Sexualstrafrecht in der Praxis – Grundlagen, Verteidigungsstrategien und Herausforderungen

Das Sexualstrafrecht zählt zu den sensibelsten und zugleich komplexesten Bereichen des deutschen Strafrechts. Die Bandbreite reicht von sexueller Belästigung über Vergewaltigung bis hin zu schwerwiegenden Vorwürfen wie dem sexuellen Missbrauch von Kindern. Für Beschuldigte kann ein Ermittlungsverfahren existenzielle Folgen haben – unabhängig vom späteren Ausgang des Verfahrens. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, typische Verteidigungsstrategien sowie aktuelle Herausforderungen in der praktischen Anwendung des Sexualstrafrechts. Zudem wird die besondere Rolle des Fachanwalts für Strafrecht bei der Verteidigung in Sexualstrafsachen erläutert.

Straftatbestände des Sexualstrafrechts im Überblick – Eine juristische Einordnung

Das Sexualstrafrecht beschreibt solche Straftaten, durch die die sexuelle Selbstbestimmung angegriffen wird. Dazu gehören zum Beispiel Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Belästigung, ebenso das Herstellen oder Verbreiten von Kinderpornografie oder der sexuelle Missbrauch von Kindern oder der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen.

Die sexuelle Selbstbestimmung beschreibt die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, ob, wann wie und mit wem man sexuell interagiert, sexuelle Kontakte oder sexuelle Handlungen eingeht.

Die Rolle der Aussage gegen Aussage im Sexualstrafverfahren

Gerade in Sexualstrafverfahren spielen Aussage gegen Aussage Konstellationen eine wichtige Rolle. Eine Aussage gegen Aussage Konstellation liegt vor, wenn außer der belastenden Zeugenaussage des (vermeintlichen) Opfers der Tat keine weiteren Beweise vorliegen. Wichtig: Dieser Beweis kann für eine Verurteilung wegen eines Sexualdelikts genügen. Wer also von seiner Ex-Freundin der Vergewaltigung beschuldigt wird und dies abstreitet, kann wegen Vergewaltigung verurteilt werden, auch wenn außer der Aussage keine weiteren Beweise vorliegen.

Gerade in Sexualstrafverfahren spielen Aussage gegen Aussage Konstellationen eine wichtige Rolle. Eine Aussage gegen Aussage Konstellation liegt vor, wenn außer der belastenden Zeugenaussage des (vermeintlichen) Opfers der Tat keine weiteren Beweise vorliegen.

Wichtig: Dieser Beweis kann für eine Verurteilung wegen eines Sexualdelikts genügen. Wer also von seiner Ex-Freundin der Vergewaltigung beschuldigt wird und dies abstreitet, kann wegen Vergewaltigung verurteilt werden, auch wenn außer der Aussage keine weiteren Beweise vorliegen.

Aussage gegen Aussage Konstellationen sind besonders „tricky“ und aus Sicht der Verteidigung ist Sorgfalt und gut durchdachtes Vorgehen erforderlich. Neben juristischen Aspekten spielen hier nämlich aussagepsychologische Faktoren eine bzw. gerade die entscheidende Rolle. Die Rechtsprechung hat hier Grundsätze entwickelt, die es zu beachten gilt bei Beantwortung der Kernfrage: Wem glaubt man?

Mann ergreift Handgelenk von Frau

Falschbeschuldigungen im Sexualstrafrecht: Risiken und Verteidigungsmöglichkeiten

Ganz besonders im Sexualstrafrecht besteht das Risiko einer Falschbeschuldigung und schneller als man denken mag, kann man Beschuldigter beispielsweise einer sexuellen Belästigung oder gar einer Vergewaltigung sein.

Sexualstrafverfahren sind in besonderem Maße durch subjektive Aussagen und fehlende objektive Beweise geprägt. In vielen Fällen gibt es keine Zeugen außer dem (vermeintlichen) Opfer, keine Videoaufnahmen oder andere externe Beweismittel – stattdessen steht es häufig „Aussage gegen Aussage“. Bereits diese ungünstige Beweislage erschwert die Aufklärung und begünstigt eine missbräuchliche Instrumentalisierung des Strafrechts.

Auch ist gerade das Sexualstrafrecht ganz besonders von Emotionalität geprägt: Rachegedanken und Eifersucht können das Erheben eines sexualstrafrechtlichen Vorwurfs begünstigen.

Selbstverständlich ist nicht jeder Vorwurf einer Sexualstraftat eine Falschbeschuldigung. Allerdings muss bei der Bewertung eines sexualstrafrechtlichen Vorwurfs stets im Blick behalten werden, dass dieser Bereich anfällig für falsche Beschuldigungen ist.

