In der Rechtswelt ist das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant von entscheidender Bedeutung. Doch was passiert, wenn ein Anwalt dem eigenen Mandanten schadet? Es ist eine Vorstellung, die Mandanten kaum fassen können: Der Rechtsbeistand, der eigentlich ihre Interessen vertreten soll, könnte durch Fehler oder gar Fahrlässigkeit genau das Gegenteil bewirken. In solchen Fällen greift die Anwaltshaftung – ein rechtliches Schutzinstrument, das sicherstellt, dass Anwälte für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden können.
Dieser Beitrag erläutert, welche rechtlichen Schritte möglich sind, um anwaltliche Fehltritte zu korrigieren, und wie Mandanten sich gegen Pflichtverletzungen wehren können – von der Klärung im Gespräch bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
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Die Beziehung zwischen Mandant und Anwalt basiert in der Regel auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 611, 675 Absatz 1 BGB). Ein solcher Vertrag verpflichtet den Anwalt zwar nicht, einen bestimmten Erfolg zu garantieren, doch die Erwartung an seine Sorgfalt und fachliche Kompetenz ist hoch. Hier beginnt die Verantwortung, die als Anwaltshaftung bezeichnet wird. Sie greift immer dann, wenn der Anwalt gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt und dadurch dem Mandanten ein Schaden entsteht.
Der Kern des Anwaltsberufs ist die Pflicht, die Interessen des Mandanten mit der gebotenen Sorgfalt und Fachkenntnis zu wahren. Diese Verpflichtung bedeutet nicht nur, dass der Anwalt seinen Fall versteht und die rechtlichen Rahmenbedingungen korrekt einschätzt, sondern auch, dass er die gebotenen Schritte zeitgerecht und im Interesse des Mandanten setzt. Besonders in komplexen Rechtsstreitigkeiten, in denen es oft um hohe Summen oder weitreichende Konsequenzen geht, darf kein Raum für Fahrlässigkeit sein.
Die anwaltliche Haftung baut insofern auf einer einfachen, aber bedeutsamen Prämisse auf: Versäumt ein Anwalt seine Pflichten, haftet er für den daraus entstehenden Schaden. Dies bedeutet, dass der Mandant Schadensersatz verlangen kann, wenn beispielsweise eine wichtige Frist verstreicht, weil der Anwalt untätig geblieben ist. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in den allgemeinen Bestimmungen der §§ 280 ff. BGB, insbesondere in § 280 Absatz 1 BGB. Hier wird geregelt, dass der Anwalt für Pflichtverletzungen im Rahmen des Mandats haftet, es sei denn, er kann nachweisen, dass ihn kein Verschulden trifft – ein schwer zu erbringender Nachweis, da Anwälte in der Regel für jede Form der Fahrlässigkeit haften.
Einer der häufigsten Haftungsfälle im anwaltlichen Alltag ist das Versäumen einer Frist. Besonders im Zivilrecht, wo Fristen streng überwacht werden, können solche Versäumnisse gravierende Auswirkungen haben. Wird eine Frist nicht eingehalten, verliert der Mandant möglicherweise unwiderruflich die Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Ein Versäumnis dieser Art wird dem Anwalt als Anwaltsverschulden gemäß § 85 ZPO angelastet.
Das Fristversäumnis ist daher der Inbegriff einer anwaltlichen Pflichtverletzung und gilt in der Rechtsprechung als „Klassiker“ der Anwaltshaftung. Ein Anwalt, der eine Frist nicht im Blick behält, riskiert nicht nur den Erfolg des Falls, sondern auch den Verlust seines guten Rufs und die Haftung für den entstandenen Schaden. In solchen Fällen besteht kaum ein Zweifel an der Verantwortlichkeit des Anwalts, da die Fristwahrung eine der grundlegendsten Pflichten im anwaltlichen Alltag ist.
Doch nicht nur das Versäumnis von Fristen führt zu Anwaltshaftungsfällen. Auch die Untätigkeit eines Anwalts oder der Mangel an Kommunikation mit dem Mandanten kann gravierende Folgen haben. Ein Anwalt, der wichtige Schritte in einem Verfahren unterlässt oder seinen Mandanten nicht rechtzeitig informiert, kann ebenfalls haftbar gemacht werden. Die Informationspflicht, fest verankert in der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 43 BRAO), verlangt von Anwälten, ihren Mandanten umfassend über den Verlauf des Verfahrens, die rechtlichen Risiken und die nächsten Schritte zu informieren. Ein Mandant, der im Dunkeln gelassen wird, verliert schnell das Vertrauen in seinen Anwalt und riskiert möglicherweise, falsche Entscheidungen zu treffen.
