in einem Vorverfahren zur gleichen Anmeldung tätig waren.12

2. Befangenheit von Richtern – Wann ist der Verdacht gerechtfertigt?

Die richterliche Unparteilichkeit ist das Fundament eines fairen Verfahrens. Doch wann kippt der Eindruck von Neutralität? Befangenheitsanträge sind nicht selten, aber nur in klar definierten Fällen erfolgreich. Die Gerichte prüfen im Rahmen eines Befangenheitsantrages stets, ob objektive Umstände den Anschein der Parteilichkeit begründen – tatsächliche Voreingenommenheit ist dafür nicht erforderlich.

a) Kein genereller Ausschluss, sondern eine Einzelfallbetrachtung

Die bloße Unzufriedenheit mit einer gerichtlichen Entscheidung begründet noch keine Besorgnis der Befangenheit. Maßgeblich ist, ob sich aus der Verfahrensführung oder dem Verhalten des Richters objektiv der Eindruck einer unsachlichen, voreingenommenen Haltung ergibt. Eine restriktive Auslegung ist dabei geboten, um den gesetzlichen Richter nicht ohne triftigen Grund auszuschließen.

b) Befangenheit Richter Beispiele und Rechtsprechung

Ein Blick auf aktuelle Urteile und typische Fallgruppen verdeutlicht, unter welchen Umständen die Besorgnis der Befangenheit eines Richters gerechtfertigt sein kann und welche Konstellationen in der Rechtsprechung immer wieder eine Rolle spielen. Dabei handelt es sich im Folgenden um wesentliche Beispiele aus der Rechtsprechung, jedoch nicht um eine abschließende Aufzählung. Eine solche wäre schon deshalb nicht möglich, weil die Bewertung stets eine einzelfallbezogene Abwägung erfordert. 

Dennoch lassen sich anhand der Rechtsprechung gewisse Fallgruppen erkennen, die immer wieder eine Rolle spielen und als Orientierung dienen können. Dazu zählen insbesondere:

Näheverhältnisse zu Verfahrensbeteiligten

Familiäre, wirtschaftliche oder enge persönliche Beziehungen zum Richter können die Besorgnis der Befangenheit begründen. Entscheidend ist die Intensität der Verbindung, insbesondere wenn sie über übliche Bekanntschaften hinausgeht.13

Verfahrensführung und Äußerungen

Unsachliche Bemerkungen, die Missachtung des rechtlichen Gehörs oder eine einseitige Prozessführung können Zweifel an der Unparteilichkeit begründen. Besonders problematisch sind willkürlich erscheinende Entscheidungen oder abwertende Äußerungen.14

Vorbefassung mit der Sache

Eine frühere Mitwirkung kann Misstrauen wecken, wenn der Richter bereits über denselben Streitgegenstand entschieden hat. Problematisch ist eine erkennbare Vorfestlegung, die darauf hindeutet, dass neue Argumente nicht mehr ergebnisoffen geprüft werden.15

Sachfremde Einflussnahmen

Externe Faktoren, die die richterliche Unabhängigkeit gefährden, können Befangenheit begründen. Dazu gehören persönliche Interessen am Ausgang des Verfahrens oder äußere Einflussnahmen, die den Richter in seiner objektiven Entscheidungsfindung beeinträchtigen.16

Sachverhalte, die diesen Fallgruppen ähnlich sind, können ebenfalls Befangenheitsgründe darstellen; je näher sie einer genannten Fallgruppe stehen, umso eher wird die Ablehnung berechtigt sein.17 Insofern bleibt die Bewertung der Befangenheit stets eine Frage des Einzelfalls. Nicht jede Unregelmäßigkeit oder vermeintliche Parteilichkeit begründet daher automatisch die Besorgnis der Befangenheit. Um die Grenzen zwischen gerechtfertigten und unbegründeten Ablehnungsgesuchen klarer zu ziehen, lohnt sich ein Blick auf aktuelle Entscheidungen – sie veranschaulichen, wann die Gerichte eine Befangenheit bejaht haben und wann sie einen solchen Vorwurf für nicht ausreichend hielten.

