Ideal des unabhängigen und neutralen Richter

Die Befangenheit eines Richters kann die Gerechtigkeit eines Gerichtsverfahrens erheblich beeinträchtigen. Daher ist es entscheidend, dass jeder Rechtsanwalt, der ernsthafte Anzeichen für eine mögliche Befangenheit eines Richters sieht, entsprechend handelt und einen Befangenheitsantrag stellt, solange das Verfahren für seine Mandantschaft nicht äußerst günstig verläuft. In unserem Justizsystem hat jeder Bürger ein Recht auf einen neutralen und gesetzlich bestimmten Richter, der dazu beitragen soll, die Unabhängigkeit des Gerichts zu wahren und das Vertrauen der Öffentlichkeit in dessen Unparteilichkeit und Objektivität zu stärken (BVerfG, Beschluss v. 30.10.2002, 2 BvR 1837/00).

Verankerung im Rechtssystem

Dieses Ideal von einem unvoreingenommenen und unabhängigen Richter, der eine gerechte Entscheidung treffen kann, ist fest in unserem Rechtssystem verankert. Alle Verfahrensordnungen beinhalten die Möglichkeit, einen Richter aufgrund der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§§ 41 ff. ZPO, §§ 22 ff. StPO, § 54 VwGO, § 18 BVerfGG). Ein Richter gilt als befangen, wenn ein geeigneter Grund vorliegt, der Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigt.

Verfassungsrechtlich wird dieses Prinzip durch Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) bekräftigt, der jedem Bürger ein Recht auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den vom Gesetz bestimmten Richter gewährt, sowie durch die gemäß Artikel 97 Abs. 1 GG garantierte Unabhängigkeit der Gerichte.

Rechtsprechung des BVerfG

Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss der Richter, der über eine Sache urteilt, neutral gegenüber allen Verfahrensbeteiligten sein und dieselbe Distanz zu allen wahren (BVerfG; Beschluss v. 24.12.2006, 2 BvR 958/06). Dadurch sollen politisch beeinflusste Entscheidungen und jegliche Form von “Vetternwirtschaft” verhindert werden. Dieses Ideal des unvoreingenommenen und unabhängigen Richters ist eine grundlegende Säule unserer Rechtsordnung.

Das Gericht muss sowohl gesetzliche Ablehnungsgründe als auch die sogenannte “Besorgnis der Befangenheit” beachten. Während gesetzliche Ablehnungsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen sind, muss die Besorgnis der Befangenheit durch Antrag und entsprechenden Tatsachenvortrag der betroffenen Partei oder deren Anwalt glaubhaft gemacht werden.

Ausschlussgründe für die Ausübung vom Richteramt

Bei zivilen Verfahren schließt § 41 der Zivilprozessordnung (ZPO) einen Richter von der Ausübung des Richteramtes aus, wenn er selbst Partei ist oder in einem bestimmten Verhältnis zu einer Partei steht, in Verfahren seines Ehepartners oder Lebenspartners beteiligt ist, oder in Sachen einer Person, zu der er in einer geraden oder seitlichen Linie verwandt oder verschwägert ist. Ähnliche Regelungen gelten, wenn der Richter als Prozessbevollmächtigter, Beistand, Zeuge, Sachverständiger, in einem schiedsrichterlichen Verfahren oder bei überlangen Gerichtsverfahren mitgewirkt hat oder in Mediationsverfahren oder anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung beteiligt war.

In anderen Verfahrensordnungen gelten die zivilprozessualen Ausschlussgründe entsprechend (§ 54 VwGO, § 60 SGG, § 51 FGO). Es besteht auch ein Ausschlussgrund, wenn der Richter in einem vorausgegangenen behördlichen Verfahren mitgewirkt hat.

Im Strafprozess schließt § 22 der Strafprozessordnung (StPO) einen Richter aus, wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist, wenn er in einem bestimmten Verhältnis zum Beschuldigten oder zum Verletzten steht, in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, Polizeibeamter, Anwalt des Verletzten oder Verteidiger tätig war, oder als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wurde, oder an einer durch ein Rechtsmittel oder einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat.

Ein Richter kann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§§ 24 Abs. 2 StPO, 41 ff ZPO). Dabei ist die Sicht eines vernünftigen Dritten maßgeblich (BVerfG, Urteil v. 16.2.1995, 2 BvR 1852/94).

In der Praxis haben sich verschiedene Fallgruppen entwickelt die die Besorgnis der Befangenheit begründen können, darunter Verfahrensfehler und skeptische Äußerungen über das Prozessverhalten von Verfahrensbeteiligten, ein besonderes Näheverhältnis des Richters zu Verfahrensbeteiligten oder die Mitwirkung des Richters an Vorentscheidungen oder sonstige Vorbefassungen mit der zu entscheidenden Sache.