Das ABC der Willenserklärung – Beispiele, Definition, Formen, Vorlagen, Widerruf
I. Was ist eine Willenserklärung?
1. Willenserklärung Definition und Bedeutung
Eine Willenserklärung ist eine Willensäußerung, die darauf abzielt, einen bestimmten rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Sie ist das zentrale Element eines jeden Rechtsgeschäfts und bildet die Grundlage für die Entstehung, Änderung oder Beendigung von Rechtsverhältnissen. Willenserklärungen sind unerlässlich für das Zustandekommen von Verträgen und anderen rechtlichen Bindungen, da sie den Willen einer oder mehrerer Personen manifestieren, bestimmte rechtliche Wirkungen herbeizuführen.
2. Formen
Willenserklärungen können in verschiedenen Formen abgegeben werden:
- Mündlich: Eine mündliche Willenserklärung erfolgt durch gesprochenes Wort. Ein Beispiel ist die mündliche Zusage, ein Auto zu einem bestimmten Preis zu kaufen.
- Schriftlich: Eine schriftliche Willenserklärung erfolgt durch das Verfassen eines Dokuments. Beispiele sind schriftliche Verträge oder Testamente.
- Konkludent: Eine konkludente Willenserklärung erfolgt durch schlüssiges Verhalten, das den Willen zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts deutlich macht. Ein klassisches Beispiel ist das Handheben bei einer Auktion, um ein Gebot abzugeben.
3. Willenserklärung Beispiele
- Kaufvertrag: Eine Willenserklärung liegt vor, wenn jemand sagt: “Ich kaufe dieses Auto für 10.000 Euro.” Diese mündliche Erklärung zeigt den Willen, einen Kaufvertrag abzuschließen.
- Testament: Ein schriftlich verfasstes und unterschriebenes Testament ist eine Willenserklärung, durch die der Erblasser seinen letzten Willen bezüglich der Verteilung seines Vermögens nach seinem Tod äußert.
- Bieterverfahren bei Auktionen: Das Handheben bei einer Auktion, um ein Gebot abzugeben, ist eine konkludente Willenserklärung. Der Bieter zeigt durch seine Handlung, dass er bereit ist, das gebotene Geld für das Auktionsobjekt zu zahlen.
- Einstieg in öffentliche Verkehrsmittel: Wenn jemand in einen Bus oder eine Bahn einsteigt, gibt er konkludent zu erkennen, dass er die Beförderungsbedingungen akzeptiert und den Fahrpreis zahlen wird.
4. Rechtsgeschäft, Vertrag und Willenserklärung – Wo liegt der Unterschied?
Ein Rechtsgeschäft besteht aus mindestens einer Willenserklärung, die auf den Eintritt eines rechtlichen Erfolgs gerichtet ist. Ein Vertrag, zum Beispiel, kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande: das Angebot und die Annahme, §§ 145 ff. BGB. Jede dieser Erklärungen muss den inneren Willen des Erklärenden nach außen tragen und klar und verständlich sein, um rechtliche Bindungskraft zu erlangen.
II. Willenserklärung Arten
Die Arten der Willenserklärung lassen sich in empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen unterteilen. Diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung, da sie bestimmt, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Willenserklärung wirksam wird und somit rechtliche Bindungswirkung entfaltet.
1. Empfangsbedürftige Willenserklärung
Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nur dann wirksam, wenn sie dem Empfänger zugehen. Der Zugang ist der Moment, in dem die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt und dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat.
Beispiele für empfangsbedürftige Willenserklärungen:
- Angebot zum Abschluss eines Vertrags: Ein schriftliches Angebot für den Kauf eines Reihenhauses wird erst wirksam, wenn es dem potenziellen Käufer zugestellt wird und dieser es zur Kenntnis nehmen kann.
- Kündigung eines Mietvertrags: Eine Kündigungserklärung wird wirksam, wenn sie dem Vermieter zugeht und dieser die Möglichkeit hat, sie zu lesen.
- Rücktrittserklärung: Eine Rücktrittserklärung von einem Kaufvertrag wird wirksam, sobald sie dem Verkäufer zugeht und dieser die Möglichkeit hat, sie zur Kenntnis zu nehmen.
- Mahnungen: Eine Mahnung wegen ausstehender Zahlungen wird erst wirksam, wenn sie dem Schuldner zugeht.
Gesetzliche Grundlage: Nach § 130 Absatz 1 BGB wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht. Der Zugang ist gegeben, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Es spielt keine Rolle, ob der Empfänger die Erklärung tatsächlich liest, sondern nur, dass er die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat.
2. Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung
Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen sind im Moment der Abgabe wirksam, ohne dass jemand anderes davon Kenntnis nehmen muss. Diese Art von Willenserklärung wird bereits durch die bloße Entäußerung des Willens wirksam und bedarf keiner weiteren Handlung, um ihre rechtliche Wirkung zu entfalten.
