Festivalbändchen – Gebührenfrei Guthaben zurückfordern

„Ich bin an ein’m bess’ren Ort, ihr braucht nicht suchen
Hab mein Festivalbändchen am Handgelenk…“

Mit diesen Worten beschreibt die Rap-Gruppe K.I.Z den besonderen Wert, den Festivalbändchen für viele Musikfans haben. Mehr als nur ein Zahlungsmittel oder Eintrittsticket, sind sie für viele Besucher von Festivals ein Symbol für Freiheit, Gemeinschaft und unvergessliche Momente. Doch abseits des emotionalen Wertes gibt es auch praktische Fragen, die sich um diese Bändchen drehen: Was passiert mit dem Restguthaben auf dem Festivalbändchen? Und wie können Besucher es gebührenfrei zurückfordern?

Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. September 2024 (Az.: I ZR 168/23) bringt hier Klarheit. Festivalbesucher haben das Recht, ihr Restguthaben ohne zusätzliche Gebühren zurückzufordern, müssen aber selbst aktiv werden. In diesem Artikel zeigen wir, was Festivalbesucher beachten sollten und wie sie die Rückzahlung ihres Guthabens erfolgreich einfordern können.

I. Was sind Festivalbändchen?

Bevor wir auf die rechtlichen Aspekte eingehen, ist es sinnvoll, das Konzept der Festivalbändchen zu erläutern. Festivalbändchen sind kleine Armbänder, die oftmals als Eintrittsbeweis für Musikfestivals dienen. In den letzten Jahren wurden diese Bändchen zunehmend mit einem Chip ausgestattet, der das bargeldlose Bezahlen auf dem Festivalgelände ermöglicht. Besucher laden vorab oder vor Ort Geld auf diesen Chip, das dann für Getränke, Essen oder Merchandise ausgegeben werden kann. Diese Form der Zahlungsabwicklung bringt für beide Seiten, Veranstalter und Besucher, Vorteile: Es gibt weniger Wartezeiten und die Sicherheit steigt, da große Bargeldsummen vermieden werden.

Auch auf großen Veranstaltungen wie dem Nature One Festival hat sich dieses System etabliert und bietet den Besuchern eine komfortable und sicher Möglichkeit, ihre Ausgaben vor Ort zu tätigen. Doch was passiert mit dem Guthaben, das nach Ende des Festivals noch auf dem Festivalbändchen verbleibt? Hierfür bieten die meisten Veranstalter eine Rückerstattung an, bei der Besucher das verbleibende Guthaben über ein Online-Portal oder eine App zurückfordern können. In der Vergangenheit haben jedoch einige Veranstalter – wie im Fall des Airbeat-One-Festivals – eine sogenannte Payout Fee erhoben, die sich auf eine Gebühr von 2,50 Euro belief. Diese Praxis war Gegenstand der aktuellen Entscheidung des BGH.

 

II. BGH-Urteil: Gebührenfreie Rückerstattung des Restguthabens auf dem Festivalbändchen

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 11. September 2024 (Az.: I ZR 168/23) klargestellt, dass Festivalveranstalter keine Gebühren für die Rückerstattung des Restguthabens auf sogenannten „Cashless“-Festivalbändchen verlangen dürfen. Im Folgenden wird detaillierter auf die rechtlichen Grundlagen und die Argumentation des BGH eingegangen.

 

1. Unwirksamkeit der Gebührenerhebung nach § 307 BGB

Das Gericht stellte fest, dass die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr für nicht verbrauchtes Guthaben auf Festivalbändchen gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam ist. Dieser Paragraph bezieht sich auf die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und regelt die Unwirksamkeit von Klauseln, die den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen.

Der Wortlaut von § 307 Absatz 1 BGB lautet:

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) […]
(3) […]

Der BGH hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Klausel über die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr eine solche unangemessene Benachteiligung darstellt. Diese Benachteiligung ergibt sich daraus, dass der Veranstalter durch die Rückzahlung des Restguthabens lediglich eine vertragliche Pflicht erfüllt, ohne dafür eine eigenständige, vergütungsfähige Leistung zu erbringen.

Die Rückzahlung des Restguthabens stellt nach Ansicht des BGH keine zusätzliche Leistung dar, sondern ist eine vertragliche Verpflichtung, die sich aus dem ursprünglichen Vertrag zwischen dem Festivalbesucher und dem Veranstalter ergibt. Im Rahmen dieses Vertrags lädt der Besucher sein Festivalbändchen mit einem bestimmten Betrag auf, um damit auf dem Festival bargeldlos zu bezahlen. Nach Ende des Festivals ist der Veranstalter verpflichtet, das verbleibende Guthaben zurückzuzahlen.

