Moskau - Rußland als die halbe Wahrheit?
Ich selbst war dort nicht als Student an einer Uni, jedenfalls nicht als Jurastudent. Insofern ist dieser Bericht hier sicherlich nur eingeschränkt als "typischer Auslandsbericht" zu gebrauchen, da ich nicht wirklich über das Jurastudium an einer russischen Uni berichten kann. Er sollte aber dennoch ein bißchen einen Einblick in das Land Rußland, die Menschen, russische Mentalität und das Leben dort bieten.
Wieso fährt jemand nach Rußland, wenn er dort nicht studiert? Nun, es gibt ja auch noch den Spaß an der Freude und den Wunsch, dieses Land einmal kennenzulernen und die Sprache zu verbessern. Das sind nicht abschließend meine Motivationen, sollen hier aber reichen. Angefangen, Russisch zu lernen habe ich in der Schule, damals ungewöhnlich, da ich nicht in der Ex-DDR gewohnt habe. Leider war es mir nur für ein Jahr möglich, den Unterricht zu besuchen, so daß ich mit ziemlich - um nicht zu sagen: extrem - limitierten Kenntnissen in Russisch die Schule verließ. Dann kam die Uni, wo auch Russisch angeboten wurde. Ohne jetzt jammern zu wollen: ich halte Russisch für eine recht schwierige Sprache, jedenfalls verglichen mit Englisch, Französisch und Spanisch. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, daß es eine slawische Sprache ist, obwohl das Alphabet nun wirklich das geringste Problem ist. Mein Russisch ist also weiterhin relativ schlecht, was aber wohl zum größten Teil daran liegt, daß ich mir nie die Zeit genommen habe, Vokabeln zu lernen.
Mein Interesse an Rußland und der Sprache wuchs stetig während der Unizeit, bis ich schließlich im August 1999 das erste Mal nach Rußland flog, damals für nur eine Woche.
Es war rein privat, ermöglichte mir aber schon mal das "touristische Kennenlernen" Moskaus. Das nächste Mal war dann April 2000, diesmal für 4 Wochen über die Uni. Wir wohnten in einem Wohnheim einer Management-Uni (GUU - Gossudarstvenaja Universitjet Upravlenja, in Vychino) im Südosten von Moskau. Das war der erste Kontakt mit dem Leben in Rußland außerhalb eines 5-Sterne Hotels, und ja, es ist eindeutig anders. Der ein oder andere hat vielleicht die tollsten Horrorgeschichten gehört; ich würde sagen, es kommt darauf an, wie man Horror definiert. Ja, der Bau ist in einem für westlichen Standard erbärmlichen Zustand, aber immerhin, der Lift funktioniert - Ausfälle sind zu ertragen. Die Zimmer sind relativ klein, haben einen Schrank, ein Bett und einen Schreibtisch. Die Toilette und das Waschbecken und die Badewanne sind in keinem sehr guten Zustand, aber immerhin, fast immer gab es Wasser, dies dann auch idR heiß. Für wen das jetzt schon wie Horror klingt, der sollte vielleicht einmal drüber nachdenken, wie er oder sie im Moment lebt und ob man das als das allein selig machende Nonplusultra nehmen kann. Westlicher Standard ist nicht überall vorhanden - zum Glück kann ich nur sagen, denn ansonsten wäre es zum Erbrechen langweilig, glaubt mir das! Ach ja, mit Kakerlaken ist man per Du im Wohnheim, und die Gaswolken in den Gängen vom verstreuten Gift lernt man auch zu ignorieren. Nein, ich übertreibe nicht, muß aber ehrlich sagen, daß mich das nicht wirklich weiter gestört hat, man gewöhnt sich wirklich an alles. Das Wohnheim, in dem ich gelebt habe, bestand aus ungefähr 12 Etagen, die Zimmer waren auf schmalen Gängen verteilt, man hat für 2 Zimmer eine Toilette und ein "Bad", das ist wirklich in Ordnung: wer beim Bund war, weiß, daß es auch anders sein kann! Die Zimmer sind entweder für eine oder zwei Personen gedacht und idR sind auch nur so viele Personen auf den Zimmern einquartiert, ohnehin, wenn man Ausländer ist. Auf jedem Gang findet sich eine "Küche", bestehend aus einem Herd und einer Spüle. Wer also kochen will/muß (was denn sonst?), der kann das tun, entsprechend riecht es dann auch nach den unterschiedlichsten Sachen im Gang. Geschirr, Besteck etc. sollte man sich selbst besorgen, kann das aber für en Appel und en Ei auf dem Markt erledigen, wenn es nicht gerade WMF sein muß. Überhaupt, man sollte seine Ansprüche ganz schnell runterschrauben, am besten schon, bevor man in Moskau oder sonstwo in Rußland landet. Denn so bleibt einem die für Westler wohl typische Enttäuschung erspart. Man sollte immer bedenken, daß Rußland ein Land ist, das über 70 Jahre nicht nur unter einer Diktatur stand, sondern auch noch völlig kaputtgewirtschaftet wurde und die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Man denkt dort nicht so, wie wir "Westler" es tun. Man nennt Deutschland eine Servicewüste, das stimmt, allerdings muß es noch etwas davor geben, denn das findet sich in Rußland. Ich will damit um Himmels Willen nicht die Menschen schlecht machen, denn die können nichts dafür, sie wurden so erzogen und können das auch nicht von heute auf morgen vergessen. Aber man sollte von einem Beamten oder sonst jemand Offiziellen nicht allzuviel Hilfsbereitschaft erwarten, geschweige denn schnelle, effiziente Arbeit. Das fängt bei der Paßkontrolle an, wo man z.B. 10 mögliche Abfertigungsstellen sieht, aber nur 3 offen sind, erstaunlicherweise aber ungefähr 10 Beamtinnen (!) rumstehen und sehr wichtig gucken. Wer jetzt auf die Idee kommt, sich als Ausländer mit diesen Damen zu unterhalten, warum sie denn ihren Hintern nicht hinter eines der Fenster schieben, um das ganze etwas zu beschleunigen, der könnte sich sehr schnell in einer äußerst unangenehmen Situation befinden, zumal die Telefone für den Anruf bei der Botschaft des öfteren gerade dann "ausfallen". Ich klinge sehr negativ? Nun, ich möchte nur eindringlich darauf hinweisen, daß man als jemand, der Russisch nicht fließend (!) spricht, sehr sehr vorsichtig sein sollte, damit man nicht in das Schußfeld der Bürokratie gerät. Das bringt unnötig Ärger und wird niemandem etwas bringen, außer demjenigen Beamten, der sich nach 8 Stunden, einer Flasche Vodka und 200 Dollar dazu bereiterklärt, die Sache zu "vergessen" und einen gehen läßt - wenn man Glück hat. Habe ich hier gerade was von Bestechung gesagt? Nein, wer so dämlich ist, einem Beamten von sich aus Geld anzubieten, ohne eindeutige Hinweise auf eine Bereitschaft, dies auch anzunehmen, der ist selbst schuld! Es gibt keine Bestechung in Rußland, und das Vorstellungsbild des mit Dollarscheinen wedelnden Ausländers, der damit alle Probleme beseitigt, sollte man schnellstens vergessen, denn das ist, gelinde gesagt, Unsinn. Geld wird immer weiterhelfen, insbesondere Dollar, aber man sollte wissen, wie man es macht -Ausländer wissen es nicht! Ratio? Nicht auffallen, die große Klappe zu hause lassen und ja nicht glauben, daß man alles selbst erledigen kann, wenn es schließlich doch Probleme gibt. Nur dazu angemerkt: ich hatte nie Probleme! Es ist also nur eine Warnung, wie man sich nicht verhalten sollte.
