Der Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB stellt ein Vermögensdelikt im weiteren Sinne dar, welches den Schutz des Eigentums zum Ziel hat und besonders im Kontext von rechtswidrigen Zueignungshandlungen relevant wird. Im Strafrecht dient diese Norm als Auffangtatbestand, der insbesondere dann zur Anwendung kommt, wenn schwerwiegendere Delikte nicht erfüllt sind. Der besondere Charakter der Unterschlagung liegt darin, dass sie im Gegensatz zum Diebstahl keine Zueignungsabsicht, sondern eine tatsächliche Zueignung der fremden Sache voraussetzt. Dies bedeutet, dass der Täter die Sache bereits in Besitz haben muss und sich diese dann rechtswidrig aneignet, ohne dass ein Gewahrsamsbruch wie beim Diebstahl erforderlich ist.
In diesem Beitrag wird der Begriff der Unterschlagung umfassend erläutert, einschließlich des strukturierten Prüfungsschemas, das in der juristischen Praxis Anwendung findet. Es werden relevante Rechtsbegriffe und Beispiele dargestellt, um ein tiefgehendes Verständnis der Materie zu vermitteln.
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Der Straftatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB ist ein Auffangtatbestand (§ 246 Absatz 1 a.E. StGB), der im Strafrecht und der Klausurenpraxis eine wichtige Rolle spielt. Auffangtatbestände sind dafür gedacht, strafwürdige Verhaltensweisen zu erfassen, die von spezifischeren und schwerer bestraften Normen (sog. leges speciales) nicht abgedeckt werden. iese Subsidiarität bezieht sich ausschließlich auf dieselbe Tat, also auf dieselbe Handlung oder dasselbe Unterlassen. Im Prüfungsprozess wird daher zunächst überprüft, ob Delikte wie Diebstahl (§ 242 StGB), Raub (§ 249 StGB), Erpressung (§ 253 StGB), Betrug (§ 263 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) einschlägig sind. Ist dies der Fall, so tritt die Unterschlagung nach § 246 StGB zurück.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Diebstahl und Unterschlagung liegt in der Tathandlung und dem Zeitpunkt, zu dem die Zueignung erfolgt.
Zusammengefasst:
Diebstahl:
Unterschlagung:
Das geschützte Rechtsgut bei der Unterschlagung ist das Eigentum. Der Eigentumsschutz im Strafrecht soll verhindern, dass jemand unrechtmäßig Besitz oder Verfügungsgewalt über fremde bewegliche Sachen erlangt. Die Unterschlagung ist daher auf Fälle zugeschnitten, in denen der Täter bereits im Besitz der Sache ist und diesen Besitz in eigentümerähnlicher Weise ausübt.
Da die Unterschlagung ein Auffangtatbestand ist, findet sie in der Praxis vor allem dann Anwendung, wenn andere Eigentumsdelikte nicht einschlägig sind. Typische Anwendungsfälle sind:
Besonders zu beachten sind die Strafantragsregelungen in den §§ 247 und 248a StGB, die auch auf die Unterschlagung anwendbar sind. Dies bedeutet, dass in bestimmten Fällen ein Strafantrag erforderlich ist, um die Strafverfolgung in Gang zu setzen. So ist bei der Unterschlagung unter Angehörigen oder bei geringwertigen Sachen ein Strafantrag notwendig, sofern kein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
Die Grundform der Unterschlagung ist in § 246 Abs. 1 StGB geregelt. Eine Qualifikation, also eine verschärfte Form der Unterschlagung, ist in § 246 Absatz 2 StGB normiert. Diese greift, wenn die Sache dem Täter anvertraut wurde. Anvertraut sind Sachen, die der Täter vom Eigentümer oder einem Dritten mit der Verpflichtung erhalten hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder zurückzugeben. Das Anvertrautsein ist ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Absatz 2 StGB, wodurch auch Teilnehmer nur dann nach § 246 Absatz 2 StGB strafbar sind, wenn ihnen die Sache anvertraut war.
Das Prüfungsschema der Unterschlagung nach § 246 StGB erfolgt in der juristischen (Klausuren-) Praxis anhand eines detaillierten und strukturierten Schemas. Im Folgenden wird das Prüfungsschema der Unterschlagung detailliert erläutert.
