Cannabis in Bayern: Popularklage gegen Cannabisgesetz

Trotz der bundesweiten Teillegalisierung von Cannabis bleibt Bayern ein Vorreiter der Strenge: Während im Rest der Bundesrepublik die neu gewonnenen Freiheiten bereits ausgelebt werden – etwa in Berlin, wo seit dem 1. Juli 2024 Cannabis-Clubs ihre Genehmigungsanträge einreichen können – verfolgt Bayern konsequent eine Politik der Abgrenzung und Restriktion. Doch ob diese restriktiven Maßnahmen rechtlich Bestand haben, wird nun der Bayerische Verfassungsgerichtshof klären müssen.

Kaum ein anderes Bundesland zeigt so massiven Widerstand gegen die Legalisierung. In Bayern herrscht nicht die Freude über die neue Flexibilität, sondern die Angst, ein “Kifferparadies” zu schaffen – ein Begriff, den Ministerpräsident Markus Söder prägend eingeführt hat, um den bayerischen Sonderweg zu rechtfertigen. Doch diese Härte hat ihren Preis: Sie löst nicht nur Unsicherheit und Verärgerung bei den Konsumenten aus, sondern führt auch zu erheblichen juristischen Fragen. Kann ein Bundesland so weitreichende Einschränkungen durchsetzen, während der Bund klare Vorgaben gemacht hat?

Dieser Beitrag nimmt sich daher zum Anlass, die rechtlichen Hintergründe, die strikten Regelungen im Freistaat, die teils drastischen Bußgelder und die Auswirkungen auf Patienten, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, genauer zu analysieren. Bayern – das Land der “Freiheit”, wie es sich selbst gerne nennt – scheint hier einen Sonderweg einzuschlagen, der seine Grenzen und Widersprüche schonungslos offenlegt.

I. Cannabis-Legalisierung auf Bundesebene: Ein Paradigmenwechsel

Die bundesweite Teillegalisierung von Cannabis, die am 1. April 2024 in Kraft trat, brachte für viele die lang ersehnte Freiheit – doch diese Freiheit kommt mit deutlichen Grenzen. Zwar dürfen Erwachsene jetzt bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum besitzen und drei Pflanzen in ihren eigenen vier Wänden anbauen, doch wer glaubt, dass dies automatisch den freien Konsum auf öffentlichen Plätzen ermöglicht, wird enttäuscht sein.

Die neuen Gesetze, konkret das Cannabisgesetz (CanG) und das Konsumcannabisgesetz (KCanG), stellen klar: Öffentlicher Konsum bleibt streng reglementiert. Besonders der Schutz von Minderjährigen steht im Vordergrund. So ist das Rauchen von Cannabis in der Nähe von Schulen, Spielplätzen und Kinder- und Jugendeinrichtungen nach § 5 Abs. 1 KCanG strikt verboten.

Darüber hinaus haben viele Kommunen eigene Einschränkungen erlassen, um den Konsum in weiteren öffentlichen Bereichen zu regulieren. In Bayern beispielsweise wurden diese Regelungen besonders rigoros umgesetzt, was viele Cannabiskonsumenten vor unerwartete Herausforderungen stellt.

Mehr zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und allen wichtigen Regelungen rund um die Cannabis-Legalisierung finden Sie in unserem FAQ zur Cannabis-Legalisierung.

 

II. Cannabis in Bayern: Strengere Regeln trotz Legalisierung

Obwohl die bundesweite Cannabis-Legalisierung vielen den Anschein von mehr Freiheit vermittelt, verfolgt Bayern eine gänzlich andere, sehr restriktive Linie. Ministerpräsident Markus Söder hat unmissverständlich klar gemacht, dass Bayern „kein Kifferparadies“ werden soll. Stattdessen gilt im Freistaat eine Drogenpolitik, die den Konsum von Cannabis, selbst nach der Legalisierung, weitgehend aus dem öffentlichen Raum verbannt. Das Bayerische Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz trat bereits am 1. August 2024 in Kraft und zielt darauf ab, dass die Bundesgesetze so restriktiv wie möglich auszulegen und jede Lockerung weitgehend zu unterbinden.