Jetzt will ich aber mal von den Offiziellen wegkommen - die allerdings allgegenwärtig sind - und mich dem täglichen Leben widmen. Ich war dann im Sommer 2000 für drei Monate wieder in Moskau, diesmal wieder privat, und ich habe auch privat gewohnt. Wer das vorhat, also nicht in einer Familie oder sonstwie mit Leuten zusammen, die man kennt, der sollte sich darauf gefasst machen, daß er - zumindest in Moskau - ein hübsches Sümmchen für die Miete hinblättern darf. Ausländer zahlen immer mehr. Aber natürlich ist die Miete an sich in Moskau auch nicht gerade billig. Ich habe meine Wohnung nur so billig bekommen, weil ich jemanden kannte, der jemanden kannte, der... Beziehungen sind immer wichtig und gerade in Rußland sehr nützlich. Meine Wohnung war regelrecht "luxuriös", bestand aus 2 Zimmer/Küche/Bad, hatte allerdings kaum was drin, insbesondere kein Telefon. Letzteres war aber nicht tragisch, da ich a) den ganzen Tag im Büro war und b) mir ohnehin eine russische Mobiltelefonkarte zugelegt habe. Die Wohnung war in einem typischen Sowjetblock, also 9 Stockwerke hoch oder so, typischer Aufbau - einmal da gewesen, überall dagewesen, es sind fast alle dieser Bauten gleich gebaut. Hässlich wie die Nacht und kalt im Herbst, bis sich Vater Staat dazu entschließt, daß es jetzt an der Zeit sei, die Fernwärme für die Heizung einzuschalten. Wie? Es ist zu warm? Sei froh, daß Du nicht frieren mußt! Wohl wahr, jedenfalls: Thermostate an den Heizungen gibt es nicht, aber man kann ja das Fenster aufmachen... Man zahlt in Moskau, also nicht allzu weit von der "Hauptstraße" Tverskaja mit der Metro weg (sprich ca. 4 Stationen vom Belorusskii Voksal als meinem Erfahrungsbereich), ca. 250-350 Dollar für ein 1 Zimmer(-Loch), wobei die Qualität extrem stark schwankt, es hilft nix, man muß sich ohnehin alles anschauen, da die Leute an niemanden vermieten, ohne ihn vorher gesehen zu machen. Ach ja: vergeßt den Mist mit den "Agenturen", an den einen die Vermieter verweisen. Die haben keine Ahnung, meistens auch keine Wohnung mehr und zocken nur ab. Noch mal: ohne Beziehungen halte ich es für extrem schwierig, eine brauchbare Bleibe für ertragbare Summen zu finden. Wer natürlich über die Uni hinfährt, für den dürfte ja in der Regel ohnehin im Wohnheim der jeweiligen Uni was reserviert worden sein - dürfte, ich würde mich auf nichts verlassen, was mit diesem Land zu tun hat. Fragt lieber zehn Mal nach.
So bin ich also jeden Tag mit der Metro von meiner Wohnung zur Arbeitsstelle gefahren. Ich habe mir dafür eine Monatskarte mit unbegrenzten Fahrten gekauft, die umgerechnet 18 DM gekostet hat und für das gesamte Moskauer Metro-Netz gültig war. Moskau ist eine Stadt mit ungefähr 12 Million Einwohnern und einer recht ordentlichen Ausdehnung, man kommt damit also recht weit, wenn man will. Ich halte das Metro System in Moskau und St. Petersburg für eines der besten der Welt, da kann höchstens noch Paris mithalten. Ich habe nie Ausfälle erlebt, obwohl die Wagen alle noch aus Sowjetzeit stammen. Von der sprichwörtlichen Schönheit mancher Metrostationen ganz zu schweigen - man sollte wirklich einmal insbesondere die inneren Linien abfahren, einfach, um sich die Stationen anzuschauen. Das angenehme an der Moskauer Metro ist die Sauberkeit und Zuverlässigkeit, was man in Rußland gar nicht genug betonen kann. Ich habe nie wirklich Dreck gesehen, das gilt allerdings im Allgemeinen auch für die ganze Stadt. Wirklich gut sind auch die sogenannten Trolleybusse, die mittels Stromabnehmern fahren und damit abgasfrei. Sie fahren durch die ganze Stadt und sind auch wunderbar geeignet, um sich damit fortzubewegen, sofern man entweder den Plan auswendig kann oder einfach die Zeit und Muße hat, auf gut Glück zu fahren und irgendwann einfach auszusteigen - dürfte aber bei jedem Bussystem so sein. A propos Abgase: Moskau ist einerseits für eine so riesige Stadt erstaunlich dreckfrei, was sie aber nicht sauberer macht. Kleidung, Schuhe, Hände usw., alles bedarf verstärkter Reinigung, einfach auch, weil sehr viele Autos auf den Straßen unterwegs sind und diese nur im