Hier greift der Grundsatz des Vertragsrechts: Ein Vertragspartner darf für die Erfüllung einer bereits bestehenden vertraglichen Pflicht keine zusätzliche Gebühr verlangen. Würde der Veranstalter eine Gebühr für die Rückerstattung des Restguthabens verlangen, so würde er sich dadurch einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen, da der Besucher bereits ein Entgelt in Form des aufgeladenen Guthabens geleistet hat. Eine zusätzliche Gebühr wäre eine unangemessene Erschwernis und steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen des § 307 Absatz 2 BGB, der besagt, dass eine unangemessene Benachteiligung dann vorliegt, wenn eine Klausel „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.“

 

2. Unlautere geschäftliche Handlung gemäß § 3 UWG

Neben der Prüfung nach dem BGB spielte in dem Urteil auch das Wettbewerbsrecht eine Rolle. Gemäß § 3 Absatz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig:

§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) – (4) […]

Der BGH bewertete die Klausel zur Rückerstattungsgebühr als unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 UWG, da sie geeignet ist, die Interessen der Verbraucher erheblich zu beeinträchtigen. Die Gebühr könnte Verbraucher davon abhalten, ihr Restguthaben zurückzufordern, was dem Veranstalter einen ungerechtfertigten finanziellen Vorteil verschafft.

Diese unlautere Handlung verstößt auch gegen § 3a UWG, der die Verletzung von gesetzlichen Vorschriften erfasst, die auch dem Schutz der Verbraucher dienen:

§ 3a Rechtsbruch

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Die Verpflichtung zur gebührenfreien Rückzahlung des Restguthabens ergibt sich demnach nicht nur aus dem BGB, sondern auch aus dem Schutzgedanken des UWG, da das Verlangen einer solchen Gebühr als Rechtsbruch gewertet wird, der die Verbraucher unangemessen benachteiligt.

 

3. Die Rolle des Verbraucherschutzes und der Kollektivrechtsschutz

Im vorliegenden Fall hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) geklagt, um die Rückzahlung der unzulässigen Gebühren für alle betroffenen Festivalbesucher zu erreichen. Der BGH stellte jedoch fest, dass Verbraucherschutzverbände zwar einen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG geltend machen können, nicht aber einen direkten Anspruch auf Rückzahlung zugunsten der Verbraucher.

§ 8 Beseitigung und Unterlassung

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) – (5) […]

Der BGH entschied, dass der Verbraucherschutzverband zwar die Unterlassung der Gebührenerhebung verlangen kann, jedoch keine Rückerstattung im Namen der Verbraucher durchsetzen darf. Die individuelle Rückforderung muss demnach von jedem betroffenen Festivalbesucher selbst erfolgen.

 

III. Keine automatische Rückzahlung: Besucher müssen aktiv werden

Ein wesentlicher Punkt des BGH-Urteils vom September 2024 ist, dass die Rückerstattung von Restguthaben auf Festivalbändchen nicht automatisch erfolgt. Besucher müssen eigenständig tätig werden, um ihr verbliebenes Guthaben nach dem Festival zurückzufordern. Für Festivalbesucher bedeutet dies konkret, dass sie nach Ende des Events das jeweilige Rückerstattungsportal des Veranstalters aufsuchen müssen, um das noch vorhandene Guthaben von ihrem Festivalbändchen einzufordern. In der Regel erfolgt die Rückzahlung über Online-Formulare oder mobile Apps, bei denen der Chip des Festivalbändchens mit einem Konto verknüpft wird. Diese Portale sind in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum nach dem Festival zugänglich, sodass Besucher zeitnah handeln sollten, um ihre Ansprüche geltend zu machen.

 

IV. Wie können Festivalbesucher ihre Gebühren zurückfordern?

Sobald das Festival vorbei ist, sollten Sie das Rückerstattungsportal des Veranstalters aufrufen. Dort können Sie Ihr Festivalbändchen anhand der Chipnummer registrieren und das verbleibende Guthaben prüfen. Dies ist der erste Schritt, um sicherzustellen, dass Ihr Geld nicht verloren geht. Warten Sie nicht zu lange, da viele Veranstalter eine Frist für die Rückforderung setzen – oft nur wenige Wochen nach dem Event. Achten Sie darauf, dass keine Gebühren für diese Rückerstattung berechnet werden. Sollte doch eine Gebühr erscheinen, verweisen Sie auf das BGH-Urteil vom 11. September 2024, das solche Gebühren für unzulässig erklärt. Sie haben das Recht auf eine gebührenfreie Rückzahlung.