Besonders betroffen von diesen strikten Vorschriften sind Orte, die typischerweise als Treffpunkte für Familien und Jugendliche gelten. So ist das Rauchen, Erhitzen und Verdampfen von Cannabis auf Volksfesten wie dem Oktoberfest, in der Gastronomie, selbst in ausgewiesenen Raucherräumen, sowie in Biergärten komplett verboten. Auch der Englische Garten in München – ein populärer öffentlicher Park – ist von einem vollständigen Cannabisverbot betroffen, das die Staatsregierung als Herrin der bayerischen Schlösserverwaltung autonom durchgesetzt hat.

Doch damit nicht genug: Städte und Gemeinden haben das Recht, eigene restriktive Regeln zu erlassen. Sie dürfen den Konsum auf bestimmten öffentlichen Flächen weiter einschränken, etwa in Stadtparks oder an zentralen Treffpunkten. In solchen Fällen greifen die örtlichen Behörden auf das Gesundheitsschutzgesetz (GSG) und das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) zurück, um den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten.

 

Bußgelder: Harte Sanktionen für Verstöße

Wer glaubt, die Regeln in Bayern ignorieren zu können, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Der Bußgeldkatalog für Konsumcannabis in Bayern ist seit dem 1. April 2024 in Kraft und sieht teilweise erhebliche Bußgelder vor, die sowohl Privatpersonen als auch Anbauvereine betreffen. Besonders strenge Sanktionen drohen in Situationen, in denen der Schutz von Minderjährigen oder der öffentlichen Sicherheit gefährdet wird.

Hier eine Übersicht der wichtigsten Verstöße und deren Bußgelder:

Verstoß Bußgeld für Bußgeldhöhe
Besitz von 26-30g Cannabis außerhalb der Wohnung Personen ab 14 Jahren 500 – 1.000 Euro
Besitz von mehr als 50g und bis zu 60g Cannabis Personen ab 14 Jahren 500 – 1.000 Euro
Konsum vor Minderjährigen Personen ab 14 Jahren 1.000 Euro
Cannabis-Konsum in der Nähe von Schulen, Kindergärten, Spielplätzen, Jugendzentren (100 Meter Luftlinie) Personen ab 14 Jahren 500 Euro
Cannabis-Konsum in Fußgängerzonen (zwischen 7 und 20 Uhr) Personen ab 14 Jahren 500 Euro
Konsum in militärischen Bereichen Personen ab 14 Jahren 300 Euro
Nicht ordnungsgemäße Lagerung von Cannabis in der Wohnung Personen ab 14 Jahren 500 – 750 Euro
Fehlende Alterskontrolle in Anbauvereinen Anbauvereine 750 Euro
Nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung von Cannabis in Anbauvereinen Anbauvereine 500 – 750 Euro
Verstoß gegen die Mitteilungspflichten der Anbauvereine Anbauvereine 50 – 250 Euro
Beauftragung von Nichtmitgliedern mit dem Anbau Anbauvereine 1.000 Euro pro Beschäftigten
Weitergabe von mehr als fünf Cannabissamen pro Monat Anbauvereine 250 – 30.000 Euro

 

III. Bayern im Alleingang? Kompetenzfragen und der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit

Bayern positioniert sich in der Frage der Cannabis-Legalisierung insofern klar als Sonderfall. Trotz der bundesweiten Teillegalisierung geht der Freistaat unter der Führung von Ministerpräsident Markus Söder einen rigorosen Sonderweg, der weit über die Vorgaben des Bundes hinausgeht. Doch diese strikten Sonderregelungen bleiben nicht unwidersprochen. Bereits im Herbst 2024 hat ein parteiübergreifendes Bündnis, bestehend aus Bundestagsabgeordneten der SPD, FDP und Linken, eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) eingereicht. Ihr Vorwurf: Die bayerische Staatsregierung unterlaufe mit dem Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz bewusst die vom Bund beschlossenen Reformen und verweigere sich damit einem bundesweit einheitlichen Umgang mit Cannabis.

Das Herzstück der rechtlichen Auseinandersetzung bildet die Frage, ob Bayern überhaupt das Recht hat, eigenständige Regelungen für den Umgang mit Cannabis zu erlassen, oder ob diese Kompetenz nicht längst durch den Bund abschließend geregelt wurde. Die Kläger, darunter Bundestagsabgeordnete wie Carmen Wegge (SPD), Kristine Lütke (FDP) und Ates Gürpinar (Linke), stützen sich dabei auf Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Dieser besagt, dass der Bund in Angelegenheiten der konkurrierenden Gesetzgebung, zu denen auch der Gesundheitsschutz zählt, vorrangig zuständig ist, wenn eine bundeseinheitliche Regelung notwendig erscheint. Die Cannabis-Legalisierung, so das Bündnis, sei genau eine solche Angelegenheit, die abschließend durch den Bundesgesetzgeber geregelt worden sei.

