Wohl kaum eine andere Nachricht trifft einen Examenskandidaten so hart:
die Bekanntgabe über das Nichtbestehen der Staatlichen Pflichtfachprüfung (1. Staatsexamen) oder der Zweiten Juristischen Staatsprüfung (2. Staatsexamen), denn gerade für (angehende) Juristen spielt die Gesamtnote beider Staatsexamina eine essenzielle Rolle, da der weitere berufliche Werdegang entscheidend von den erzielten Noten abhängt. Das Schlüsselwort lautet „Prädikatsexamen“, das jeder angehende Jurist erreichen möchte.
Der Prozess, der letztlich zur Notenbildung führt, ist jedoch nicht immer fehlerfrei. Gerade der Faktor Mensch ist – auf beiden Seiten – eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle, so dass es sich immer lohnt, dieses Verfahren nach den Ursachen für das Nichtbestehen oder das Nichterreichen einer bestimmten Note zu überprüfen. Denn weder der Prüfling ist davon frei, Fehler zu begehen, noch sind es die jeweils handelnden Prüfer.
Die oftmals unter Referendaren und Studenten verbreitete Meinung, Noten müssten hingenommen werden, führen leider im Ergebnis dazu, dass rechtswidrige Prüfungsergebnisse bekannt gegeben werden, ohne dass diese jemals auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.
Die Bekanntgabe der Abschlussnoten der Staatsexamina ist hierbei ein Verwaltungsakt, der einer rechtlichen Kontrolle und gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Daher besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und auch im weiteren Verlauf Klage zu erheben. Ob gegen die Notenbekanntgabe vorgegangen werden sollte, ist dann grundsätzlich die Frage des Einzelfalls. Eine gezielte Überprüfung der Erfolgsaussichten ist notwendig.
Im Prüfungsrecht gibt es als unselbständigen Teil des Widerspruchsverfahrens ein sog. verwaltungsinternes Nachkontrollverfahren, kurz „Überdenkungsverfahren“ genannt. Dieses nicht zu unterschätzende Instrument der rechtlichen Kontrolle wurde vom Bundesverfassungsgericht eingefordert, um den Nachteil des gerichtlich nicht überprüfbaren Bewertungsspielraums der Prüfer, auszugleichen.
All diejenigen, die zu Unrecht nicht oder nicht mit einer ihrem Leistungsvermögen widerspiegelnde Note bestanden haben, sollten daher ihr verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Überprüfung der Abschlussnoten nutzen und es gegebenenfalls anfechten oder anfechten lassen.
Sobald der Widerspruch fristgerecht und schriftlich gegen das Prüfungsergebnis eingelegt worden ist, beginnt nicht das eigentliche Widerspruchsverfahren, sondern das im Prüfungsrecht besondere Überdenkungsverfahren. Dieses ist ein unselbständiger Teil des Widerspruchsverfahrens, der dazu dient, die Prüfer (Votanten) erneut mit ihren Stellungnahmen und den Einwendungen des Prüflings zu befassen. Das Überdenkungsverfahren kann im Idealfall dazu führen, dass die Votanten die gewünschte (höhere) Note vergeben, wenn es die entsprechende Argumentation des Prüflings als zwingend erscheinen lässt. An dieser Stelle des Verfahrens sind Erfahrung und vor allem viel Fingerspitzengefühl und die richtige Wortwahl gefordert. Nicht jeder Votant ist geneigt – ohne Wenn und Aber – seine eigenen Fehler einzugestehen. Aber nicht nur eigene Fehler, sondern vor allem die Hervorhebung der Stärken der jeweiligen Klausur sollten stets im Vordergrund des Überdenkungsverfahrens stehen. Die Relativierung der Schwächen und die Betonung der Stärken der Leistung des Prüflings ist entscheidend, um die Votanten von einem Abrücken ihres ursprünglichen Votums zu überzeugen. Diese Möglichkeit außerhalb des Widerspruchsverfahrens sollte unbedingt genutzt und nicht unterschätzt werden.
Bleibt das Überdenkungsverfahren erfolglos und wird das Verfahren nicht vom Prüfling für erledigt erklärt, so prüft das Prüfungsamt nun selbst die vom Prüfling vorgetragenen Einwendungen. Kommt es zu dem Ergebnis, dass diese berechtigt sind, so erfolgt eine Neubewertung. Bleibt eine positive Entscheidung des Prüfungsamtes aus, wird der Prüfling mit einem negativen Widerspruchsbescheid beschieden, der es ihm nunmehr ermöglicht, die Klausuren gerichtlich auf Bewertungs- und/oder Verfahrensmängel überprüfen zu lassen.
Kommt es zum Gerichtsverfahren prüft das Gericht grundsätzlich nur die Darlegung von substantiierten und konkreten Bewertungsfehlern. Ein Hervorheben der Stärken der Arbeit des Prüflings unter Zurückstellung etwaiger Bedenken ist in diesem Stadium dann nicht mehr möglich.
Bewertungsmängel liegen vor, wenn materiell-rechtliche Vorgaben für die Bewertung einer Leistung vom Votanten nicht beachtet wurden, so beispielsweise unzulässiger bzw. ungeeigneter Prüfungsstoff. Besonders kontrovers wird die Frage des „Antwortspielraums“ des Prüflings diskutiert. Insbesondere darf eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als „falsch“ bewertet werden. Auch Aufbaufragen sind gerichtlich voll überprüfbar. Ebenso können sich Randbemerkungen der Votanten als unsachlich, unfair, willkürlich oder falsch erweisen.
Verfahrensmängel können sich auf den äußeren oder den inneren Rahmen des Prüfungsverfahrens beziehen. Zu den äußeren Bedingungen eines Prüfungsverfahrens zählt u.a. die Beeinträchtigung durch Lärm, Hitze oder Kälte. Innere Verfahrensfehler sind Umstände, die das Verfahren der Ermittlung und Bewertung der Prüfungsleistung betreffen. Dazu zählen u.a. die sog. ”Prüfermängel” wie fehlende fachliche Qualifikation, fehlende Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit, Befangenheit. An dieser Stelle muss jedoch die Rügeobliegenheit des Prüflings beachtet werden, der in aller Regel unverzüglich den Verfahrensmangel gegenüber dem Prüfungsamt rügen muss. Nach Bekanntgabe der Note bzw. dem Durchlaufen der Prüfung ist eine Rüge eines Verfahrensfehlers in den allermeisten Fällen nicht mehr möglich.