Tramadol in der Polizeikontrolle: Strafbarkeit?

Tramadol, ein synthetisches Opioid, das ursprünglich zur Schmerzbehandlung entwickelt wurde, ist heutzutage nicht nur in der medizinischen Welt von Interesse. Seit Jahrzehnten wird es weltweit von Ärzten verschrieben, um bei mittelstarken bis starken Schmerzen eine Linderung zu erreichen. In Deutschland zählt Tramadol als Arzneimittel gemäß § 2 AMG und ist damit verschreibungspflichtig. Besonders bemerkenswert ist, dass es – im Gegensatz zu Stoffen wie Morphin – nicht dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt ist, was auch bedeutet, dass der Begriff der “nicht geringen Menge” für Tramadol keine Anwendung findet.. Seine medizinische Wirkung und die vergleichsweise geringe Atemdepression machen es im klinischen Einsatz dennoch beliebt. Jedoch birgt Tramadol auch ein Missbrauchspotenzial, das zunehmend zu rechtlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen führt.

I. Von der Apotheke auf die Straße – Tramadol als Ersatzdroge?

Tramadol hat sich in einigen Weltregionen still und leise zur „Volksdroge“ gewandelt. Während es in Kliniken und Arztpraxen als vergleichsweise sicheres Opioid eingesetzt wird, zeigt sich, dass Tramadol vielerorts längst die Grenzen der klassischen Schmerztherapie überschritten hat. Besonders in Westafrika steht es symbolisch für ein Medikament, das Menschen in erschreckendem Ausmaß nutzen, um körperliche Härten zu ertragen, Müdigkeit und Hunger zu unterdrücken oder gar Euphorie zu erleben. Was ursprünglich für eine moderate Schmerztherapie entwickelt wurde, hat sich in diesen Regionen zu einer verheerenden Volksdroge entwickelt, die nicht nur körperlich abhängig macht, sondern ganze Gemeinschaften erschüttert. Die sozialen und gesundheitlichen Folgen des Tramadolkonsums in diesen Regionen haben dazu geführt, dass Tramadol im Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen sogar als Teil einer „anderen Opioid-Krise“ bezeichnet wird – mit katastrophalen Folgen für Individuen und Gemeinschaften gleichermaßen.

 

1. Tramadol als „Volksdroge“ in Westafrika

In Ländern wie Nigeria und Ghana wird Tramadol nicht nur in Apotheken verkauft, sondern findet sich auf Märkten und an Straßenecken – meist illegal eingeführt und unkontrolliert konsumiert. Bauarbeiter, Lastenträger und Jugendliche nutzen das Schmerzmittel, um Erschöpfung und Hunger zu unterdrücken und schwere Arbeit zu ertragen. Die gesundheitlichen Risiken – vom Serotonin-Syndrom bis zu plötzlichen Todesfällen – bleiben oft ausgeblendet, während die illegalen Handelsnetzwerke wachsen. Das Fehlen regulierter Opioide und der hohe Bedarf an Schmerzbewältigung ohne ärztliche Unterstützung haben Tramadol zur Alltagsstütze in einer zunehmend belasteten Gesellschaft gemacht.

 

2. Deutschland und Europa: Tramadol als unterschätzte Droge im Aufschwung

Auch in Europa ist Tramadol längst nicht mehr nur ein Arzneimittel. Während es hier nicht dieselbe Verbreitung wie in Afrika oder dem Mittleren Osten erlangt hat, wächst der Missbrauch. Tramadol wird ohne Rezept erworben oder über den Online-Handel bezogen und zunehmend in Kontrollen festgestellt – ein deutlicher Kontrast zur sicheren Möglichkeit, ein Cannabis Rezept online zu beantragen und unter ärztlicher Kontrolle einzusetzen.

 

3. Tramadol im Leistungssport: Das Schmerzmittel als Dopingmittel

Auch im Sport wird Tramadol inzwischen kritisch beäugt, da es seit dem 1. Januar 2024 offiziell von der Welt Anti-Doping Agentur (WADA) als leistungssteigernde Substanz im Wettkampf verboten ist. Tramadol, das Schmerz und Müdigkeit reduziert, kann Sportlern einen unfairen Vorteil verschaffen – besonders in Ausdauersportarten. Der Nachweis von Tramadol in Dopingtests führt zu Disqualifikation und weiteren Sanktionen.

Da Tramadol mehrere Tage im Körper nachweisbar bleibt, riskieren Athleten selbst dann einen positiven Test, wenn sie das Medikament außerhalb von Wettkämpfen konsumiert haben. Auch bei einer Polizeikontrolle kann ein positiver Tramadol-Befund den Verdacht eines Dopingvergehens erwecken und im schlimmsten Fall zu einem rechtlichen Verfahren führen, falls keine medizinische Ausnahmegenehmigung (TUE) vorliegt.

