Die Familienstartzeit: Ein Gesetz, das es Eltern ermöglichen soll, die ersten gemeinsamen Tage nach der Geburt zu erleben, ohne dass Väter dafür Urlaub oder Elternzeit nehmen müssen. Lisa Paus, grüne Familienministerin, hat jenes Projekt als Meilenstein für moderne Elternschaft und die Gleichstellung im Beruf in den Koalitionsvertrag gebracht – eine zweiwöchige vergütete Freistellung für Partner. Doch seit der Entwurfsberatung im Frühjahr 2023 stockt die Umsetzung: Die FDP bremst angesichts steigender Belastungen für Unternehmen, und das Finanzministerium blockiert, so SPD-Fraktionsvize Sönke Rix. Die Finanzierung über eine Umlage scheint zwar realistisch, würde Unternehmen jährlich etwa eine halbe Milliarde Euro kosten – kleine Betriebe träfe es weniger hart. Einzelne Vorreiterunternehmen wie die Funke Mediengruppe und Henkel lassen sich jedoch nicht abschrecken und bieten eigene Modelle zur gemeinsamen Elternzeit an, denn die Geburt eines Kindes markiert für Eltern einen Wendepunkt im Leben – nicht nur emotional, sondern auch organisatorisch.
Während Mütter in Deutschland durch den Mutterschutz auf der einen Seite längst rechtlich abgesichert sind, bleibt Vätern auf der anderen Seite bislang nur die Möglichkeit, Urlaub oder Elternzeit zu nehmen, um in den ersten Tagen nach der Geburt für das Kind präsent zu sein. Diese Lücke soll nunmehr die Familienstartzeit schließen.
Doch bleibt die Frage: Kann das Familienstartzeitgesetz tatsächlich so unkompliziert und finanziell tragbar umgesetzt werden, wie es ursprünglich gedacht war? Oder bleibt es ein weiteres Vorhaben der Ampelkoalition, das auf der Strecke bleibt?
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I. Hintergrund des Familienstartzeitgesetzes
Das Familienstartzeitgesetz folgt der 2019 in Kraft getretenen EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (Richtlinie 2019/1158), welche für alle Mitgliedstaaten verbindliche Standards gesetzt hat. Ziel dieser europäischen Initiative ist es, die Weichen für eine gerechtere Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu stellen und vor allem Vätern eine größere Rolle in der frühen Elternphase zu ermöglichen. Denn während Mütter oft durch den Mutterschutz geschützt sind, blieb Vätern diese rechtliche Absicherung bislang verwehrt.
Während andere europäische Länder die Vorgabe zügig umgesetzt haben, blieb Deutschland im Reformstau zurück. Bis zur Frist 2022 blieb der Gesetzgebungsprozess hierzulande unvollendet – ein Umstand, der die Europäische Union dazu veranlasste, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten. Deutschland ist somit gefordert, endlich nachzuziehen. Doch wie so oft in der Politik liegt der Teufel im Detail: Der Gesetzesentwurf zur Familienstartzeit wird seit Monaten zwischen den Ministerien diskutiert. Der Knackpunkt? Die Finanzierung.
Dabei ist der Vorschlag, die Kosten durch das bereits etablierte U2-Umlageverfahren abzuwickeln, eine naheliegende Lösung. Unternehmen, die ihre Angestellten freistellen, sollen die Kosten für die Partnerschaftsfreistellung nicht selbst tragen, sondern durch Krankenkassen erstattet bekommen. Doch vor allem kleinere Unternehmen sorgen sich um die bürokratischen Hürden und die kurzfristige finanzielle Belastung – trotz Erstattung. Dies hat zu einer Pattsituation in der Bundesregierung geführt, die sich noch immer nicht auf eine endgültige Lösung einigen konnte.
