Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?

“Nichts darf man heutzutage mehr sagen”, ist das Gefühl, dass Umfragen zufolge immer mehr Menschen in Deutschland haben.[1] Und auch wenn dies in den meisten Fällen bloßes, juristisch unzutreffendes, Gefühl bleibt, gibt es tatsächlich Dinge, die man nicht sagen darf, wenn man nicht in Konflikt mit dem Strafgesetzbuch kommen möchte – und dies aus gutem Grund. Dennoch tun dies von Jahr zu Jahr mehr Menschen. Die Zahl der Verurteilungen wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB hat sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht: von 397 Fällen im Jahr 2008 auf 1.254 im Jahr 2021. [2]

Ein Randphänomen? Im Gegenteil. Hass und Hetze sind fester Bestandteil vieler öffentlicher und digitaler Debatten geworden.

Doch wann ist die Grenze zur Strafbarkeit erreicht? Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen? Dieser Beitrag zeigt, was § 130 StGB verbietet, welche Aussagen strafbar sind – und was zu tun ist, wenn aus Worten Straftaten werden. Wer dies verstehen will, braucht juristischen Überblick, gesellschaftliche Sensibilität und ein klares Gespür für den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Menschenverachtung.

I. Key-Facts auf einen Blick

Frage Antwort
Was ist Volksverhetzung? Strafbare Hetze gegen Gruppen, u. a. durch Aufrufe zu Hass, Gewalt oder die Leugnung von NS-Verbrechen (§ 130 StGB)
Wann ist der Tatbestand erfüllt? Wenn Äußerungen öffentlich erfolgen, Hass schüren und den öffentlichen Frieden gefährden
Strafen? Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, auch Geldstrafe möglich
Wer darf anzeigen? Jede Person – Volksverhetzung ist ein Offizialdelikt
Wo anzeigen? Bei der Polizei, Online-Wachen oder spezialisierten Meldestellen

II. Was ist Volksverhetzung?

Diese Frage gilt es bei der Beurteilung extremer Äußerungen zu klären. Die Antwort des Gesetzgebers darauf findet sich in § 130 StGB: Volksverhetzung ist das gezielte Aufstacheln zu Hass, der Aufruf zu Gewalt oder das Angreifen der Menschenwürde – öffentlich, in sozialen Medien oder bei Versammlungen.

Auch wenn die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG weit reicht, endet sie dort, wo gezielt Gruppen verächtlich gemacht werden. Wann ist der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt? – dann, wenn eine Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören und die Schwelle zur strafbaren Hetze überschreitet. Wer sich fragt: “Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?”, sollte hier besonders genau hinschauen.

III. Volksverhetzung im Strafgesetzbuch (StGB)

Der Tatbestand der Volksverhetzung ist in § 130 StGB geregelt. Die Norm schützt sowohl den öffentlichen Frieden als auch die Würde des einzelnen Menschen, sowie Angehöriger bestimmter Gruppen. [3] Die Vorschrift umfasst unterschiedliche Tathandlungen, die in mehreren Absätzen geregelt sind. Für die Frage: „Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?“ muss also zwischen den unterschiedlichen Tathandlungen differenziert werden.

Wann kann man jemand wegen Volksverhetzung anzeigen?

§ 130 Abs. 1 StGB normiert: Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, … zum Hass aufstachelt, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer angreift, … wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Daneben sind u. a. das Verbreiten volksverhetzender Inhalte (§ 130 Abs. 2 StGB), die Leugnung des Holocaust (§ 130 Abs. 3 StGB) sowie die Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft (§ 130 Abs. 4 StGB) strafbar.