 

II. Rechtliche Aspekte: Zwischen Arzneimittel und Missbrauch

In Deutschland folgt Tramadol klaren Regeln – zumindest auf dem Papier: Der Besitz, Erwerb und die Anwendung sind streng reguliert und nur mit ärztlicher Verschreibung zulässig. Doch dieser rechtliche Rahmen, der das synthetische Opioid als reines Arzneimittel einstuft, entwickelt zunehmend Lücken, die sich in einer stetig wachsenden Zahl von Missbrauchsfällen zeigen. Verstöße gegen § 95 des Arzneimittelgesetzes – sei es durch illegalen Besitz, Handel oder die Weitergabe ohne Rezept – können in Deutschland mit Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr geahndet werden. In schwerwiegenderen Fällen, etwa bei organisiertem Handel oder gewerbsmäßigem Missbrauch, droht den Tätern eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Tramadol wird zunehmend außerhalb legaler Bahnen genutzt und entwickelt sich zur „Ersatzdroge“ für all jene, die es auf die euphorisierende oder beruhigende Wirkung abgesehen haben. Polizeiberichte und aktuelle Kontrollaktionen decken immer häufiger Fälle auf, in denen Tramadol durch unscheinbare Netzwerke gehandelt und in der Szene als vermeintlich „sicherere“ Alternative zu harten Opioiden genutzt wird.

Während die Behörden also versuchen, den Missbrauch von Tramadol im Rahmen ihrer Kompetenzen zu verfolgen, zeigt sich in der Praxis, dass die Regelungen des AMG auf die Komplexität dieses Problems nur bedingt vorbereitet sind. Ein Medikament, das nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt, birgt aus Sicht der Strafverfolgung eine Grauzone.

 

III. „Tramadol Polizeikontrolle“ – das Dilemma der Fahrerlaubnis und Verkehrssicherheit

1. Der schmale Grat zwischen Heilmittel und Straftat

Wer auf Tramadol angewiesen ist und zugleich im Straßenverkehr unterwegs ist, betritt rechtlich wie praktisch ein vermintes Terrain. Denn die Wirkung des Medikaments auf das zentrale Nervensystem – es dämpft Schmerzen und kann in höheren Dosen Schwindel, Müdigkeit oder Sehstörungen hervorrufen – steht in heiklem Gegensatz zur Verpflichtung, am Steuer voll reaktionsfähig zu sein. Eine Polizeikontrolle kann deshalb zu einem entscheidenden Wendepunkt werden: Selbst wenn das Tramadol ärztlich verschrieben ist, stellt § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) klar, dass jeder Fahrer für seine Fahrtauglichkeit verantwortlich bleibt. Überschreitet der Tramadolspiegel im Blut bestimmte Werte oder zeigen sich Hinweise auf verminderte Fahrfähigkeit, kann dies den Vorwurf der Fahruntüchtigkeit begründen.

Das Dilemma hier ist keineswegs nur theoretisch. Nach § 3 Absatz 1 StVG und § 46 Absatz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kann die Fahrerlaubnisbehörde im Fall psychoaktiver Substanzen die Eignung zum Führen eines Fahrzeugs infrage stellen und, wenn nötig, die Fahrerlaubnis entziehen. Besonders brisant ist, dass dies selbst dann gilt, wenn die Substanz – wie bei Tramadol – ärztlich verordnet wurde. Ein Beschluss des VG Augsburg vom 18. September 2020 (Az.: Au 7 S 20.1496) bekräftigt diese Regelung: Hier wurde einem Fahrer die Fahrerlaubnis entzogen, obwohl ihm Tramadol zur Schmerztherapie verschrieben worden war. Das Gericht entschied, dass die Verantwortung für die Verkehrssicherheit beim Fahrer selbst liegt und eine medikamentöse Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit – selbst bei ärztlicher Verschreibung – schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Weitere Gerichte haben sich bereits mit der Problematik auseinandergesetzt, wie etwa im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 23. September 2019 (Az.: M 26 S 19.4114). In diesem Fall wurde die Fahrerlaubnis der Antragstellerin entzogen, da sie das Medikament Tramal ohne ärztliche Verschreibung missbräuchlich konsumiert hatte. Das Gericht stellte klar, dass bei der Feststellung eines Missbrauchs von psychoaktiven Arzneimitteln gemäß Nr. 9.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bereits die grundsätzliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs infrage steht – unabhängig davon, ob das Medikament im Einzelfall tatsächlich zur Fahruntüchtigkeit geführt hat.