seltensten Fall so etwas wie einen Katalysator haben, außer es sind neue, westliche Wagen. Ich habe noch in keiner anderen Stadt so viele neue S-Klasse Benz und 7er BMW und G-Mercedes rumfahren sehen, wie in Moskau - daneben dann die kleinen russischen und ukrainischen Quetschen. Gegensätze, gutes Stichwort. Wer hat schon mal eine alte Frau halb verhungert auf der Treppe mehr liegen als sitzen sehen? Oder mehrere Leute zusammengekauert in einer Ecke einer Unterführung auf dem versifften Boden schlafen sehen? Oder eine alte Frau, die ihr ganzes Leben lang sich den A... aufgerissen hat, um ihren versoffenen Mann und die nutzlosen Söhne durchzubringen, und die jetzt 14 Stunden und mehr in der Metro oder sonstwo steht, um ein paar Rubel zu erhaschen, weil der Staat ihre 20 Dollar Rente pro Monat mal wieder nicht bezahlt hat? Richtig, jeder, der in Rußland war (allerdings nicht nur dort). Heilsam würde ich das nennen. Es macht einem bewußt, wie unglaublich, unendlich gut es uns hier im Westen erging und ergeht. Wir leben in einem solchen Überfluß und Wohlstand, daß wahrscheinlich 98 % der Bevölkerung überhaupt keine Ahnung hat, was es bedeutet, wirklich Hunger zu haben. Nicht, daß ich jemals gehungert habe, aber ich habe Leute gesehen, die waren so schwach, daß sie sich nicht mal mehr was zu essen kaufen konnten, selbstredend wurden diese Leute nicht von der Caritas in ihrem Bett versorgt, sondern lagen auf der Straße. Der unglaubliche Blick - regelrecht Unverständnis - in den Augen dieser Leute, wenn man ihnen etwas zu essen gebracht hat (nicht Geld!), das kann man wohl nur verstehen, wenn man es selbst erlebt. Ich schreibe dies hier alles, weil ich den Leser/die Leserin a) darauf vorbereiten möchte, was einen erwartet, zumindest erwarten kann und ich b) inständig hoffe, daß niemand einfach nur vorbeiläuft, sondern sich seines Wohlstands bewußt ist und etwas davon weitergibt und sei es nur eine Teigtasche für 30 Pfennig. Ich will hier daran erinnern, daß es einem statistischen Studenten (!) in Deutschland besser geht, als einem statistischen arbeitenden Erwachsenen in Moskau (nicht etwa auf dem Land!). Der durchschnittliche Russe (in Moskau, wohlgemerkt, woanders sieht das wieder ganz anders aus, negativer natürlich) verdient im Moment ungefähr 400 Dollar im Monat, wenn er einen guten Job hat. Wer bei einem ausländischen Unternehmen arbeitet bekommt meistens mehr. Wenn man damit jetzt die oben genannten Wohnungspreise vergleicht, dann kann man sich leicht ausrechnen, wo das hinführt. Allerdings arbeiten die meisten Leute dann auch nach oder vor der Arbeit noch, als was auch immer. Selbstredend muß jeder ran, wie auch immer.
Die meisten werden sich spätestens jetzt fragen, ob es in Rußland eigentlich auch etwas Positives gibt. Die Antwort: die Menschen. Ich habe nirgends eine solche Freundlichkeit erlebt, wie wenn man in den inneren Kreis der Russen eindringt. Ja, auch Amerikaner sind super freundlich, auch Deutsche sind idR nett usw. Aber Russen, die haben einfach was. Für alle Männer und manche Frau: russische Frauen sind der Hammer! Sie sehen nicht nur unverschämt gut aus, sie sind auch extrem selbständig, intelligent und sie können einfach mit dem Leben umgehen. Leider scheinen westliche Frauen über ihre Emanzipation (die ich ausdrücklich unterstütze), vergessen zu haben, daß sie Frauen sind. Schlag mich jetzt wer will, es ist so. Russische Frauen sind anders, es gilt auch hier: selbst erleben. Krasses Gegenstück dazu, taraa, die Männer. Yep, traurig aber wahr. 50 % der russischen Männer sind Alkoholiker. Dazu kommt, daß sie idR reichlich unselbständig sind, Frauen als Haushaltsgegenstand betrachten (nicht zuletzt der Grund, warum russische Frauen auf westliche Männer "fliegen": sie werden von Ihnen wie Menschen behandelt) und auch im übrigen nicht sonderlich attraktiv sind... Allerdings: es gibt kaum jemanden besseren als einen Russen, um etwas zu reparieren. Gibt es ein Problem, dann findet sich immer irgendwas, um das Problem zu heben - klar, wenn man damit aufgewachsen ist, ständig zu improvisieren, weil entweder etwas