Die Tatbestandsmerkmale der einzelnen Absätze im Überblick:

Tatbestand nach § 130 StGB Beschreibung Strafmaß
Abs. 1 Nr. 1 Aufstacheln zu Hass oder Gewalt gegen Gruppen/Einzelne 3 Monate bis 5 Jahre
Abs. 1 Nr. 2 Menschenwürdeangriff (z. B. durch Verleumdung, Beschimpfung einer Gruppe oder eines Gruppenangehörigen) 3 Monate bis 5 Jahre
Abs. 2 Verbreitung entsprechender Inhalte (z. B. Videos, Texte) Bis zu 3 Jahre oder Geldstrafe
Abs. 3 Leugnung/Verharmlosung des Holocaust Bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe
Abs. 4 Verherrlichung der NS-Gewaltherrschaft Bis zu 3 Jahre oder Geldstrafe

IV. Was sind Beispiele für Volksverhetzung?

Gerichte haben u. a. in folgenden Fällen Verurteilungen ausgesprochen:

  • Holocaustleugnung auf Websites oder in Broschüren
  • Aufruf zur Gewalt gegen Flüchtlinge in sozialen Medien
  • Parolen wie „Juden raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ mit NS-Bezug bei öffentlichen Veranstaltungen
  • Verherrlichung von nationalsozialistischer Ideologie in Telegram-Gruppe

Aktuell:

Zuletzt sorgte eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem ehemaligen Bundeswirschaftsminister Robert Habeck für Aufsehen, bei der die Polizei die Wohnung eines Mannes, der Autor eines beleidigenden Memes sein soll, durchsuchte. Wegen dem Vorwurf der Volksverhetzung ermittelt die Staatsanwaltschaft, da der Mann  im Frühjahr 2024 zudem auf X eine Bilddatei hochgeladen haben soll, auf der ein “SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift ‘Deutsche kauft nicht bei Juden’ zu sehen ist.” [4]

Diese Volksverhetzung Beispiele zeigen, wie weitreichend die Vorschrift des § 130 StGB im Alltag greifen kann. Besonders Personen des öffentlichen Lebens, die auf verschiedenste Arten in der Öffentlichkeit stehen und dort ihre Ansichten kundtun, drohen in Konflikt mit der strafbaren Volksverhetzung zu gelangen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.

Prominente Beispiele

Die bekannte Holocaust-Leugnerin wurde mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt. Zuletzt verurteilte das Landgericht Hamburg sie im Juni 2024 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. [5]

Der Sänger wurde im Juni 2024 von der Staatsanwaltschaft Mannheim wegen Volksverhetzung angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, im März 2021 über einen Telegram-Kanal den Holocaust leugnende und antisemitische Inhalte verbreitet zu haben. Das Landgericht Mannheim hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden. [6]

Der Autor wurde im September 2017 vom Amtsgericht Dresden wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Anlass war eine Rede bei einer Pegida-Veranstaltung, in der er Flüchtlinge pauschal als „Moslem-Müllhalde“ bezeichnete. Im März 2017 wurde er zudem vom Amtsgericht Bonn wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 5.100 Euro verurteilt. [7]

Der Münchner Grünen-Politiker wurde im Juni 2023 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Er hatte auf Twitter den Vergleich gezogen, dass Grüne wie die „neuen Juden“ behandelt würden, was als Holocaust-Verharmlosung gewertet wurde. [8]

Der Vorsitzende der Fraktion der AfD im Thüringer Landtag Björn Höcke wurde bislang zweimal wegen der Verwendung der verbotenen NS-Parole „Alles für Deutschland“ verurteilt – erstmals im Mai 2024, dann erneut im Juli 2024. Beide Male verhängte das Landgericht Halle Geldstrafen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, da Höcke Revision eingelegt hat. [9]

V. Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?

Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen? – Zusammengefasst dann, wenn Aussagen oder Handlungen den Tatbestand des § 130 StGB erfüllen. Dazu gehören:

  • Aufrufe zu Gewalt gegen Bevölkerungsgruppen
  • Menschenverachtende Aussagen mit öffentlichem Bezug
  • Leugnung oder Verharmlosung von NS-Verbrechen
  • Verbreitung entsprechender Inhalte über soziale Medien

Erfüllt eine ehrverletzende Aussage die Anforderungen der Volksverhetzung nicht, kann sich die Frage “lohnt sich Anzeige wegen Beleidigung?” gestellt werden.