Falls Sie in der Vergangenheit auf einem Festival eine Gebühr für die Rückerstattung Ihres Restguthabens gezahlt haben – beispielsweise beim Airbeat-One-Festival oder einem anderen Event, das eine sogenannte Payout Fee erhoben hat – haben Sie möglicherweise immer noch die Möglichkeit, diese Gebühr zurückzufordern. Hier sind die Schritte, um dies zu prüfen und durchzusetzen:

 

1. Belege und Unterlagen prüfen

Sammeln Sie alle relevanten Informationen zu vergangenen Festivalbesuchen, bei denen Sie eine Gebühr für die Rückerstattung gezahlt haben. Dies könnten Quittungen, Kontoauszüge oder E-Mails des Veranstalters sein, die den Zahlungsprozess dokumentieren. Auch wenn das Festival bereits einige Zeit zurückliegt, sind solche Belege wertvoll, um Ihren Anspruch nachzuweisen.

 

2. Veranstalter kontaktieren

Kontaktieren Sie den Veranstalter des Festivals und weisen Sie auf das BGH-Urteil vom 11. September 2024 hin, das die Erhebung solcher Gebühren für rechtswidrig befindet. Bitten Sie um eine Rückerstattung der unrechtmäßig einbehaltenen Beträge. Auch wenn das Festival bereits vergangen ist, stehen Ihre Chancen gut, das Geld zurückzuerhalten, insbesondere wenn das Event erst vor kurzem stattgefunden hat.

 

3. Verjährungsfristen beachten

Berücksichtigen Sie allerdings die Verjährungsfristen. In der Regel beträgt die Verjährungsfrist für solche Forderungen gemäß § 195 BGB drei Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Wenn Sie also im Jahr 2021 eine Gebühr gezahlt haben, könnten Sie Ihren Anspruch noch bis Ende 2024 geltend machen.

 

4. Unterstützung durch Verbraucherschutzorganisationen

Sollte der Veranstalter sich weigern, die Gebühr zu erstatten, können Sie Unterstützung von Verbraucherschutzorganisationen wie der Verbraucherzentrale in Anspruch nehmen. Diese können Ihnen mit rechtlichen Tipps zur Seite stehen und den Druck auf den Veranstalter erhöhen, insbesondere wenn es sich um eine weit verbreitete Praxis handelt.

 

V. Festivalbändchen selbst gestalten – ein wachsender Trend

Neben der Funktion als Zahlungsmittel hat das Festivalbändchen auch einen symbolischen Wert. Viele Besucher behalten ihr Bändchen als Andenken und tragen es lange nach dem Festival. Inzwischen gibt es sogar die Möglichkeit, sich Festivalbändchen selbst gestalten zu lassen. Unternehmen bieten individualisierte Bändchen an, die beispielsweise mit dem eigenen Namen oder einem speziellen Logo versehen sind. Diese Bändchen sind nicht nur eine Erinnerung an das Event, sondern auch ein modisches Accessoire, das zunehmend an Beliebtheit gewinnt.

Für Veranstalter sind diese individualisierten Festivalbändchen eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben und den Besuchern ein einzigartiges Erlebnis zu bieten. Aus rechtlicher Sicht bleibt jedoch der Grundsatz bestehen: Auch individualisierte Festivalbändchen müssen das Restguthaben ohne zusätzliche Gebühren zurückerstatten.

 

VI. Fazit: Wichtige Weichenstellung für den kollektiven Rechtsschutz

Obwohl es im konkreten Fall für die Festivalbesucher nur um eine Gebühr von 2,50 Euro ging, hat das Urteil des BGH weitreichende Bedeutung. Es verdeutlicht, dass Verbraucherschutzverbände nicht ohne Weiteres die Rückzahlung unrechtmäßig einbehaltener Beträge für Verbraucher einklagen können. Der BGH stellte klar, dass der Rückzahlungsanspruch nicht durch den wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch abgedeckt ist. Dies bedeutet, dass betroffene Verbraucher selbst aktiv werden müssen, um ihr Geld zurückzufordern.

Das Urteil setzt somit einen klaren Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz: Während unlautere Geschäftspraktiken durch Unterlassungsklagen gestoppt werden können, bleibt die Rückforderung individueller Ansprüche den Verbrauchern selbst überlassen. Dennoch bietet die seit 2023 existierende Abhilfeklage ein zusätzliches juristisches Instrument, mit dem Verbraucherverbände künftig für eine Vielzahl von Betroffenen gleichzeitig Schadenersatz oder Rückzahlungen durchsetzen können.

Für die Zukunft bedeutet dies, dass Festivalbesucher ihre Rückerstattungsansprüche stets selbst im Auge behalten sollten. Der Verbraucherverband kann zwar die unzulässigen Geschäftsbedingungen anfechten, doch die konkrete Rückforderung des Guthabens bleibt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Dieses Urteil hat also nicht nur Auswirkungen auf die Rückerstattungspraxis bei Festivals, sondern setzt auch einen wichtigen Präzedenzfall für den Umgang mit kollektiven Verbraucherrechten.

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