II. Was regelt die Familienstartzeit?
Die Familienstartzeit ist weit mehr als nur eine politische Neuerung – sie ist ein symbolträchtiger Schritt hin zu einer modernen Familienpolitik. Mit diesem Gesetz wird Vätern und gleichgestellten Personen erstmals ein Anspruch auf zehn bezahlte Freistellungstage nach der Geburt eines Kindes gewährt. Diese Zeitspanne, die ab dem Tag der Geburt oder dem darauffolgenden Arbeitstag beginnt, soll es den Partnern ermöglichen, in der entscheidenden Phase unmittelbar nach der Geburt an der Seite der Mutter zu sein, um gemeinsam die ersten Schritte im neuen Familienleben zu bewältigen.
Besonders hervorzuheben ist die Flexibilität des Gesetzes: Nicht nur der zweite Elternteil, sondern auch eine von der Mutter benannte Person – etwa eine enge Freundin oder eine Vertrauensperson – kann diese Freistellung in Anspruch nehmen. Diese Regelung ist insbesondere für Alleinerziehende von unschätzbarem Wert, da sie sicherstellt, dass auch in schwierigen Familienkonstellationen Unterstützung vorhanden ist.
Eine weitere bemerkenswerte Besonderheit der Familienstartzeit ist das völlige Fehlen von Hürden für die Inanspruchnahme. Es spielt keine Rolle, wie lange jemand bereits im Unternehmen beschäftigt ist – der Anspruch auf diese Freistellung besteht ohne Mindestbeschäftigungsdauer. Das Gesetz erkennt somit an, dass die Familiengründung unabhängig von beruflicher Betriebszugehörigkeit oder Dienstalter Unterstützung verdient.
Und die finanzielle Absicherung? Sie erfolgt durch den sogenannten Partnerschaftslohn, der sich an den letzten drei Gehaltsmonaten vor der Geburt orientiert und direkt durch den Arbeitgeber gezahlt wird. Doch anders als bei der Elternzeit entfällt hier die umständliche Antragstellung: Die Freistellung wird direkt über den Arbeitgeber abgewickelt, was den Prozess erheblich vereinfacht.
III. Finanzierung der Familienstartzeit
Die Einführung der Familienstartzeit scheitert nicht an der Idee, sondern an der Finanzierung. Im Zentrum der Debatte steht das U2-Umlageverfahren, das bereits beim Mutterschutz Anwendung findet und nun auch für die Partnerschaftsfreistellung genutzt werden soll. Dieses Umlageverfahren funktioniert so: Arbeitgeber zahlen in einen Fonds ein, aus dem dann die Kosten für die Freistellungen erstattet werden. Das Ziel ist, vor allem kleinere und mittlere Unternehmen zu entlasten, indem sie die Gehälter ihrer freigestellten Angestellten nicht selbst tragen müssen.
Kritiker, vor allem aus den Reihen der Wirtschaft, warnen jedoch davor, dass diese Regelung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Unternehmen darstellen könnte. Auch wenn die Erstattung über die Krankenkassen erfolgt, bleibt die Sorge bestehen, dass die Umlage langfristig steigende Kosten verursachen könnte. Besonders die FDP, die die Interessen der Wirtschaft im Blick hat, befürchtet, dass das fragile Gleichgewicht zwischen Arbeitsmarkt und Sozialpolitik gestört werden könnte. In einer Zeit, in der viele Unternehmen bereits mit steigenden Lohnkosten und wirtschaftlicher Unsicherheit zu kämpfen haben, ist jede zusätzliche finanzielle Belastung ein potenzielles Risiko.
Auf der anderen Seite argumentieren Befürworter, dass die positiven Effekte der Familienstartzeit – etwa eine stärkere Einbindung von Vätern in die Kinderbetreuung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – den kurzfristigen finanziellen Aufwand überwiegen. Das Familienministerium unterstreicht, dass die Partnerschaftsfreistellung nicht nur ein Schritt zu mehr Gleichstellung sei, sondern auch die langfristige Stabilität von Familien fördere. Die Frage bleibt jedoch: Kann die Finanzierungslast gerecht verteilt werden, ohne die Wirtschaft zu überfordern?