 

Verstoß gegen die Bayerische Verfassung?

Die Popularklage greift zudem auf eine weitere wichtige Rechtsnorm zurück: Artikel 98 Satz 4 der Verfassung des Freistaates Bayern (BV). Dieser Artikel erlaubt es Bürgern und Organisationen, gegen Landesgesetze vorzugehen, wenn sie der Ansicht sind, dass diese gegen die Bayerische Verfassung verstoßen. Die Kläger argumentieren, dass die bayerischen Sonderregelungen nicht nur gegen das Prinzip der Bundestreue verstoßen könnten, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich seien. Sie führen an, dass das Bayerische Gesundheitsschutzgesetz und das Landesstraf- und Verordnungsgesetz in Verbindung mit dem Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz Grundrechte der Bürger, insbesondere die Berufsfreiheit von Gastronomen und das Recht auf Gleichbehandlung, einschränken. Denn das strikte Verbot des Cannabiskonsums in Gaststätten, Biergärten und auf Volksfesten belaste nicht nur Konsumenten, sondern schränke auch die Betreiber von gastronomischen Betrieben in ihrer unternehmerischen Freiheit ein.

Insbesondere wird kritisiert, dass die bayerischen Vorschriften in keiner Weise verhältnismäßig seien. Anstatt milderer Mittel, wie etwa einer freiwilligen Kennzeichnungspflicht für Gaststätten, werde durch die Vorschriften die Entscheidungsmöglichkeit der Gastwirte erheblich eingeschränkt. Gleichzeitig stören sich die Kläger an der Ungleichbehandlung im Vergleich zum Konsum von Alkohol oder Tabak, die auf Volksfesten wie dem Oktoberfest oder in der Gastronomie nach wie vor erlaubt sind. Diese Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, da Cannabis mittlerweile als weit verbreitete Substanz nicht anders behandelt werden dürfe als Alkohol oder Nikotin.

 

Aussichten und Bedeutung der Popularklage

Ob die Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Statistisch gesehen sind Popularklagen nur selten erfolgreich – die Erfolgsquote liegt bei etwa neun Prozent. Dennoch hat dieser Fall eine besondere Brisanz, da er grundlegende verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die nicht nur Bayern, sondern das Verhältnis zwischen Bund und Ländern insgesamt betreffen.

Die Kläger setzen darauf, dass der Verfassungsgerichtshof Bayern in die Schranken weist und den Freistaat dazu verpflichtet, sich an die bundesweiten Vorgaben zu halten. Sollte die Klage erfolgreich sein, hätte dies weitreichende Folgen für die Drogenpolitik in Bayern und könnte auch andere Bundesländer dazu bewegen, ihre restriktiven Regelungen zu überprüfen. Bayern sieht der Klage jedoch gelassen entgegen: Judith Gerlach, die bayerische Gesundheitsministerin, erklärte, man sei überzeugt, dass das Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz verfassungskonform sei und den nötigen Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Cannabiskonsums gewährleiste.

 

IV. Was gilt für medizinisches Cannabis in Bayern?

Ein oft übersehener, jedoch höchst relevanter Aspekt der Cannabis-Debatte in Bayern ist der Umgang mit medizinischem Cannabis. Schließlich ist es deutschlandweit möglich, das Cannabis Rezept online zu erhalten. Für Patienten, die aufgrund schwerwiegender Erkrankungen auf die therapeutische Wirkung von Cannabis angewiesen sind, gelten in Bayern besonders strenge Regelungen, die weit über die bundesrechtlichen Vorgaben hinausgehen. Obwohl der § 31 Absatz 6 SGB V auf Bundesebene den Zugang zu medizinischem Cannabis für Patienten klar regelt – etwa dann, wenn andere Therapien erfolglos bleiben oder keine Alternativen zur Verfügung stehen – setzt Bayern auch hier auf einen restriktiven Ansatz.