Beispiele für nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen:
- Testament: Ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament wird bereits im Moment der Fertigstellung wirksam. Es spielt keine Rolle, ob die Erben oder andere Personen davon wissen.
- Auslobung (§ 657 BGB): Eine öffentliche Bekanntmachung, in der eine Belohnung für das Finden eines verlorenen Gegenstandes versprochen wird, wird wirksam, sobald sie veröffentlicht wird.
- Eigentumsaufgabe (§ 959 BGB): Die Aufgabe des Eigentums an einer Sache, beispielsweise das Wegwerfen eines Gegenstands, ist im Moment der Entäußerung wirksam, ohne dass jemand anderes davon Kenntnis nehmen muss.
III. Tatbestand einer Willenserklärung
Eine Willenserklärung besteht aus einem objektiven (äußeren) und einem subjektiven (inneren) Tatbestand.
1. Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand umfasst die nach außen gerichtete Erklärung, die auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge abzielt. Diese Erklärung muss so geäußert werden, dass ein objektiver Dritter den Schluss auf einen dahinter stehenden Rechtsbindungswillen ziehen kann (anders: invitatio ad offerendum). Die Erklärung kann ausdrücklich, mündlich oder schriftlich erfolgen, oder konkludent durch schlüssiges Verhalten.
Beispiele für den objektiven Tatbestand:
- Ausdrückliche Erklärung: Ein klar formuliertes Angebot, wie “Ich möchte dieses Auto für 10.000 Euro kaufen”, zeigt deutlich den Rechtsbindungswillen des Erklärenden.
- Schriftliche Erklärung: Ein schriftlicher Kaufvertrag, der die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) hält und von beiden Parteien unterschrieben ist.
- Konkludente Erklärung: Schlüssiges Verhalten, das auf einen bestimmten Rechtsbindungswillen schließen lässt, wie das Einsteigen in einen Bus als Annahme des Beförderungsangebots.
- Telefonische Erklärung: Ein telefonisches Angebot zum Kauf einer Immobilie, das deutlich und verständlich geäußert wird.
- Gesten: Das Handheben bei einer Auktion, das als Gebot gewertet wird.
2. Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand spiegelt den inneren Willen des Erklärenden wider und besteht aus Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen.
- Handlungswille: Der Wille, überhaupt eine Handlung vorzunehmen. Dieser fehlt bei Handlungen im Schlaf oder unter Hypnose.
- Erklärungsbewusstsein: Das Bewusstsein, eine rechtlich relevante Erklärung abzugeben. Auch das potenzielle Erklärungsbewusstsein, also die Möglichkeit, bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt zu erkennen, dass eine rechtlich relevante Erklärung abgegeben wird, genügt.
- Geschäftswille: Der Wille, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.
IV. Auslegung von Willenserklärungen
Die Auslegung von Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Das bedeutet, dass die Erklärung so zu verstehen ist, wie sie ein verständiger Dritter in der Rolle des Empfängers unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen würde. Der wirkliche Wille des Erklärenden ist dabei zu erforschen, ohne an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
V. Willenserklärung Vorlage
Eine Willenserklärung kann in verschiedenen Formen abgegeben werden:
- Mündlich: “Ich kaufe dieses Auto für 10.000 Euro.”
- Schriftlich: Ein schriftlicher Kaufvertrag.
- Konkludent: Das Handheben bei einer Auktion.
- Schweigen: Grundsätzlich keine Willenserklärung, es sei denn, es liegt eine besondere Vereinbarung oder gesetzliche Regelung vor (Beispiel: Kaufmännisches Bestätigungsschreiben).
VI. Willensmängel
Willensmängel treten auf, wenn der erklärte Wille und der tatsächliche Wille des Erklärenden auseinanderfallen. Man unterscheidet zwischen bewussten und unbewussten Willensmängeln:
Ein Irrtum berechtigt unter bestimmten Umständen zur Anfechtung der Willenserklärung, wodurch diese rückwirkend nichtig wird (§ 142 Absatz 1 BGB).
VII. Widerruf einer Willenserklärung
Willenserklärungen können grundsätzlich bis zum Eintritt der mit ihnen beabsichtigten Rechtsfolge widerrufen werden, es sei denn, das Gesetz oder der Erklärende selbst bestimmen etwas anderes.
Gesetzliche Grundlage: § 130 Absatz 1 Satz 2 BGB
- Widerrufsrecht: Der Erklärende kann seine Willenserklärung widerrufen, bevor sie wirksam wird.
- Widerrufserklärung: Ein Widerruf ist nur wirksam, wenn er dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit der ursprünglichen Willenserklärung zugeht.
Bedingungen für einen wirksamen Widerruf:
- Zeitpunkt des Zugangs: Der Widerruf muss dem Empfänger vor oder spätestens gleichzeitig mit der Willenserklärung zugehen.
- Erreichbarkeit des Widerrufs: Der Widerruf muss so formuliert und übermittelt werden, dass der Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, von ihm Kenntnis zu nehmen.