Beispiele, in denen Befangenheit bejaht wurde:

Ein Richter, der ein Teilurteil erlässt, ohne sich mit den wesentlichen Einwendungen der beklagten Partei auseinanderzusetzen, kann als befangen gelten. Besonders problematisch ist es, wenn eine Entscheidung ohne die gebotene mündliche Verhandlung nach § 128 Absatz 1 ZPO getroffen wird. Dies kann den Eindruck erwecken, dass der Richter die Belange der betroffenen Partei nicht ernsthaft berücksichtigt. Das OLG München entschied daher, dass ein solcher Verfahrensfehler die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.26

Die Besorgnis der Befangenheit kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn ein Richter auf einen Befangenheitsantrag mit unsachlicher Kritik reagiert. So entschied das OLG Stuttgart, dass ein Richter, der in seiner dienstlichen Stellungnahme abfällige Bemerkungen über eine Partei oder deren Anwalt macht, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit aufkommen lässt.27

Das OLG Karlsruhe sah die Besorgnis der Befangenheit als gerechtfertigt an, als ein Richter in einem Verfahren einen wichtigen Antrag einer Partei überging und eine für diese nachteilige Entscheidung traf. Dies sei als willkürlich zu werten und erwecke den Eindruck, dass der Richter einseitig agiere.28

Beispiele, in denen Befangenheit verneint wurde:

Die bloße Mitwirkung eines Richters an einem Versäumnisurteil begründet nicht automatisch die Besorgnis der Befangenheit. Das OLG Frankfurt entschied, dass ein Versäumnisurteil keine abschließende Sachprüfung darstelle. Daher sei es einem Richter nicht verwehrt, in der Berufungsinstanz über denselben Fall zu entscheiden.29

Nicht jede kritische Bemerkung eines Richters im Verfahren stellt einen Befangenheitsgrund dar. So entschied das OLG Hamm, dass ein Richter, der eine Partei zur Mäßigung auffordert oder auf Verfahrensmängel hinweist, nicht automatisch befangen ist. Vielmehr sei dies ein zulässiges Mittel der Verfahrensleitung.30

Ein Richter ist nicht allein deshalb befangen, weil er sich bereits in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit einem Sachverhalt befasst hat. Das Bundesverwaltungsgericht stellte klar, dass in solchen Fällen der Richter im Hauptverfahren eine neue Abwägung vornehmen kann.31

3. Verfahren bei Befangenheitsanträgen und Rechtsmittel

Ein faires und unparteiisches Gerichtsverfahren ist essenziell für die Rechtsstaatlichkeit. Um dies sicherzustellen, sieht die Rechtsordnung vor, dass Verfahrensbeteiligte einen Befangenheitsantrag stellen, wenn berechtigte Zweifel an der Neutralität eines Richters oder einer anderen entscheidungserheblichen Person bestehen. Doch wann ist ein solcher Antrag zulässig und welche Folgen hat er?

a) Verfahren

🔹 Antragstellung: Der Antrag muss schriftlich und begründet erfolgen – je früher, desto besser. Eine verspätete Geltendmachung kann zur Unzulässigkeit führen (§ 44 ZPO).

🔹 Glaubhaftmachung: Es müssen objektive Tatsachen vorgetragen werden, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (§ 44 Absatz 2 ZPO, § 26 Absatz 2 StPO).

🔹 Gerichtliche Prüfung:

  • Zulässigkeit: Ist der Antrag form- und fristgerecht eingereicht?
  • Begründetheit: Sind die Zweifel an der Unparteilichkeit nachvollziehbar? (§ 42 ZPO, § 24 Absatz 2 StPO).

b) Entscheidung und Rechtsmittel

🔹 Erfolgreicher Antrag ➝ Ausschluss des Richters, Neubestellung erforderlich.

🔹 Abgelehnter Antrag ➝ Verfahren läuft unverändert weiter.

🔹 Rechtsmittel, wenn der Antrag abgelehnt wurde:

  • Im Zivilprozess: Sofortige Beschwerde (§ 46 Absatz 2 ZPO).
  • Im Strafprozess: Erst mit dem Urteil (§ 28 Absatz 2 Satz 2 StPO). Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder unbegründet zurückgewiesen wurde, ist ebenso die sofortige Beschwerde zulässig (§ 28 Absatz 2 Satz 1 StPO).

