Examensnoten und deren Aussagekraft sind ein heißes Thema! Unbestritten beruht ein beträchtliches Maß der Endnote auf Glück, unbestritten sind Punktabweichungen von ein bis zwei Punkten nach oben oder unten rational nur schwer nachzuvollziehen. Dies beweist schon die hohe Anzahl von oft bis zu 30 % der korrigierten Examensarbeiten, bei welchen Erst- und Zweitkorrektor eine um zwei Punkte differierende Bewertung abgeben.
Ungeachtet dessen steht aber auch fest, dass die Note bei Juristen das entscheidende Kriterium ist. Fast ausnahmslos wird - wenn andere Kriterien wie eine gewisse soziale Mindestkompetenz auch erfüllt sind - ein Bewerber sowohl für ein Praktikum wie für den Referendarsplatz oder die spätere Stelle vor allem nach seiner Note bemessen. Unterschiede von Uni zu Uni oder Land zu Land werden hierbei in der Praxis - entgegen den vielbeschworenen Mythos vom "Bayern-Bonus" - kaum berücksichtigt. Dies liegt zum einen an der Zeitknappheit der Personalabteilungen, die sich „jedenfalls„ ab neun Punkten darauf verlassen, dass ein Jurist ein „guter„ Jurist sei. Zum anderen ist hierfür auch die Arbeitsmarktsituation verantwortlich: Unmengen an auch hervorragend ausgebildeten Juristen drängen in den Markt, und da schon die „Oberschicht„ sehr groß ist, lohnt sich bisweilen die Auswahl unter nur „guten„ Kandidaten kaum (so jedenfalls die Meinung von manchen Personalabteilungen). 9,0 Punkte einer "leichten" Uni wiegen für Personalbeteilungen meistens immer noch mehr als 8,0 einer "schweren" Uni.
Zu Unrecht wird dabei vergessen, dass die Examensnoten neben den persönlichen Fähigkeiten und der Tagesform vor allem von drei wesentlichen Punkten abhängen:
Zum einen ist hier die Stoffmenge an der jeweiligen Uni (Land) zu nennen. Ist (im zweiten Examen) Steuerrecht und Wasserrecht Pflicht und muss dieses zusätzlich zu dem anderen Stoff mit zusätzlichem Zeitaufwand kurz vor den Terminen nochmals wiederholt werden? Die Anforderungen an die Kadidaten schwanken hier beträchtlich.
Zum zweiten spielt die Art, ein Examen zu schreiben, eine große Rolle: Hausarbeit? Blockexamen? Freie Tage zwischen den Prüfungen? Ist bekannt, welche Fachgebiete abgeprüft werden oder nicht? Wie genau wird dies bekannt gegeben ("Zivilrecht" oder "Schwerpunkt materielles / prozessuales Zivilrecht")? Es gibt viele verschieden Arten von Examensprüfungen, die in Deutschland vollzogen werden, und nicht nur aufgrund persönlicher Präferenzen führen sie zu kaum vergleichbaren Ergebnissen, sondern auch da jede Art ganz andere Anforderungen stellt: Sei es die Bewältigung einer Klausur in Zeitknappheit, das wissenschaftliche Arbeiten bei einer Hausarbeit oder die Fähigkeit, alles auf einmal zu wissen (z.B. beim Blockexamen ohne Zwischentage) oder sich in kürzester Vorbereitungszeit wieder umfassend einzuarbeiten (z.B. beim Blockexamen mit Zwischentagen).
Zuletzt ist auch die seitens der Universitäten (Länder) präferierte Art der Notenverteilung äußerst relevant: Wieviel Prozent eines Jahrgangs sollten über 9,0 / 6,5 Punkten liegen? Hier bemühen sich die für die Prüfungen Verantwortlichen selbstverständlich, einen einigermaßen konstanten Schnitt über die Jahre zu halten; dies ist auch mehr als gerechtfertigt innerhalb einer Prüfungsregion, da nur so Chancengleichheit gewährleistet werden kann und die immer wieder unvermeidlich vorkommenden "besonders leichten" oder "besonders schweren" Klausuren ausgeglichen werden können. Die von Land zu Land unterschiedlichen Notenverteilungen erschweren aber eine Vergleichbarkeit von Bewerbern aus unterschiedlichen Bundesländern deutlich.
Das Dilemma, dass diese Kriterien von denjenigen, die einen Juristen als Bewerber sehen, nicht ausreichend beachtet werden, lässt sich hier leider nicht lösen (außer dem ständigen Appell an die Kultusminister, Universitäten und Justizprüfungsämter, hier für Harmonisierung zu sorgen). Panikmache, auch bei schlechteren Noten, ist nicht angebracht. Wohl aber Verärgerung über die unterschiedlichen Systeme, obwohl bei vielen Bewerbungen doch wieder alle Ausbildungen gleich behandelt werden.
Zumindest aber hinsichtlich der prozentualen Verteilung von Noten lässt sich Dank des Bundesjustizministeriums für etwas Aufklärung sorgen: Jurawelt wurde freundlicherweise die
Examensstatistik zur Verfügung gestellt, die sich
hier als pdf-Tabelle findet (Angaben ohne Gewähr).
So lassen sich die Noten und Leistungen der Kandidaten etwas genauer vergleichen und eine realistischere Einschätzung der juristischen Fachqualifikation wird möglich, wenngleich die unterschiedlichen Stoffmengen und prozentualen Verteilungen immer noch keine Berücksichtigung finden. Und inwieweit die Note dann letztlich die Qualifikation für einen Anwalts- oder Richterberuf ausmacht, ist sicherlich nochmals unter ganz anderen Kriterien zu beurteilen.
Bleibt zuletzt der etwas zynische, aber wahre Satz: Auch die Wahl des Ausbildungsortes ist eine Frage der Intelligenz! Zwar ist niemand „dumm„, der in ein „schweres„ Bundesland geht, aber man sollte Für und Wider eines Ausbildungsortes ausführlich gegeneinander Abwägen und berücksichtigen, dass in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation ein „schweres„ Examen ein Notendefizit nur in den seltensten Fällen aufwiegen kann.