Startseite » Rechtslexikon » I » Invitatio ad offerendum – Bedeutung und Anwendung

Invitatio ad Offerendum BGB – Definition, Bedeutung, Abgrenzung, Beispiele

Der Begriff “invitatio ad offerendum” stammt aus dem Lateinischen und bedeutet “Einladung zur Abgabe eines Angebots”. In rechtlicher Hinsicht beschreibt die invitatio ad offerendum eine Situation, in der eine Person andere auffordert, ein Angebot abzugeben, ohne dabei selbst ein verbindliches Vertragsangebot zu machen. Dieser Mechanismus reguliert die Vertragsanbahnung und setzt eine klare Abgrenzung zum verbindlichen Angebot.

I. Invitatio ad Offerendum Definition

Die invitatio ad offerendum ist eine rechtlich unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zu einem verbindlichen Angebot keine Verpflichtung für den Auffordernden darstellt, einen Vertrag abzuschließen. Der zentrale Unterschied liegt im sogenannten Rechtsbindungswillen. Während ein verbindliches Angebot den Willen des Anbietenden zeigt, sich rechtlich zu binden und einen Vertrag zu schließen, fehlt dieser Rechtsbindungswille bei einer invitatio ad offerendum.

Jener Rechtsbindungswille ist gleichwohl ein wesentliches Element einer Willenserklärung und notwendig für die Wirksamkeit eines Vertragsangebots gemäß §§ 145 ff. BGB. Eine Willenserklärung setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen:

  • Handlungswille: Der Wille, eine bestimmte Handlung vorzunehmen.
  • Erklärungswille: Das Bewusstsein, eine rechtlich relevante Erklärung abzugeben.
  • Geschäftswille: Der Wille, eine konkrete Rechtsfolge herbeizuführen.
  • Rechtsbindungswille: Der Wille, sich durch die Erklärung rechtlich zu binden.

Für ein verbindliches Angebot müssen alle diese Elemente, insbesondere der Rechtsbindungswille, vorhanden sein. Bei einer invitatio ad offerendum fehlt jedoch gerade dieser Rechtsbindungswille. Der Anbieter zeigt lediglich seine Bereitschaft, Verhandlungen zu führen oder ein Angebot entgegenzunehmen, ohne sich dabei selbst zu binden.

 

II. Invitatio ad Offerendum BGB

Ein Vertrag kommt grundsätzlich gemäß §§ 145 ff. BGB durch ein Angebot und die Annahme dieses Angebots zustande. Eine invitatio ad offerendum ist jedoch kein Angebot im Sinne des § 145 BGB, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Erst wenn der Empfänger dieser Aufforderung ein Angebot macht, kann dieses vom Auffordernden angenommen werden, wodurch ein Vertrag zustande kommt.

Das Konstrukt der unverbindlichen Aufforderung zur Abgabe eines Angebots wird aus mehreren Gründen angenommen:

  1. Wahl des Geschäftspartners: Der Anbieter möchte sich die Freiheit bewahren, seinen Geschäftspartner selbst auszuwählen. Dies ist besonders relevant in Situationen, in denen der Anbieter bestimmte Anforderungen oder Präferenzen an den Vertragspartner hat.
  2. Prüfung der Liquidität des Geschäftspartners: Der Anbieter kann vor Annahme des Angebots die finanzielle Solvenz und Zuverlässigkeit des potenziellen Vertragspartners überprüfen. Dies schützt den Anbieter vor möglichen Zahlungsausfällen oder anderen finanziellen Risiken.
  3. Begrenzte Kapazitäten: Der Anbieter hat womöglich nicht die Möglichkeit, unbegrenzt viele Verträge zu erfüllen. Durch die invitatio ad offerendum kann der Anbieter Angebote selektiv annehmen, um sicherzustellen, dass er seinen Verpflichtungen nachkommen kann, ohne seine Kapazitäten zu übersteigen und sich in der Konsequenz schadensersatzpflichtig zu machen.

 

III. Beispiele für eine Invitatio ad Offerendum

Typische Beispiele für eine invitatio ad offerendum sind folgende Fallkonstellationen:

 

1. Warenangebote im Supermarkt

In Supermärkten und Einzelhandelsgeschäften sind die ausgestellten Waren und ihre Preisschilder typische Beispiele für eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Die präsentierten Produkte und ihre Preise dienen lediglich dazu, die Kunden zur Abgabe eines Kaufangebots an der Kasse zu animieren. Der Kaufvertrag kommt erst zustande, wenn der Kassierer das Angebot des Kunden annimmt. Diese Praxis schützt den Einzelhändler davor, durch die bloße Präsentation der Ware rechtlich gebunden zu sein und ermöglicht ihm, die Bonität des Kunden zu prüfen oder gegebenenfalls das Angebot abzulehnen.