4. Befangenheit im Verwaltungsverfahren

Auch im Verwaltungsverfahren ist die Neutralität der handelnden Personen essenziell, um die Legitimität staatlicher Entscheidungen zu wahren. Anders als in der Justiz betrifft die Befangenheit hier primär Behördenmitarbeiter, die über Anträge oder Verwaltungsakte entscheiden. Die rechtlichen Maßstäbe sind dabei § 21 VwVfG zu entnehmen, der ähnlich wie die Regelungen für Richter nicht auf eine tatsächliche Parteilichkeit abstellt, sondern bereits den „bösen Schein“ der Befangenheit genügen lässt.32

Wann liegt eine Befangenheit im Verwaltungsverfahren vor?

Befangenheit wird angenommen, wenn objektive Anhaltspunkte bestehen, die Misstrauen in eine unparteiische Amtsführung rechtfertigen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein Behördenmitarbeiter:

  • persönlich vom Verfahren betroffen ist, sei es als Beteiligter oder weil die Entscheidung ihm einen direkten Vorteil oder Nachteil bringt (§ 21 Absatz 1 VwVfG).
  • enge Beziehungen zu Verfahrensbeteiligten unterhält, beispielsweise durch enge Freundschaften oder geschäftliche Verbindungen.
  • sein Verhalten oder seine Äußerungen eine voreingenommene Haltung erkennen lassen, etwa durch abfällige Bemerkungen über eine Partei oder erkennbar ungleiche Behandlung.33

Verfahren bei einem Befangenheitsantrag

Ein Behördenmitarbeiter, der eigene Befangenheit erkennt, ist verpflichtet, dies unverzüglich der Behördenleitung mitzuteilen. Die Behörde entscheidet dann, ob ein Ausschluss erfolgt (§ 21 Absatz 1 Satz 1 VwVfG). Ist der Behördenleiter selbst betroffen, übernimmt die Aufsichtsbehörde diese Prüfung (§ 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).

Falls eine Partei einen Befangenheitsantrag stellt, muss dieser konkrete und objektivierbare Anhaltspunkte enthalten. Bloße subjektive Befürchtungen oder vage Vermutungen reichen nicht aus.34

Rechtsfolgen einer Befangenheit

Wurde ein Verwaltungsakt unter Mitwirkung eines befangenen Bediensteten erlassen, kann er gemäß §§ 44 ff. VwVfG angefochten werden. Entscheidend ist, ob ohne die Mitwirkung des Befangenen eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (§ 46 VwVfG).35

Bei schwerwiegenden Verfahrensverstößen kann der Verwaltungsakt nichtig sein (§ 44 VwVfG), während bei öffentlichen Verträgen § 59 VwVfG maßgeblich ist (ebd.). Ein Befangenheitsverdacht muss der Behörde als Hinweis mitgeteilt werden, stellt aber keinen förmlichen Antrag dar. Wird er ignoriert, kann er meist nur im Rahmen des § 44a VwGO zusammen mit der Hauptsache geltend gemacht werden. In bestimmten Fällen kann der Verfahrensfehler nach §§ 45, 46 VwVfG geheilt werden (ebd.).

5. Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Befangenheit liegt vor, wenn objektive Gründe geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit einer Person zu wecken. Entscheidend ist nicht, ob eine tatsächliche Voreingenommenheit besteht, sondern ob ein verständiger Dritter Misstrauen in die Neutralität haben könnte. Dies kann bei persönlichen Beziehungen, unsachlichem Verhalten oder parteilicher Verfahrensführung der Fall sein.

Befangen bedeutet, dass eine Person aufgrund bestimmter Umstände nicht unvoreingenommen agieren kann oder zumindest der Anschein einer Parteilichkeit besteht. Dies betrifft Richter, Sachverständige, Dolmetscher und Amtspersonen, die in einem Verfahren eine neutrale Rolle einnehmen müssen. Eine festgestellte Befangenheit führt meist zum Ausschluss der betreffenden Person von der weiteren Mitwirkung.

