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Die Vertretungsmacht durch Vollmacht – Arten, Wirksamkeit, Erteilung, Beendigung

Die Vollmacht ist als rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ein zentrales Element des Zivilrechts, das die rechtliche Befugnis einer Person (des Bevollmächtigten) begründet, im Namen und auf Rechnung einer anderen Person (des Vollmachtgebers) Rechtshandlungen vorzunehmen. Diese Rechtsfigur ist in den §§ 164 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt und spielt eine wesentliche Rolle in der Gestaltung des Rechtsverkehrs, insbesondere im Bereich der Stellvertretung.

I. Grundlagen der Vollmacht

1. Rechtsnatur

Die Vollmacht stellt eine rechtsgeschäftliche Befugnis dar, die einer Person (dem Bevollmächtigten) von einer anderen Person (dem Vollmachtgeber) erteilt wird, um in deren Namen Rechtshandlungen vorzunehmen. Juristisch wird die Vollmacht als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung qualifiziert, die nicht notwendigerweise der Zustimmung des Bevollmächtigten bedarf, um wirksam zu werden. Die Einordnung als einseitiges Rechtsgeschäft ist essenziell für das Verständnis ihrer Funktionsweise und ihrer Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren wie dem Vertrag.

 

2. Zweck und Funktion

Der primäre Zweck der Vollmacht liegt in der Erweiterung der Handlungsfähigkeit des Vollmachtgebers durch die Möglichkeit, sich durch andere Personen im Rechtsverkehr vertreten zu lassen. Dies dient der Effizienzsteigerung und Flexibilität im geschäftlichen wie auch im privaten Bereich. Durch die Erteilung einer Vollmacht kann der Vollmachtgeber seine rechtlichen und geschäftlichen Interessen durch Dritte wahrnehmen lassen, was insbesondere bei Abwesenheit, Zeitmangel oder mangelndem spezifischen Know-how von Vorteil ist.

 

3. Wesentliche Merkmale und Inhalte

Die Vollmacht wird durch die Intention des Vollmachtgebers und den Inhalt der Erklärung definiert, die den Umfang und die Grenzen der Vertretungsbefugnis festlegen. Der Umfang kann von sehr spezifischen Einzelvollmachten, die nur für bestimmte Rechtshandlungen gelten, bis hin zu umfassenden Generalvollmachten reichen, die eine Vertretungsmacht in allen rechtlich zulässigen Angelegenheiten erlauben. Die Präzision in der Bestimmung des Umfangs einer Vollmacht ist entscheidend, um Missverständnisse und rechtliche Unklarheiten im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis zu vermeiden.

 

4. Keine Formbedürftigkeit

Obwohl Vollmachten grundsätzlich formfrei erteilt werden können, schreibt das Gesetz in bestimmten Fällen eine spezielle Form vor, etwa bei der Prokura nach § 48 HGB. Die Wahl der Form kann sowohl den Zweck der Beweissicherung verfolgen als auch gesetzliche Anforderungen erfüllen. In der Praxis ist die Ausstellung einer Vollmachtsurkunde, obwohl nicht immer zwingend erforderlich, ein verbreitetes Mittel zur Dokumentation und Bestätigung der Erteilung einer Vollmacht.

 

II. Wie kann eine Vollmacht erteilt werden und welche Arten der Vollmacht lassen sich unterscheiden?

Die Erteilung einer Vollmacht sowie ihre verschiedenen Arten stellen wichtige Säulen im Rahmen der rechtlichen Vertretungsbefugnisse dar. Diese Elemente ermöglichen eine differenzierte und situationsgerechte Anwendung im Rechtsverkehr, wobei die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen des Vollmachtgebers berücksichtigt werden können.