 

2. Werbeanzeigen in Zeitschriften und Katalogen

Werbeanzeigen in Zeitschriften, Katalogen und Prospekten sind ebenfalls klassische Beispiele für eine invitatio ad offerendum. Diese Anzeigen informieren über Produkte und deren Preise, stellen jedoch keine verbindlichen Angebote dar. Sie fordern die Leser auf, ihrerseits ein Angebot zum Kauf der beworbenen Waren oder Dienstleistungen abzugeben. Der Anbieter kann dann entscheiden, ob er dieses Angebot annimmt oder nicht.

 

3. Ausstellungen im Schaufenster

Produkte, die in Schaufenstern von Geschäften ausgestellt sind, dienen ebenfalls als invitatio ad offerendum. Sie sind dazu gedacht, potenzielle Käufer anzulocken und sie zu einem Kaufangebot zu bewegen. Die bloße Ausstellung der Waren im Schaufenster ist keine verbindliche Offerte. Der Verkäufer behält sich vor, das Angebot des Kunden anzunehmen oder abzulehnen, sobald dieser ein Kaufangebot macht.

 

4. Online-Angebote

Im E-Commerce sind die Präsentationen von Waren auf Internetseiten typische Beispiele für eine invitatio ad offerendum. Webseiten wie Amazon oder eBay stellen Produkte und Preise dar, aber diese Präsentationen sind in der Regel keine verbindlichen Angebote. Sie dienen dazu, die Kunden zur Abgabe eines Angebots zu animieren, indem sie die Produkte in den Warenkorb legen und eine Bestellung aufgeben.

 

IV. Abgrenzung zur Offerta ad Incertas Personas

Die invitatio ad offerendum und die offerta ad incertas personas sind zwei unterschiedliche rechtliche Konzepte, die klar voneinander abgegrenzt werden müssen.

Anders als bei den vorstehenden Ausführungen handelt es sich bei der offerta ad incertas personas um ein verbindliches Angebot an eine unbestimmte Anzahl von Personen. Der Anbieter erklärt sich bereit, mit jedem, der die Angebotsbedingungen erfüllt, einen Vertrag abzuschließen. Hierbei ist der Anbieter bereits rechtlich gebunden, sobald jemand die Bedingungen des Angebots erfüllt. Der Rechtsbindungswille ist somit vorhanden, und der Vertrag kommt unmittelbar durch die Annahme des Angebots zustande. Typische Beispiele sind:

  • Verkaufsautomaten: Ein Verkaufsautomat gibt ein verbindliches Angebot ab, indem er die Ware zu einem bestimmten Preis anbietet. Jeder, der das entsprechende Geld einwirft und die Ware entnimmt, nimmt dieses Angebot an, und der Vertrag ist abgeschlossen. Voraussetzung ist ferner, dass die Ware verfügbar ist und der Kunde den korrekten Geldbetrag eingeworfen hat.
  • Selbstbedienungstankstellen: Auch hier liegt ein verbindliches Angebot vor. Der Tankstellenbetreiber bietet den Kraftstoff zu einem bestimmten Preis an, und jeder, der den Zapfhahn benutzt und tankt, nimmt dieses Angebot an. Der Vertrag kommt durch die Handlung des Tankens zustande.

     

    V. Fazit: Ab wann ist ein Angebot verbindlich?

    Ein Angebot wird dann verbindlich, wenn es den Rechtsbindungswillen des Anbietenden trägt und der Anbieter es gemäß § 145 BGB nicht widerrufen kann. Die invitatio ad offerendum hingegen ist immer unverbindlich und dient lediglich der Anbahnung von Vertragsverhandlungen.

    Durch die klare Abgrenzung zwischen unverbindlichen und verbindlichen Angeboten wird sichergestellt, dass nur solche Vertragsbeziehungen entstehen, die von beiden Seiten gewollt und rechtsverbindlich eingegangen werden können. Dies schützt sowohl Anbieter als auch potenzielle Vertragspartner vor unerwünschten rechtlichen Verpflichtungen und schafft Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr.

    Bitte unbedingt folgenden Haftungsausschluss bzgl. des Rechtslexikons beachten.