 

2. Rat für Fahrer, die Tramadol benötigen

Für Patienten, die Tramadol regelmäßig einnehmen, helfen folgen Hinweise, eine sichere und legale Fahrtüchtigkeit zu gewährleisten:

  1. Rücksprache mit dem Arzt: Wer auf Tramadol angewiesen ist, sollte stets im ärztlichen Gespräch klären, ob die verschriebene Dosis und Darreichungsform Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen kann. Ein Arzt kann ebenfalls alternative Medikation in Erwägung ziehen, die weniger Einfluss auf die Reaktionsfähigkeit hat.
  2. Packungsbeilage studieren: In der Packungsbeilage finden sich klare Hinweise darauf, welche Nebenwirkungen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit auftreten könnten. Diese Informationen sind nicht nur theoretisch: Im Ernstfall dienen sie als Grundlage für die juristische Bewertung der Fahruntüchtigkeit.
  3. Eigene Fahrfähigkeit kritisch prüfen: Nicht jeder reagiert auf Tramadol gleich, und die Wirkung variiert je nach Tagesform, Dosierung und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Fühlen Sie sich unsicher, schwindelig oder müde? Dann gilt es, das Fahrzeug stehen zu lassen und Alternativen wie Taxi oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
  4. Im Kontrollfall schweigen und Rechtsbeistand suchen: Sollte es trotz Vorsicht zu einer Polizeikontrolle kommen, ist es ratsam, keine unbedachten Aussagen zu machen. Ein juristischer Beistand kann die Situation besser einschätzen und klären, ob ein Entzug der Fahrerlaubnis berechtigt ist oder ob eine medizinische Notwendigkeit mildernd wirkt. Aussagefreudigkeit bei der Polizei hingegen kann schnell zur Selbstbelastung führen.
  5. Dokumentation und Rezept vorlegen: Das Rezept und eine nachvollziehbare Medikation sind wertvolle Belege für die Notwendigkeit der Einnahme und belegen, dass der Gebrauch legal und medizinisch indiziert ist. Dies kann im Ernstfall die Beurteilung erleichtern, dass die Einnahme keine unverantwortliche Handlung war.

 

3. Rat für Fahrer ohne ärztliches Rezept für Tramadol in einer Polizeikontrolle

Für Fahrer, die Tramadol ohne ärztliche Verschreibung eingenommen haben, ist die Lage ernst: Ein „unkontrollierter“ Umgang mit dem Medikament im Straßenverkehr bewegt sich am Rand des Erlaubten und kann erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ohne Rezept drohen nicht nur Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, sondern auch erhebliche Sanktionen bei einer Polizeikontrolle mit Tramadol. Folgende Punkte sind für diese Personen essenziell:

  1. Bewusstsein für rechtliche Folgen: Der Besitz und die Einnahme von Tramadol ohne Rezept sind nach § 95 AMG strafbar. Eine solche Ordnungswidrigkeit oder Straftat kann mit einer Geldstrafe, in schweren Fällen auch mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Da Tramadol psychoaktiv wirkt, wird bei einer Polizeikontrolle insbesondere der Einfluss auf die Fahrfähigkeit überprüft, was ohne Rezept zu schweren Konsequenzen führen kann.
  2. Schweigen in der Polizeikontrolle: Wer ohne Rezept eine Polizeikontrolle erlebt, sollte zunächst sein Schweigerecht wahren. Ein Rechtsbeistand kann helfen, die eigenen Interessen zu wahren, ohne unabsichtlich zur Belastung beizutragen. Aussagen zum Medikamentenkonsum sollten vorsichtig und, wenn überhaupt, nur mit anwaltlicher Unterstützung erfolgen.
  3. Verzicht auf Tramadol ohne ärztliche Anweisung: Es ist nicht nur gesetzlich riskant, sondern auch gesundheitlich gefährlich, Tramadol ohne medizinische Aufsicht einzunehmen. Als stark wirkendes Medikament kann es Nebenwirkungen wie Schwindel, Benommenheit und Koordinationsprobleme verursachen.
  4. Alternative Schmerzbewältigung suchen: Für viele, die Tramadol unkontrolliert nutzen, geht es um eine Bewältigung von Schmerzen oder anderen Beschwerden. Es ist jedoch empfehlenswert, sich bei chronischen oder akuten Beschwerden an Ärzte und Therapeuten zu wenden, um eine sichere und wirksame Schmerzbehandlung zu erhalten. Alternativen ohne psychoaktive Effekte und legal verfügbar sind nicht nur sicherer, sondern auch langfristig effektiver.

Übrigens: Interessiert an den rechtlichen Entwicklungen rund um Shiny Flakes? Alles zum aktuellen Verfahren beim BGH und den möglichen Folgen finden Sie in „Shiny Flakes vor dem BGH: Droht nun eine höhere Strafe?“.

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Jurawelt Redaktion

Christopher Molter

Studium:

  • Student der Rechtswissenschaften an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht
  • Schwerpunktbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht
  • Auslandsaufenthalt an der University of Alberta (Kanada)

Jurawelt:

  • Redakteur & Studentischer Mitarbeiter