Ein weiteres häufiges Problem ist die mangelnde Erreichbarkeit von Anwälten. Wenn Anrufe und E-Mails unbeantwortet bleiben, können sich Mandanten im Stich gelassen fühlen. Diese Form der Untätigkeit ist nicht nur ein Zeichen schlechter Arbeitsweise, sondern kann in kritischen Phasen eines Verfahrens dazu führen, dass der Mandant wichtige Entscheidungen verpasst oder Fristen versäumt. Hier droht dem Anwalt ebenfalls eine Haftung für die entstandenen Schäden.
Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs reicht es jedoch nicht aus, eine Pflichtverletzung des Anwalts zu behaupten. Es muss auch nachgewiesen werden, dass der entstandene Schaden unmittelbar auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Dieser Zusammenhang – die sogenannte Kausalität – erweist sich in der Praxis oft als schwierig. Es muss bewiesen werden, dass der Mandant den Prozess oder die rechtliche Auseinandersetzung ohne den Fehler des Anwalts gewonnen hätte oder dass ihm ein messbarer finanzieller Nachteil entstanden ist.
Dieses Erfordernis stellt sicher, dass nicht jede Unzufriedenheit mit der Leistung eines Anwalts automatisch zu einer Haftung führt. Vielmehr muss der Mandant darlegen, dass er durch den Fehler des Anwalts tatsächlich schlechter gestellt wurde, als er es ohne diesen Fehler gewesen wäre. Dies kann besonders bei komplexen Verfahren, bei denen mehrere Faktoren eine Rolle spielen, eine erhebliche Hürde darstellen.
Es gibt kaum eine entmutigendere Situation für einen Mandanten als die Erkenntnis, dass der eigene Anwalt möglicherweise nicht in seinem Interesse handelt. Was tun, wenn ausgerechnet derjenige, der das Recht schützen soll, dieses ins Wanken bringt? Genau in diesen Momenten gilt es, mit kühlem Kopf und klarem Handeln die Situation zu retten. Hierbei spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die sowohl rechtliche als auch strategische Überlegungen erfordern.
Die erste Reaktion auf den Verdacht, dass ein Anwalt nicht wie erwartet agiert, sollte nicht in überstürztem Handeln liegen. Oftmals beruhen solche Situationen auf Missverständnissen oder unklarer Kommunikation. Daher ist ein offenes Gespräch der logische erste Schritt. Dabei sollte der Mandant seine Bedenken präzise und sachlich äußern – seien es versäumte Fristen, unzureichende Kommunikation oder Unzufriedenheit mit der erbrachten Leistung.
Dieses Gespräch bietet dem Anwalt die Möglichkeit, auf die Vorwürfe zu reagieren, Klarheit zu schaffen und mögliche Missverständnisse auszuräumen. Es gibt Fälle, in denen sich Unstimmigkeiten nach einer solchen Aussprache in Wohlgefallen auflösen, insbesondere wenn dem Anwalt bisher nicht bewusst war, dass sein Verhalten als nachlässig wahrgenommen wurde.
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, ein Mandant wartet vergeblich auf eine Rückmeldung seiner Rechtsanwältin. Monatelang erhält er keine Antwort auf seine Anfragen, und die Unsicherheit wächst. In einem persönlichen Gespräch stellt sich heraus, dass die Anwältin durch einen längeren Krankheitsfall in der Kanzlei überlastet war und die Kommunikation intern nicht reibungslos ablief. Eine Entschuldigung und das Versprechen, ab sofort regelmäßige Updates zu geben, können solche Situationen entschärfen.
Wenn das Gespräch keine zufriedenstellende Klärung bringt und weiterhin Zweifel an der Kompetenz des Anwalts bestehen, kann der Mandant erwägen, eine zweite Meinung einzuholen. Dies ist besonders ratsam, wenn der Eindruck entsteht, dass der Anwalt wichtige Aspekte des Falls übersehen hat oder falsche rechtliche Einschätzungen abgibt.
Eine zweite Meinung von einem unabhängigen Rechtsanwalt kann Licht ins Dunkel bringen und dem Mandanten die nötige Sicherheit geben, ob sein Fall tatsächlich korrekt behandelt wird oder nicht. Insbesondere in komplexen Rechtsstreitigkeiten, in denen fachliche Expertise entscheidend ist, kann dieser Schritt verhindern, dass schwerwiegende Fehler unbemerkt bleiben.
Beispiel: Ein Mandant fühlt sich in einem laufenden Prozess nicht ausreichend vertreten, weil sein Anwalt keine Strategie zur Verteidigung vorgelegt hat. Nach Rücksprache mit einem anderen Anwalt erfährt der Mandant, dass in seinem Fall entscheidende Rechtsmittel übersehen wurden.
