In der stetig fortschreitenden Diskussion über die gerechte Verteilung öffentlicher Mittel und die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung, bildet die Finanzierung von Kindertagesstätten (Kitas) in Deutschland ein Kernthema von zunehmender Brisanz und Komplexität. Angesichts der zentralen Bedeutung, die Kindertagesstätten in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung einnehmen, stellt sich die Frage nach einer angemessenen und gerechten Finanzierung dieser Einrichtungen als fundamentale Herausforderung dar. Diese Thematik greift nicht nur tiefgreifende gesellschaftliche Fragen der Chancengleichheit und des Zugangs zu qualitativer Frühförderung auf, sondern berührt auch grundlegende rechtliche Prinzipien der Gleichbehandlung und der staatlichen Förderungsverantwortung. Vor diesem Hintergrund wird in dem nachfolgenden Artikel ein detaillierter Blick auf die gegenwärtigen Mechanismen und Herausforderungen der Kita-Finanzierung in Deutschland geworfen, mit einem besonderen Augenmerk auf die rechtlichen Grundlagen und aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich.
Am 22. Februar 2024 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in dem Zusammenhang zur Finanzierung von Kindertagesstätten (Kitas) durch kirchliche Träger in Nordrhein-Westfalen. Die Entscheidung (Az. BVerwG 5 C 7.22) beendete eine langwierige rechtliche Auseinandersetzung über die Höhe der staatlichen Zuschüsse, die kirchlichen Trägern im Vergleich zu anderen Trägern gewährt werden. Im Kern ging es um die Frage, ob die geringere Förderung kirchlicher Träger eine Diskriminierung darstellt oder ob sie aufgrund der besonderen finanziellen Situation der Kirchen gerechtfertigt ist.
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Die Finanzierung von Kindertagesstätten in Deutschland ist eine komplexe Angelegenheit, die sich aus verschiedenen Rechtsquellen zusammenstellt. Dies resultiert daraus, dass staatliche Zuschüsse neben den Beiträgen der Eltern und der Eigenleistung der Träger eine wesentliche Rolle spielen. Diese öffentlichen Mittel sollen sicherstellen, dass allen Kindern unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern ein Platz in einer Kita angeboten werden kann. Die Höhe und Verteilung dieser Zuschüsse sind jedoch immer wieder Gegenstand politischer und rechtlicher Debatten.
Hierbei ist die Finanzierung von Kitas in Deutschland primär eine landesrechtliche Angelegenheit, was bedeutet, dass die spezifischen Regelungen und Grundsätze für die Gewährung von Zuschüssen und Fördermitteln von Bundesland zu Bundesland variieren können. Innerhalb dieses landesrechtlichen Rahmens werden die allgemeinen Fördergrundsätze definiert, die für die Vergabe von öffentlichen Mitteln an Träger von Kindertagesstätten gelten. Diese Grundsätze berücksichtigen die Zielsetzungen der öffentlichen Jugendhilfe und sollen sicherstellen, dass die Förderung den sozialen und erzieherischen Bedürfnissen der Kinder sowie den Anforderungen der Familien gerecht wird. Die landesrechtlichen Normen sind daher maßgeblich dafür, wie die Finanzierung von Kitas gestaltet wird, einschließlich der Methoden der Finanzierung, wie etwa Festbetragsfinanzierung oder Defizitausgleich, und der Kriterien, die für die Bemessung der Förderhöhe herangezogen werden.
Ergänzend zu den landesrechtlichen Normen können spezialgesetzliche Regelungen, wie die des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe, zur Anwendung kommen, insbesondere in Bereichen, in denen die landesrechtlichen Vorgaben Lücken aufweisen oder spezifische bundesgesetzliche Anforderungen bestehen. Diese spezialgesetzlichen Regelungen tragen dazu bei, einheitliche Standards im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zu etablieren, die über die landesrechtlichen Vorgaben hinausgehen können.
Darüber hinaus spielen auch kommunale Satzungen, die Verwaltungspraxis der jeweiligen Kommunen und öffentlich-rechtliche Finanzierungsverträge eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Förderung. Diese lokalspezifischen Regelungen und Vereinbarungen ergänzen die landesrechtlichen und spezialgesetzlichen Vorgaben und passen die Finanzierung der Kitas an die konkreten Bedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort an.
Die Gleichbehandlung der Träger von Kindertagesstätten ist ein wesentliches Prinzip, das sich aus dem landesrechtlichen Rahmen ergibt. Dieses Prinzip verlangt, dass alle Träger, unabhängig von ihrer Trägerschaft, unter vergleichbaren Voraussetzungen gleich behandelt werden. Diese Gleichbehandlung soll eine Vielfalt von Trägern und Angeboten sicherstellen und gewährleisten, dass die Fördermittel gerecht und zielgerichtet eingesetzt werden, um ein qualitativ hochwertiges und bedarfsgerechtes Angebot an Betreuungsplätzen zu schaffen.
Dies impliziert, dass die von einer Gemeinde direkt betriebenen Kindertagesstätten in ihrer finanziellen und strukturellen Ausstattung die Benchmark definieren, an der sich die Förderung anderer, nicht-kommunaler Träger zu orientieren hat. Der Mindeststandard umfasst dabei insbesondere die Personalkosten, die Sachkosten sowie die infrastrukturelle Ausstattung.
Grenzen des Ermessens: Obwohl den Gemeinden ein gewisser Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Förderwürdigkeit von Maßnahmen eingeräumt wird, stößt dieser Spielraum dort an seine Grenzen, wo die Grundvoraussetzungen für den Betrieb einer Kita gefährdet sind. Hierzu zählen Maßnahmen, die zwingend notwendig sind, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. In solchen Fällen besteht ein unabdingbarer Förderanspruch.