 

1. Erteilung der Vollmacht

Die Vollmacht wird durch eine Willenserklärung des Vollmachtgebers erteilt, die grundsätzlich keiner Form bedarf und somit mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann. Jedoch gibt es Ausnahmen, bei denen die Vollmachtserklärung einer bestimmten Form bedarf, um wirksam zu sein, wie z.B. bei der Erteilung einer Grundstücksvollmacht, die der notariellen Beurkundung bedarf.

  • Innenvollmacht: Die Erklärung der Vollmacht erfolgt direkt gegenüber dem Bevollmächtigten, § 167 Absatz 1 Variante 1 BGB. Der Bevollmächtigte weiß um seine Befugnisse, jedoch ist Dritten gegenüber nicht notwendigerweise ersichtlich, dass und in welchem Umfang eine Vollmacht erteilt wurde.
  • Außenvollmacht: Hierbei wird die Vollmachterteilung gegenüber Dritten erklärt, mit denen der Bevollmächtigte in Kontakt treten wird, § 167 Absatz 1 Variante 2 BGB. Diese Form bietet Dritten eine größere Sicherheit bezüglich der Existenz und des Umfangs der Vertretungsbefugnis.

 

2. Arten der Vollmacht

Die Vielfalt der Vollmachten ermöglicht eine flexible Handhabung der Vertretungsbefugnisse, je nach Bedürfnis des Vollmachtgebers und der spezifischen Situation.

Spezial-, Gattungs- und Generalvollmacht:

  • Spezialvollmacht: Ermächtigung zu einem einzigen, genau bestimmten Rechtsgeschäft. Diese Art ist eng begrenzt und präzisiert den Handlungsspielraum des Bevollmächtigten sehr genau.
  • Gattungsvollmacht: Berechtigung zum Abschluss einer bestimmten Art von Geschäften. Diese Vollmacht ist weiter gefasst als die Spezialvollmacht, setzt jedoch Grenzen durch die Beschränkung auf eine Gattung von Rechtsgeschäften.
  • Generalvollmacht: Umfasst nahezu alle denkbaren Rechtsgeschäfte und rechtlichen Handlungen, die der Vollmachtgeber selbst vornehmen könnte. Diese Form der Vollmacht erteilt weitreichende Befugnisse.

Einzel- und Gesamtvollmacht:

  • Einzelvollmacht: Befugnis wird an eine einzelne Person erteilt, die eigenständig handeln kann.
  • Gesamtvollmacht: Mehrere Personen werden gemeinsam bevollmächtigt, wobei sie nur gemeinschaftlich handeln dürfen. Diese Form wird oft gewählt, um durch das Erfordernis gemeinschaftlichen Handelns das Risiko fehlerhafter oder nachteiliger Geschäfte zu minimieren.

Haupt- und Untervollmacht:

  • Hauptvollmacht: Vom Vollmachtgeber direkt erteilte Vollmacht an den Bevollmächtigten.
  • Untervollmacht: Vom ursprünglich Bevollmächtigten weiter erteilte Vollmacht an einen Dritten, um bestimmte Aufgaben oder Geschäfte zu erledigen. Die Zulässigkeit der Erteilung einer Untervollmacht muss in der Hauptvollmacht vorgesehen sein oder nachträglich genehmigt werden.

 

III. Wirksamkeit und Grenzen der Vollmacht

1. Wirksamkeit im Außen- und Innenverhältnis

  • Außenverhältnis: Bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem Bevollmächtigten und Dritten. Die Wirksamkeit der Vollmacht im Außenverhältnis ist grundsätzlich unabhängig von der Gültigkeit des Grundverhältnisses, welches im Innenverhältnis besteht. Dies bedeutet, dass selbst wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem unwirksam sein sollte, die im Namen des Vollmachtgebers getätigten Rechtsgeschäfte gegenüber Dritten wirksam bleiben können.
  • Innenverhältnis: Bezeichnet die rechtliche Beziehung zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem. Hier werden die Befugnisse und Grenzen des Bevollmächtigten festgelegt. Das Innenverhältnis regelt, in welchem Umfang und für welche Geschäfte der Bevollmächtigte tätig werden darf.