Wer kann eine Volksverhetzung anzeigen?

Die einfache Antwort: Jeder. Da es sich bei § 130 StGB um ein Offizialdelikt handelt, ist keine persönliche Betroffenheit nötig. Bereits ein Screenshot genügt, um Ermittlungen durch Polizei oder Staatsanwaltschaft und ein Strafverfahren in Gang zu setzen. Die Anzeige kann direkt bei einer Polizeidienststelle, über die Online-Wachen oder vor Ort gestellt werden.

Ist Rassismus Volksverhetzung?

Nicht jede rassistische Aussage ist automatisch strafbar. Erst wenn die Aussage Hass schürt, Gewalt propagiert oder die Menschenwürde verletzt, ist sie nach § 130 StGB relevant. Die Bewertung erfolgt immer im konkreten Kontext. Außerdem muss sie öffentlich erfolgen und geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.

Ein abwertender Satz in einem privaten Chat ist daher meist nicht strafbar. Wird dieselbe Aussage aber auf einer Demo getätigt oder öffentlich gepostet, kann sie eine Volksverhetzung darstellen.

Auch bei sexistischen Äußerungen stellt sich die Frage der Strafbarkeit. Unser Beitrag über sexuelle Belästigung zeigt auf, wieso es sich dabei nicht um eine strafbare Handlung nach §184i StGB handelt.

VI. Wie viele Jahre bekommt man für Volksverhetzung?

Die Strafrahmen reichen – je nach Absatz – von Geldstrafen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigt das Gericht:

  • Art und Reichweite der Hetze
  • Tatmittel (z. B. öffentlich, digital, organisiert)
  • Vorstrafen, politische Motivation

Volksverhetzung-Strafe für Ersttäter:

Bei Ersttätern kann das Gericht eine Geldstrafe oder eine Bewährungsstrafe verhängen. Wer allerdings durch besonders aggressive Hetze auffällt, muss auch als Ersttäter mit einer Freiheitsstrafe rechnen.

Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?

Ebenfalls spannend ist die Frage, wie man sich gegen verletzende Äußerungen wie strafbare Beleidigung wehren darf. Zur Frage Wie weit darf man bei Notwehr gehen? gibt unser Beitrag zu den Grenzen des Notwehrrechts Auskunft.

VII. Volksverhetzung im Netz

Wichtig: Aussagen in privater Kommunikation (z. B. WhatsApp) können ebenfalls unter § 130 StGB fallen, wenn sie einen größeren Adressatenkreis erreichen.

Die Frage “Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?” gewinnt also auch im privaten Umfeld an Bedeutung.

Allgemeine Aussage des Urteils

Zusammenfassung des Urteils

Teilen eines Nazi-Videos über den WhatsApp-Status kann als Volksverhetzung gelten. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte einen Mann nach § 130 Abs. 2 StGB, weil er ein Nazi-Video über seinen WhatsApp-Status teilte. Da das Video mindestens 75 Personen zugänglich war, wertete das Gericht dies als Verbreitung an einen nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis und somit als volksverhetzende Handlung. [10]
Auch in privaten WhatsApp-Gruppen kann der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt sein, wenn eine breite Öffentlichkeit erreicht werden kann. Das OLG Celle bestätigte eine Verurteilung wegen Volksverhetzung: Ein Mann hatte in einer WhatsApp-Gruppe mit 60 rechtsgesinnten Mitgliedern ein menschenverachtendes Bild mit fremdenfeindlichem Inhalt geteilt. Das Gericht stellte klar, dass § 130 StGB keine Öffentlichkeit im engeren Sinne voraussetzt – es reicht, wenn nach den Umständen mit öffentlicher Bekanntwerdung zu rechnen ist. [11]

Schritt für Schritt Anleitung

Anzeige wegen Volksverhetzung im Netz

Entdeckt man im Netz einen Post, der den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen könnte und möchte man diesen zur Anzeige bringen, sind drei wesentliche Schritte zu beachten.