Umso wichtiger ist direkt von Beginn des Strafverfahrens an eine versierte Strafverteidigung. Eine genaue Rekonstruktion des Geschehens anhand der vorhandenen Beweismittel, auch das Einholen und die Analyse eines aussagepsychologischen Gutachtens können falsche Beschuldigen enttarnen. Wie genau vorzugehen ist, hängt natürlich von den konkreten Umständen des Falles ab.

Rechte von Beschuldigten im Ermittlungsverfahren

Die beiden wohl wichtigsten Rechte eines Beschuldigten einer Sexualstraftat sind wohl sein Schweigerecht und das Recht auf anwaltlichen Beistand.

Es ist ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht, dass niemand dazu verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Auch im Sexualstrafrecht hat der Beschuldigte ein Schweigerecht. Der Staat ist dazu verpflichtet nachzuweisen, dass der Beschuldigte die Straftat begangen hat, nicht der Beschuldigte ist dazu verpflichtet, seine Unschuld zu beweisen. Daraus darf aber nicht so einfach die Schlussfolgerung gezogen werden, dass wenn man davon ausgeht, unschuldig zu sein, man sich entspannt zurücklehnen kann.

Es spielen viele Faktoren eine Rolle und am Ende gilt: Weder Staatsanwaltschaft noch Gericht waren bei Begehung der (vermeintlichen) Straftat dabei und dementsprechend entscheidet die Beweislage. Und die kann unter Umständen auch eine eigentlich unschuldige Person belasten. Hier kommt das Recht auf anwaltlichen Beistand ins Spiel. Der Strafverteidiger erarbeitet eine Verteidigungsstrategie, um die Rechte des Beschuldigten zu schützen und im Rahmen des rechtlich Möglichen das Beste für den Beschuldigten „herauszuholen“. Dazu gehört auch, dass die Verteidigung darauf achtet, dass alle Beweise sowie Indizienbeweise rechtmäßig erhoben und auch für den Beschuldigten sprechende Umstände hinreichend berücksichtigt werden.

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Pflichtverteidigung im Sexualstrafrecht

Ein häufig verbreiteter Irrtum: Pflichtverteidigung ist für Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können. Falsch! Die Frage, ob einer Person ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, hat nichts mit den Einkommensverhältnissen des Beschuldigten zu tun.

Vielmehr kommt es im Wesentlichen auf den Vorwurf und oder die Verfahrenskonstellation an. Ein Fall der Pflichtverteidigung sind beispielsweise besonders schwere Straftaten, genauer: Verbrechen (es droht mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe, vgl. Unterschied Vergehen und Verbrechen).  Aber auch wenn dem Vorwurf ein besonders komplizierter Sachverhalt zugrunde liegt, kann ein Fall der Pflichtverteidigung vorliegen.

Merke: Ob eine Pflichtverteidigung im Sexualstrafrecht in Betracht kommt, hängt nicht von den Einkommensverhältnissen, sondern vor allem von der Verfahrenssituation ab.

Fazit: Komplexität, Verteidigung und Bedeutung anwaltlicher Beratung

Das Sexualstrafrecht stellt nicht nur aufgrund der besonders sensiblen Materie, sondern auch wegen der häufig schwierigen Beweislage und weitreichenden strafrechtlichen Folgen eine hochkomplexe Materie dar. Die Verteidigung in Sexualstrafsachen erfordert daher besondere juristische Expertise, taktisches Feingefühl und ein vertieftes Verständnis für Aussagepsychologie sowie Verfahrensstrategien.

Gerade in Verfahren, die durch eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation geprägt sind oder bei denen der öffentliche Druck groß ist, kommt der frühzeitigen Einschaltung eines im Strafrecht spezialisierten Anwalts für Sexualdelikte eine zentrale Bedeutung zu. Eine professionelle Verteidigung kann maßgeblich dazu beitragen, Verfahrensfehler zu vermeiden, Rechte des Beschuldigten zu sichern und die Verfahrensentwicklung entscheidend zu beeinflussen.

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Rechtsanwalt Benjamin Grunst

Fachanwalt für Strafrecht

Rechtsanwalt Benjamin Grunst

Benjamin Grunst ist Gründer der Kanzlei Grunst Rechtsanwälte in Berlin und bundesweit als Strafverteidiger tätig – mit besonderem Schwerpunkt im Sexualstrafrecht.

Er vertritt Mandanten in Verfahren wegen sexueller Nötigung, Vergewaltigung oder Missbrauch und kombiniert juristische Expertise mit taktischem Feingefühl und aussagepsychologischem Know-how.