 

2. Abstraktheit der Vollmacht

Die Vollmacht genießt eine gewisse Abstraktheit, da ihre Wirksamkeit nicht unmittelbar von der des Grundverhältnisses abhängt. Diese Abstraktheit dient dem Schutz des Rechtsverkehrs und der Sicherstellung, dass Dritte auf die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten vertrauen können, ohne das zugrunde liegende Rechtsverhältnis überprüfen zu müssen.

 

3. Grenzen der Vollmacht

Die Grenzen einer Vollmacht sind durch den erteilten Umfang und die Bestimmungen des Innenverhältnisses festgelegt. Überschreitet der Bevollmächtigte diese Grenzen, handelt er ohne Vertretungsmacht (ultra vires), was zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts gegenüber dem Vollmachtgeber führen kann, sofern dieser das Geschäft nicht nachträglich genehmigt.

  • Genehmigung: Der Vollmachtgeber hat die Möglichkeit, ein ohne oder über die Vertretungsmacht hinausgehendes Rechtsgeschäft nachträglich zu genehmigen, wodurch es rückwirkend wirksam wird, § 177 Absatz 1 BGB.

 

4. Offenkundigkeitsprinzip

Das Handeln im fremden Namen muss für den Dritten erkennbar sein (Offenkundigkeitsprinzip gem. § 164 Absatz 1 BGB), damit die Willenserklärung dem Vollmachtgeber zugerechnet werden kann. Die Nichtbeachtung dieses Prinzips kann die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beeinträchtigen, da das Handeln des Stellvertreters nicht mehr dem Vollmachtgeber zurechenbar ist.

 

5. Missbrauch der Vollmacht

Ein Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Bevollmächtigten liegt vor, wenn dieser im Wissen um die Überschreitung seiner Befugnisse handelt, insbesondere wenn er gegen die Interessen des Vollmachtgebers verstößt. Der Schutz des Vollmachtgebers in solchen Fällen hängt von den Umständen ab, insbesondere davon, ob der Missbrauch für den Dritten erkennbar war.

 

IV. Erlöschen der Vollmacht

Das Erlöschen der Vertretungsmacht kann durch verschiedene Umstände bedingt sein, darunter:

  • Beendigung des Grundverhältnisses: Die Vollmacht erlischt grundsätzlich mit der Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (Grundverhältnis), zum Beispiel eines Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrages. Dies ist in § 168 Satz 1 BGB festgelegt. Das bedeutet, dass wenn der primäre Rechtsgrund für die Erteilung der Vollmacht wegfällt, sie auch sodann nicht mehr besteht.
  • Widerruf der Vollmacht: Der Vollmachtgeber hat das Recht, die Vollmacht jederzeit zu widerrufen, sofern nicht eine unwiderrufliche Vollmacht vereinbart wurde. Dieser Widerruf bedarf keiner besonderen Form und wird wirksam, sobald er dem Bevollmächtigten oder dem Dritten, gegenüber dem die Vollmacht bestehen soll, zugeht (§ 168 Satz 2 BGB).
  • Zeitablauf: Wenn eine Vollmacht für eine bestimmte Zeit erteilt wurde, erlischt sie automatisch mit dem Ablauf dieser Frist. Dies muss explizit bei der Vollmachtserteilung festgelegt werden.
  • Zweckerreichung oder Geschäftserledigung: Eine auf bestimmte Geschäfte oder einen spezifischen Zweck ausgerichtete Vollmacht endet mit der Erreichung dieses Zwecks oder der Erledigung dieser Geschäfte.
  • Tod oder Geschäftsunfähigkeit: 
    • Tod des Vollmachtgebers: Traditionell führt der Tod des Vollmachtgebers zum Erlöschen der Vollmacht. Jedoch gibt es Ausnahmen, wie die postmortale Vollmacht, die gerade für den Fall des Todes erteilt wird und darüber hinaus wirksam bleibt.
    • Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers oder Bevollmächtigten: Im Grundsatz führt auch die Geschäftsunfähigkeit zum Erlöschen der Vollmacht. Zu beachten ist allerdings, dass dies nicht automatisch gilt, insbesondere wenn sie dazu dient, die Interessen der geschäftsunfähigen Person zu schützen.
  • Rückgabe oder Vernichtung der Vollmachtsurkunde: Wenn eine Vollmachtsurkunde ausgestellt wurde, kann das Erlöschen der Vollmacht auch durch Rückgabe oder Vernichtung dieser Urkunde herbeigeführt werden, insbesondere wenn dies so vereinbart wurde.
  • Widerruf durch Dritte: In besonderen Fällen kann auch ein Dritter unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein, die Vollmacht zu widerrufen, etwa wenn er vom Vollmachtgeber dazu ermächtigt wurde oder im Falle bestimmter gesetzlicher Vertretungsverhältnisse.