Ferner erreicht der Ermessensspielraum zur Finanzierung von Kitas seine Grenzen, wenn die Verwirklichung des Zwecks der öffentlichen Jugendhilfe – wie die Sicherstellung einer Trägervielfalt, das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und Kinder, die Priorisierung von Geschwistern oder die Bereitstellung bedarfsgerechter Betreuungsplätze – durch die Art der Finanzierung oder deren Voraussetzungen nicht mehr gewährleistet ist.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage einer kirchlichen Trägerin, die eine höhere staatliche Förderung für ihre Kindertageseinrichtung forderte, zurück. Die Klägerin argumentierte, die unterschiedlichen Finanzierungssätze für kirchliche und andere Träger seien ungerecht und stellten eine Diskriminierung dar. Im konkreten Fall basiert die staatliche Förderung von Kitas in Nordrhein-Westfalen auf dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) von 2016, das für kirchliche Träger einen Zuschuss von 88 Prozent und für andere anerkannte Träger einen von 91 Prozent der Kindpauschalen vorsieht, § 20 Absatz 1 KiBiz 2016.
Die Bezüge zum Grundgesetz (GG), insbesondere zu Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 und Artikel 3 Absatz 1 GG, bezüglich der Finanzierung von Kindertagesstätten sind von zentraler Bedeutung für die rechtliche Bewertung von Gleichbehandlungsfragen. Artikel 3 GG spielt eine fundamentale Rolle bei der Sicherstellung der Gleichheit vor dem Gesetz und dem Schutz vor Diskriminierung. Hier eine genauere Betrachtung dieser Artikel und ihrer möglichen Anwendung im Kontext der Finanzierung von Kindertagesstätten:
Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG: Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG lautet: “Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.” In Bezug auf Kindertagesstätten könnte dieses Prinzip relevant sein, wenn es um die Zuteilung von Fördermitteln oder Zuschüssen geht, insbesondere um sicherzustellen, dass keine Träger oder Einrichtungen aufgrund der in diesem Artikel genannten Gründe diskriminiert werden. Das BVerwG würde in seinem Urteil prüfen, ob die Vergabepraxis der Fördermittel diesen Grundsatz der Nichtdiskriminierung achtet.
Artikel 3 Absatz 1 GG: Artikel 3 Absatz 1 GG besagt: “Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.” Dieser Grundsatz der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz ist für die Förderung von Kindertagesstätten von großer Bedeutung, da er eine gleichberechtigte Behandlung aller Träger von Kindertageseinrichtungen impliziert. In einem Rechtsstreit untersucht das Gericht, ob die Verteilung von staatlichen Zuschüssen und Fördermitteln an Kindertagesstätten in einer Weise erfolgt, die alle Einrichtungen gleichbehandelt, oder ob bestimmte Praktiken zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führen.
Das Bundesverwaltungsgericht befand, dass die unterschiedliche Höhe des Zuschusses keine Diskriminierung nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG oder Artikel 3 Absatz 1 GG darstellt, sondern auf der höheren ökonomischen und finanziellen Leistungsfähigkeit kirchlicher Träger basiert, die aus ihrem Steuererhebungsrecht (Kirchensteuer) resultiert. Diese Entscheidung, dass Kitas mit oder ohne kirchlichen Träger wesentlich ungleiche Vergleichsgruppen darstellen, beruht auf der Annahme, dass die Kirche durch die Kirchensteuer finanziell besser ausgestattet ist und somit einen geringeren staatlichen Zuschuss benötigt. Das Urteil bestätigt die Rechtmäßigkeit der unterschiedlichen Behandlung von kirchlichen und nicht-kirchlichen Trägern und hebt hervor, dass eine mittelbare Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei, um die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten auszugleichen.
Die finanzielle Unterstützung von Kitas in Deutschland, eine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit der Länder fällt, ist ein facettenreiches Konstrukt, das aus landesrechtlichen Normen, spezialgesetzlichen Regelungen und lokalspezifischen Vorgaben besteht. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen zielen darauf ab, ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges und bedarfsgerechtes Angebot an Betreuungsplätzen zu schaffen, das allen Kindern unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern zugänglich ist. In diesem Kontext ist die Gleichbehandlung aller Kita-Träger – eine Maxime, die aus dem landesrechtlichen Rahmen hervorgeht – von zentraler Bedeutung, um eine gerechte Verteilung der öffentlichen Mittel zu gewährleisten.
Die kontroverse Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2024, die eine unterschiedliche Behandlung kirchlicher und nicht-kirchlicher Träger im Hinblick auf staatliche Zuschüsse bestätigt, ist ein lehrreiches Beispiel für die Anwendung und Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß dem Grundgesetz. Die Entscheidung, dass eine niedrigere Förderung für kirchliche Träger keine Diskriminierung darstellt, sondern vielmehr eine Anpassung an die besondere finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Träger, die unter anderem aus dem Recht zur Erhebung der Kirchensteuer resultiert, unterstreicht die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der finanziellen Realitäten unterschiedlicher Träger.
Indem es die höhere ökonomische und finanzielle Leistungsfähigkeit kirchlicher Träger als legitimen Grund für eine differenzierte Behandlung anerkennt, betont das BVerwG die Bedeutung einer ausgewogenen Förderpraxis, die die Vielfalt der Trägerlandschaft und deren unterschiedliche Bedürfnisse zur Finanzierung von Kitas respektiert. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist somit mehr als eine bloße rechtliche Entscheidung; es ist ein Beleg für die dynamische Interaktion zwischen Recht, Gesellschaft und Politik.