Die gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch gewähren zwar einen rechtlichen Rahmen für die Verordnung von Cannabis als Medikament, aber in der Praxis sehen sich viele Patienten, insbesondere in Bayern, mit erheblichen Hürden konfrontiert. Das Problem liegt dabei nicht nur in der Schwierigkeit, eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen zu erwirken, sondern auch in den strengen Konsumverboten des Freistaats. So bleibt es auch Cannabis-Patienten untersagt, ihr Medikament in der Öffentlichkeit zu konsumieren – egal ob in Gaststätten, Biergärten oder auf Volksfesten. Diese Vorschriften gelten, obwohl medizinisches Cannabis in vielen Fällen von Ärzten als unverzichtbar angesehen wird, um schwere Symptome zu lindern.

Viele Kritiker, darunter auch die Kläger in der aktuellen Popularklage, sehen hierin einen klaren Verstoß gegen die Verfassung. Insbesondere die Berufsfreiheit der Gastronomen, die durch die bayerischen Regelungen erheblich eingeschränkt wird, steht zur Diskussion. Die Kläger argumentieren, dass es unverhältnismäßig sei, den Betreibern von Gaststätten jede Entscheidung über den Cannabiskonsum ihrer Gäste zu nehmen, während der Konsum von Alkohol und Nikotin weiterhin gestattet bleibt. Darüber hinaus wird bemängelt, dass Patienten, deren körperliche Unversehrtheit durch die Einnahme von medizinischem Cannabis gewährleistet wird, in Bayern durch die strikten Konsumvorschriften in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.

 

V. Der Weg zum legalen Erwerb von Cannabis in Bayern

Seit der Legalisierung hat sich der Zugang zu medizinischem Cannabis erheblich vereinfacht. Für Patienten mit chronischen Schmerzen, Schlafstörungen oder anderen einschlägigen Symptomen ist es heute deutlich leichter, ein Rezept zu erhalten. Der Prozess ist unkompliziert: Nach einer kurzen digitalen Anamnese wird das Rezept in der Regel direkt an eine Apotheke übermittelt. Dank der vereinfachten Rezeptvergabe können Patienten nun ohne den früher üblichen bürokratischen Aufwand ihre notwendige Medikation erhalten.

 

VI. Fazit: Was ist in Bayern zu beachten?

Während in anderen Bundesländern der private Anbau und der Konsum von Cannabis freizügiger gehandhabt werden, zeigt Bayern mit seinem restriktiven Kurs, dass Freiheit in diesem Bereich oft relativ ist. Eigentlich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass ansonsten die Grünen für einen vermeintlichen “Verbotskurs” kritisiert werden – nun aber gerade unter konservativer Führung die stärksten Einschränkungen greifen

Die strengen Vorschriften und teils drakonischen Bußgelder zeigen klar, dass Bayern in der Cannabis-Frage primär auf Sicherheit und Ordnung setzt – doch dieser Kurs bleibt nicht ohne Widerspruch. Die Popularklage, die gegen die restriktiven bayerischen Vorschriften angestrengt wurde, könnte ein richtungsweisendes Urteil hervorbringen, das weit über Bayern hinaus für rechtliche Klärung sorgt. Es bleibt die entscheidende Frage, ob der Freistaat tatsächlich das Recht hat, bundesweit geltende Reformen derart einzuschränken und somit seinen eigenen Sonderweg zu gehen.

Für die Konsumenten im Freistaat bedeutet dies Unsicherheit und kaum Spielraum. Doch gerade für Cannabiskonsumenten eröffnet sich ein Silberstreif am Horizont: Der vereinfachte Zugang zu medizinischem Cannabis stellt inmitten der strengen Regulierungen eine wertvolle Ausnahme dar. Gerade in Bayern, wo der öffentliche Konsum so stark eingeschränkt wird, bietet dies eine entscheidende Erleichterung. Trotz aller Restriktionen zeigt sich: Die Legalisierung lässt sich auch im Freistaat sinnvoll nutzen – wenn auch mit angezogener Handbremse.

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Jurawelt Redaktion

Christopher Molter

Studium:

  • Student der Rechtswissenschaften an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht
  • Schwerpunktbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht
  • Auslandsaufenthalt an der University of Alberta (Kanada)

Jurawelt:

  • Redakteur & Studentischer Mitarbeiter