 

V. Duldungs- und Anscheinsvollmacht

Die Konzepte der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sind Arten der Vertretungsmacht und schützen den gutgläubigen Rechtsverkehr und basieren auf dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie der Verkehrssicherheit.

 

1. Was ist eine Duldungsvollmacht?

Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vollmachtgeber das Handeln einer Person, die ohne formelle Vollmacht in seinem Namen Geschäfte tätigt, bewusst duldet und nichts dagegen unternimmt, obwohl er davon Kenntnis hat. Die Duldung führt dazu, dass Dritte im guten Glauben davon ausgehen dürfen, dass eine Vertretungsbefugnis besteht.

Voraussetzungen:

  • Kenntnis des Vollmachtgebers von der Vertretung ohne Vollmacht
  • Unterlassen von Maßnahmen gegen diese Praxis trotz der Möglichkeit, dagegen einzuschreiten
  • Gutgläubigkeit des Dritten hinsichtlich der Vertretungsmacht

Die Duldungsvollmacht entsteht somit durch ein passives Verhalten des Vollmachtgebers, welches beim Dritten den Eindruck einer Vertretungsbefugnis erweckt.

 

2. Was ist eine Anscheinsvollmacht?

Die Anscheinsvollmacht betrifft die Fälle, in denen der Vollmachtgeber keine Kenntnis vom Handeln der Person hat, die ohne formelle Vollmacht in seinem Namen agiert, aber bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Der gutgläubige Dritte darf aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes darauf vertrauen, dass eine Bevollmächtigung vorliegt.

Voraussetzungen:

  • Unkenntnis des Vollmachtgebers vom Handeln des Vertreters ohne Vollmacht
  • Fahrlässiges Nichterkennen dieser Praxis durch den Vollmachtgeber
  • Gutgläubigkeit des Dritten in Bezug auf die Vertretungsbefugnis

Die Anscheinsvollmacht basiert somit auf einem objektiven Schein der Vertretungsbefugnis, der durch das Verhalten des Vollmachtgebers zustande kommt.

 

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Beide Vollmachtsarten beruhen auf dem Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs. Sie unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf die Kenntnis des Vollmachtgebers. Während die Duldungsvollmacht ein bewusstes Dulden voraussetzt, gründet die Anscheinsvollmacht auf Unkenntnis und fahrlässigem Nichterkennen der Vertretung ohne Vertretungsmacht.

 

4. Rechtsfolgen

In beiden Fällen wird der Dritte geschützt, indem die Handlungen des vermeintlichen Bevollmächtigten dem Vollmachtgeber zugerechnet werden, solange der Dritte gutgläubig ist und keine Kenntnis von der fehlenden Vertretungsmacht hat. Dies bedeutet, dass die durch den Bevollmächtigten abgeschlossenen Geschäfte wirksam sind, als hätte eine formelle Vollmacht bestanden.

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