Die Feststellung der Befangenheit erfolgt durch das zuständige Gericht (§ 45 Absatz 1 ZPO) oder die übergeordnete Behörde. Im Gerichtsverfahren entscheidet darüber regelmäßig das Kollegialgericht oder – bei Einzelrichtern – ein anderer Richter desselben Gerichts (vgl. § 27 StPO). In Verwaltungsverfahren trifft die Behördenleitung die Entscheidung, bei deren Befangenheit die übergeordnete Aufsichtsbehörde (sog. Behördenleitung gem. § 21 Absatz 1 VwVfG).

Grundsätzlich muss ein Befangenheitsantrag so früh wie möglich gestellt werden, sobald der Ablehnungsgrund bekannt ist. Ein verspäteter Antrag kann unzulässig sein, wenn er erst nach einer nachteiligen Entscheidung erhoben wird. In Ausnahmefällen kann Befangenheit aber auch nachträglich zur Anfechtung einer Entscheidung herangezogen werden, insbesondere wenn sich erst später herausstellt, dass eine unzulässige Mitwirkung vorlag.

Wird eine Befangenheit festgestellt, wird die betroffene Person von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen. Bereits getroffene Entscheidungen können aufgehoben oder wiederholt werden, falls die Befangenheit einen Einfluss auf den Verfahrensausgang hatte. In Verwaltungsverfahren kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt angefochten oder für nichtig erklärt werden.

6. Quellenverzeichnis

  1. MüKoZPO-Stackmann § 42 ZPO Rn. 3.
  2. MüKoZPO-Stackmann § 42 ZPO Rn. 1.
  3. MüKoZPO-Stackmann § 48 ZPO Rn. 1.
  4. MüKoZPO-Zimmermann § 406 ZPO Rn. 1.
  5. Thierau, DS 2022, 121, 122.
  6. BGH DS 2017, 63 = NJW-RR 2017, 569 = VersR 2017, 641 = NJW 2017, 1248 Ls.
  7. MüKoZPO-Zimmermann § 406 ZPO Rn. 19.
  8. Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Urteil v. 13.12.2022 – Az.: 6 LD 1/22.
  9. Eisenberg, Beweisrecht der StPO I. 2. d) aa) Rn. 1517 ff.
  10. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt-Keller, § 60 SGG Rn. 9.
  11. Gräber-Stapperfend, § 51 FGO Rn. 2.
  12. BeckOK-PatR-Schnurr, § 86 PatG, Rn. 1.
  13. Musielak/Voit-Heinrich, § 42 ZPO Rn. 11.
  14. Musielak/Voit-Heinrich, § 42 ZPO Rn. 12.
  15. Musielak/Voit-Heinrich, § 42 ZPO Rn. 14.
  16. Musielak/Voit-Heinrich, § 42 ZPO Rn. 17.
  17. MüKoZPO-Stackmann § 42 ZPO Rn. 8.
  18. OLG München, Beschluss vom 1.2.2023 – Az.: 7 W 16/23, r+s 2024, 579, 580, Rn. 14 ff.
  19. OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.10.2024 – Az.: 13 W 20/24, NJOZ 2024, 1374.
  20. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.5.2006 – Az.: 15 W 14/06, NJOZ 2007, 2155, 2157 ff.
  21. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8.5.2024 – Az.: 6 U 212/23, MDR 2024, 1067.
  22. OLG Hamm, Beschl. v. 29.3.2018 – Az.: 1 W 12/18, BeckRS 2018, 7849, Rn. 15.
  23. BVerwG, Beschluss vom 02.10.1997 – Az.: 11 B 30/97, NVwZ-RR 1998, 268, 268 f.
  24. MAH-VerwR-Haase/Achselpöhler § 16 Das Mandat im Prüfungsrecht, 2023, Rn. 87.
  25. MAH-VerwR-Haase/Achselpöhler § 16 Das Mandat im Prüfungsrecht, 2023, Rn. 88.
  26. MAH-VerwR-Haase/Achselpöhler § 16 Das Mandat im Prüfungsrecht, 2023, Rn. 88 f.
  27. Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, 2022 § 21 VwVfG Rn. 26.
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Christopher Molter

Studium:

  • Student der Rechtswissenschaften an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht
  • Schwerpunktbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht
  • Auslandsaufenthalt an der University of Alberta (Kanada)

Jurawelt:

  • Redakteur & Studentischer Mitarbeiter