fehlt oder kaputt geht. Handwerklich dürfte kaum einer den Russen den Rang ablaufen. Erstaunlich ist auch die Allgemeinbildung, die wohl die der meisten Ausländer um einiges übertrifft. Kunst, Literatur, Geschichte, Mathe usw., frage einen Russen, er wird Dir fast immer was sagen können, meistens stimmt es auch. Man sollte nicht unbedingt über die neueste politische Entwicklung im In- und Ausland diskutieren, denn da sind die meisten nicht so fit. Hinzu kommt, daß Russen sehr patriotisch sind: sie mögen noch so sehr gegen "balschaja politika" (etwa: hohe Politik; Kreml) wettern, sobald man etwas gegen "ihr" Land sagt, o weia. Besser ist dann, daß man noch keinen Alkohol getrunken hat, sonst wird es ungemütlich. Geselliges Beisammensein, entweder in einer Kneipe oder am besten am Wochenende mit der Familie eines Bekannten auf der Datscha, das ist schon was besonderes und eine super Erfahrung. Ich habe einige Freunde gewonnen, mit denen ich mich sehr gut unterhalten habe. Man lernt sehr viel, ich denke das ist der wichtigste Aspekt der interkulturellen Kommunikation. Wenn auch die Gespräche manchmal etwas schleppend und mit Hilfe von Englisch und Händen und Füßen abliefen, man versteht sich. Junge Russen sind dem Westen sehr aufgeschlossen, und man wird schnell merken, daß Rußland schon einiges "Kulturgut" aus dieser Richtung absorbiert hat - nicht immer zum Vorteil, das muß man klar sagen. Noch was für die Frauen: nicht erschrecken, wenn einem die russischen Frauen manchmal wie solche aus "dem Gewerbe" vorkommen. Es ist zum einen der Ausdruck einer (wiedergewonnen) Freiheit und zum anderen ihr Wunsch, sich als attraktiv darzustellen, sicherlich nicht zuletzt auch wegen des starken Angebots an Frauen im Vergleich zur Zahl der Männer. Welche Gründe es auch immer gibt, Frauen legen sehr viel Wert auf ihr Äußeres, was man von den Männern wiederum nicht behaupten kann, obwohl diejenigen, die etwas Geld haben, dann doch recht ordentlich rumlaufen, auch wenn man sich ja über Geschmack bekanntlich streiten kann. Womit wir im Grunde auch schon beim Einkaufen wären. Ich persönlich liebe Märkte und davon gibt es einige tolle in Moskau. In Vychino z.B war einer gerade mal 5 Minuten weg, das Ding ist riesig und man bekommt alles, was man braucht, sei es ein Schweinekopf, Tomaten, Gewürze, kurz: an Futter alles, was man sich vorstellen kann. Auch Haushaltswaren und Kleider sind in der Regel an angeschlossenen Märkten erhältlich, wo man im Grunde genommen auch alles bekommt. Es gibt sehr viele deutsche Produkte, aber auch vieles aus der Türkei. Die Qualität ist unterschiedlich, und wer sich auf dem Markt ein Boss-Jacket für DM 70,- kauft, der sollte damit nicht allzu sehr angeben... Aber die Sachen sind brauchbar und fallen entgegen allen Unkenrufen auch nicht auseinander, wenn man sie anguckt. Nicht alles, was im Westen für teuer Geld als Markenartikel verkauft wird, ist wirklich besser: es wird doch alles irgendwo in China oder so hergestellt! Ich jedenfalls habe Einiges eingekauft und noch keine negativen Erfahrungen gemacht. Kurzum: man bekommt eigentlich alles und das zu vergleichsweise humanen Preisen, wenn man damit leben kann, keine echten Markensachen zu tragen.
Ich könnte jetzt ewig weiterschreiben, und wer bis hierher durchgehalten hat, den würde es vielleicht auch interessieren, aber das würde dann vielleicht den Rahmen des Ganzen doch etwas sprengen. Mir ist bewußt, daß das hier Geschriebene extrem subjektiv ist, aber es ist nunmal ein Erfahrungsbericht, und was ist Erfahrung anderes als subjektives Erleben. Ich hoffe, ich konnte den ein oder anderen für das Land und die Leute interessieren oder wenigstens das ein oder andere Vorurteil beseitigen. Russland mag man - oder man mag es nicht. Ich persönlich glaube nicht, daß es für einen Westler noch etwas dazwischen gibt. Ich würde mich über jeden freuen, der sich eine eigene Meinung durch einen Aufenthalt außerhalb einer Touristengruppe macht, ich denke, es wäre es wert. Nicht zuletzt auch dafür wünsche ich alles Gute.
Alexander Levenetz,
alexander.levenetz@jurawelt.com