Wenn das Vertrauen in den Anwalt unwiederbringlich verloren ist, sollte der Mandant nicht zögern, über einen Anwaltswechsel nachzudenken. Der Wechsel des Rechtsbeistands ist jederzeit möglich und oft der beste Weg, um weiteren Schaden zu verhindern. Bevor dieser Schritt jedoch gegangen wird, ist es ratsam, die finanziellen Aspekte zu klären – insbesondere die Kostenübernahme durch eine Rechtsschutzversicherung.
Ein Anwaltswechsel kann zusätzliche Kosten verursachen, da der neue Anwalt Zeit und Ressourcen aufwenden muss, um sich in den Fall einzuarbeiten. Dennoch ist dieser Schritt häufig der einzige Ausweg, wenn das Vertrauensverhältnis dauerhaft gestört ist. Der neue Anwalt übernimmt in der Regel auch die Kommunikation mit der bisherigen Kanzlei, sodass der Mandant sich nicht mit unangenehmen Auseinandersetzungen belasten muss.
Wenn das Fehlverhalten des Anwalts gravierender Natur ist – etwa bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Pflichtverletzung – kann eine Beschwerde bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer eingereicht werden. Diese Beschwerde ist ein formaler Weg, um berufsrechtliche Maßnahmen gegen den Anwalt zu erwirken. Die Kammer hat die Möglichkeit, Verwarnungen auszusprechen, Geldbußen zu verhängen oder in extremen Fällen sogar die Zulassung des Anwalts zu entziehen, wenn ein Anwalt dem eigenen Mandanten schadet.
Wichtig ist, dass eine solche Beschwerde gut dokumentiert ist. Der Mandant sollte alle relevanten Schriftstücke, E-Mails und Gesprächsprotokolle sammeln, um die Pflichtverletzungen des Anwalts nachzuweisen.
Beispiel: Ein Mandant bemerkt, dass sein Anwalt wiederholt Fristen versäumt und auf Nachfragen nicht reagiert. Als sich herausstellt, dass der Anwalt den Mandanten auch nicht über wichtige Entwicklungen im Fall informiert hat, reicht der Mandant eine Beschwerde bei der Anwaltskammer ein, die daraufhin eine Untersuchung einleitet.
In Fällen, in denen dem Mandanten durch das Fehlverhalten des Anwalts bereits ein messbarer Schaden entstanden ist, kommt eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Betracht. Diese Ansprüche ergeben sich aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 280 ff. BGB. Der Mandant muss dabei nachweisen, dass der Schaden unmittelbar durch die Pflichtverletzung des Anwalts verursacht wurde – sei es durch versäumte Fristen, falsche rechtliche Beratung oder das Unterlassen notwendiger Schritte.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Mandant den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem entstandenen Schaden darlegen muss. Dieser Nachweis kann in manchen Fällen schwierig sein, insbesondere wenn der Ausgang eines Prozesses durch mehrere Faktoren beeinflusst wurde.
Wenn ein Anwalt dem eigenen Mandanten schadet und für seine Fehlleistungen haften muss, setzt dies einige wesentliche Voraussetzungen voraus, die klar definiert und rechtlich festgelegt sind. Hier ist ein kurzer Überblick, der die wichtigsten Punkte zusammenfasst:
Ansprüche aus Anwaltshaftung verjähren gemäß § 195 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist nach drei Jahren. Diese Frist beginnt, sobald der Mandant Kenntnis von der Pflichtverletzung erlangt oder bei gebotener Sorgfalt hätte erlangen müssen. Es ist daher wichtig, den Zeitpunkt der Entdeckung des Fehlverhaltens genau zu dokumentieren, wenn ein Anwalt dem eigenen Mandanten schadet.
Das Mandat zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten ist mehr als nur ein rechtlicher Vertrag – es ist ein Band des Vertrauens, das auf Sorgfalt, Kompetenz und Loyalität beruht. Wenn jedoch dieses Vertrauen durch Pflichtverletzungen des Anwalts erschüttert wird, bietet die Anwaltshaftung den Mandanten ein wichtiges Schutzinstrument. Sie schafft einen klaren rechtlichen Rahmen, der sicherstellt, dass Anwälte für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden, sobald sie gegen ihre vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten verstoßen. Sollte dieses Vertrauen enttäuscht werden, bleibt es entscheidend, schnell und bedacht zu handeln – sei es durch ein klärendes Gespräch, den Wechsel des Anwalts oder, im Ernstfall, durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.