In jedem Rechtsstreit, sei es zivilrechtlich oder strafrechtlich, steht im Zentrum der Konflikt, ob eine Behauptung wahr oder falsch ist. Grundsätzlich gilt dabei: Wer etwas behauptet, muss dies auch beweisen. Im Zivilverfahren bedeutet das, dass die Partei, die eine Behauptung aufstellt, diese auch beweisen muss, insbesondere wenn die Gegenseite sie bestreitet. Im Strafverfahren liegt die Beweislast in der Regel bei der Staatsanwaltschaft. Sie muss für den gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf auch entsprechende Beweise vorlegen. Es gibt jedoch Fälle, in denen direkte Beweise fehlen, aber Indizien für eine bestimmte Tatsache sprechen.
Im Strafrecht hat das Gericht die Aufgabe, den Tatsachenkern eines Falles gründlich zu untersuchen. Dabei geht es um die richtige Bewertung sowohl von direkten Sachbeweisen als auch von Indizienbeweisen. Das Risiko für Fehlurteile steigt, wenn falsche Tatsachenfeststellungen getroffen oder Beweise falsch gewertet werden.
Ein Indizienbeweis stellt keinen direkten Beweis dar, sondern bezieht sich auf Anzeichen oder Hinweise, die auf eine bestimmte Tatsache schließen lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist die sogenannte Anastasia-Entscheidung des BGH, in der es heißt: „Nicht die eigentliche Indizientatsache ist das Hauptstück des Indizienbeweises, sondern der daran anknüpfende weitere Denkprozess, kraft dessen auf das Vorhandensein der rechtserheblichen weiteren Tatsache geschlossen wird“.
Betrachten wir ein praktisches Beispiel: A hat einen bewaffneten Überfall auf eine Bank begangen. Später wurde die Tatwaffe sichergestellt, und A’s Fingerabdrücke wurden darauf gefunden. Obwohl dies nicht direkt beweist, dass A den Überfall begangen hat, legt es den Schluss nahe, dass er der Täter war, da seine Fingerabdrücke auf der Waffe waren.
Ein weiteres Beispiel: X und Y brechen in Z’s Haus ein und begehen ein Verbrechen. Nachbar N sieht, wie sie in einem weißen Porsche, der X gehört, davonfahren. Anhand der hinterlassenen Zigarettenstümmel konnte die DNA von X und Y festgestellt werden. Obwohl die Tatwaffe nicht gefunden wurde, weisen die Indizien darauf hin, dass X und Y die Täter sind.
Neben dem Indizienbeweis gibt es auch den Anscheinsbeweis. Beide Arten von Beweisen sind indirekt, das heißt, sie beziehen sich nicht direkt auf den zu beweisenden Umstand. Jedoch gibt es wichtige Unterschiede zwischen diesen beiden Beweisformen, die es zu beachten gilt.
Im Zivilrecht, das durch die Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist, trifft die Beweislast für die sogenannte “Indiztatsache” jene Partei, die auch die Haupttatsache belegen muss. Es reicht nicht aus, dass die Indiztatsache lediglich wahrscheinlich gemacht wird. Sie muss zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen sein. Dabei können sämtliche herkömmlichen Beweismittel zum Einsatz kommen.
Aber es gibt Besonderheiten in der Handhabung von Indizien im Zivilverfahren. Vor der eigentlichen Beweisaufnahme muss das Gericht prüfen, ob die vorgebrachten Indizien ausreichen würden, um es von der Wahrheit der Haupttatsache zu überzeugen. Sollte das Gericht zum Ergebnis kommen, dass dies nicht der Fall ist, kann es Anträge, die sich nur auf Hilfstatsachen beziehen, zurückweisen. Ein zentrales Urteil des BGH vom 25.10.2012 (Az. I ZR 167/11) betont jedoch, dass einem Kläger im Rahmen eines Indizienbeweises nicht generell verwehrt werden darf, verbleibende Beweismöglichkeiten auszuschöpfen. Das bedeutet: Wenn durch den Beweis von Hilfstatsachen der erforderliche Hauptbeweis doch noch geführt werden kann, sollte dies möglich sein.
Um die Bedeutung und Anwendung von Indizienbeweisen im Zivilrecht zu veranschaulichen, stelle man sich einen Streit zwischen zwei Geschäftsleuten vor, bei dem es um die Qualität eines gelieferten Produkts geht. Der Käufer behauptet, dass das Produkt Mängel aufweist, kann dies aber nicht direkt beweisen. Stattdessen legt er Indizien vor, wie z.B. vergleichbare Beschwerden anderer Kunden oder die Tatsache, dass der Verkäufer eine Überarbeitung des Produkts angekündigt hat. Auch wenn keines dieser Indizien direkt den Mangel beweist, können sie in ihrer Gesamtheit ein überzeugendes Bild ergeben.
Indizienbeweise spielen sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht eine entscheidende Rolle. Sie erlauben es, Schlussfolgerungen zu ziehen und Entscheidungen zu treffen, auch wenn direkte Beweise fehlen. Doch der Einsatz von Indizien erfordert Sorgfalt und Umsicht. Falsch interpretiert oder zu Unrecht herangezogen, können sie zu fehlerhaften Urteilen führen. Das deutsche Rechtssystem hat jedoch Mechanismen entwickelt, um den richtigen Umgang mit Indizien zu gewährleisten und ihre Rolle im Beweisverfahren zu klären.
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