  1. Anfertigen eines Screenshots

Damit dieser auch möglichst rechtssicheres Beweismittel sein kann, ist darauf zu achten, dass er den Absender des Posts zeigt, die Uhrzeit und das Datum und wenn möglich auch der Kontext, in dem der Post gemacht wurde enthalten ist.

  1. Anzeige

Über die Online-Wache des eigenen Bundeslandes kann dann einfach online Anzeige erstattet werden.

  1. Melden beim Netzwerk

Unabhängig von der Anzeige kann der Post beim sozialen Medium gemeldet werden, um die Löschung zu erreichen.

Hat man Abseits der strafbaren Volksverhetzung eine Cybermobbing Problem, kommen andere Strafbarkeiten, wie Beleidigung oder üble Nachrede in Betracht.

VIII. Fazit: Wann ist eine Anzeige gerechtfertigt?

Volksverhetzung ist ein komplexer Straftatbestand, der verschiedene Formen von Hassrede und Verbreitung entsprechender Medien unter Strafe stellt. Der § 130 StGB definiert dafür klare Voraussetzungen, deren Erfüllung im Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss, wobei stets ein Spannungsverhältnis mit der Meinungsfreiheit des Absenders besteht, das es zu lösen gilt.

Besonders in den sozialen Medien finden extreme Äußerungen ein immer größeres Publikum, weshalb sich die Frage: “Wann kann man jemanden wegen Volksverhetzung anzeigen?”, vielen Nutzern schon einmal gestellt haben dürfte. Sie finden mit Blick auf die rechtlichen Kriterien und praktischen Fallkonstellationen erste Orientierung. Letztlich bleibt die Bewertung oft eine Frage des Kontexts und der konkreten Umstände.

Erkennt man eine entsprechende Äußerung im Netz, kann allerdings jeder der sie liest, Anzeige erstatten.

IX. FAQ: Häufige Fragen zur Volksverhetzung

Sobald eine Äußerung die Tatbestandsvoraussetzungen einer in §130 StGB verbotenen Handlung erfüllt, z.B. indem öffentlich Hass geschürt, zur Gewalt aufgerufen oder die Menschenwürde verletzt wird. Die Äußerungen müssen geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.

Die verschiedenen Absätze des § 130 StGB enthalten verschiedene Formen strafbarer Äußerungen: Aufstachelung zu Hass, Gewaltaufrufe, Menschenwürdeverletzungen, Verbreitung von Hetze, Holocaustleugnung, NS-Verherrlichung.

Dies hängt davon ab, welche Tathandlung des §130 StGB verwirklicht wurde. Der Strafrahmen für Volksverhetzung reicht von drei Monaten (§130 I StGB) bis zu 5 Jahren (§130 II StGB).

Anzeige kann Bei jeder Polizeidienststelle online (z. B. über Online-Wachen) oder vor Ort gestellt werden. Über Meldeeinrichtungen von Social Media Plattformen kann zusätzlich die Löschung entsprechender Inhalte erreicht werden.

Nein – nur, wenn die Voraussetzungen der strafbaren Volksverhetzung vorliegen. Werden rassistische Aussagen öffentlich getätigt, kann eine Strafbarkeit nach §130 StGB vorliegen.

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Max Scherer

Jurawelt Redaktion

Max Scherer

Studium:

  • Student der Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg
  • Schwerpunktbereich: Kriminalwissenschaften
  • Auslandsaufenthalt am Chicago-Kent College of Law (USA)

Jurawelt:

  • Redakteur & Studentischer Mitarbeiter