1. Tatbestand
a) Objektiver Tatbestand
aa) Tatobjekt: Fremde bewegliche Sache
Der objektive Tatbestand der Unterschlagung setzt zunächst voraus, dass es sich bei dem Tatobjekt um eine fremde bewegliche Sache handelt.
bb) Sich oder einem Dritten zueignen
Die Tathandlung der Unterschlagung besteht darin, dass der Täter sich oder einem Dritten die fremde Sache zueignet. Dies umfasst folgende Aspekte:
Die Zueignung muss sich nach außen hin manifestieren, das heißt, es muss eine objektiv erkennbare Handlung vorliegen, die den Willen des Täters zur dauerhaften Enteignung des Eigentümers und zur Aneignung der Sache zeigt.
cc) Rechtswidrigkeit der Zueignung
Die Zueignung ist rechtswidrig, wenn sie gegen die dingliche Rechtslage verstößt und der Täter keinen fälligen und einredefreien Übereignungsanspruch hat. Dies bedeutet, dass der Täter die Sache ohne rechtlichen Grund, wie z.B. ein Kauf- oder Schenkungsvertrag, behält.
dd) Qualifikation: § 246 II StGB
Eine Qualifikation der Unterschlagung liegt vor, wenn die Sache dem Täter anvertraut wurde. Anvertraut sind solche Sachen, die der Täter vom Eigentümer oder einem Dritten mit der Verpflichtung erhalten hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder zurückzugeben. Beispiele für anvertraute Sachen sind:
ee) Kausalität und objektive Zurechnung
b) Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale. Der Täter muss also wissen und wollen, dass er sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zueignet (vgl. § 15 StGB). Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) reicht aus, das heißt, der Täter muss es zumindest billigend in Kauf nehmen, dass er die Sache rechtswidrig zueignet.
2. Rechtswidrigkeit
Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit durch das Vorliegen des Tatbestandes indiziert (Merksatz: “Der Tatbestand indiziert die Rechtswidrigkeit.”). Es gelten insofern die allgemeinen Regeln über Rechtfertigungselemente aus dem Strafrecht AT. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit wird daher auch geprüft, ob allgemeine Rechtfertigungsgründe vorliegen, die die Tat rechtfertigen könnten, wenn solche Rechtfertigungsgründe (im Sachverhalt) ersichtlich sind. Hierzu gehören insbesondere:
Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, ist die Tat trotz Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands nicht rechtswidrig.
3. Schuld
Im Prüfungspunkt Schuld wird untersucht, ob dem Täter die Tat persönlich vorwerfbar ist. Hierbei werden allgemeine Entschuldigungsgründe berücksichtigt, die die individuelle Strafbarkeit des Täters ausschließen könnten. Zu den Entschuldigungsgründen zählen unter anderem:
4. Strafantrag
Bei der Unterschlagung geringwertiger Sachen sowie bei Haus- und Familiendiebstahl ist gemäß §§ 247 und 248a StGB ein Strafantrag erforderlich. Das bedeutet, dass die Strafverfolgung nur auf Antrag des Geschädigten erfolgt, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde sieht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.
5. Ergebnis
Nach der Prüfung aller Tatbestandsmerkmale, der Rechtswidrigkeit und der Schuld wird das Ergebnis der strafrechtlichen Bewertung festgehalten. Das Ergebnis umfasst:
Um die Anwendung des Prüfungsschemas der Unterschlagung gemäß § 246 StGB zu verdeutlichen, werden im Folgenden verschiedene Beispiele aufgeführt.
A übergibt B 5000 € zum Erwerb von Psilocybin-Pilzen. B setzt sich mit diesem Geld nach Bali ab.
Analyse:
In diesem Fall erfüllt B den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 2 StGB.
A leiht sich die Luxusuhr von B aus, um bei seinen Freunden anzugeben. Als B die Uhr wiederhaben will, hat sich A mit der Uhr ins Ausland abgesetzt.
Analyse:
Hier erfüllt A den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 2 StGB.
Jemand verleiht zur Klausurvorbereitung ein Fachbuch für den juristischen Gutachtenstil, das der Entleiher anschließend vergisst, zurückzugeben. Nachdem es einige Monate auf dem Schreibtisch des Entleihers gelegen hat, stellt er es in sein eigenes Bücherregal mit der Absicht, es zu behalten.
Analyse:
In diesem Fall erfüllst du den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 2 StGB.
Ein Passant findest eine teure Armbanduhr auf der Straße und nimmt sie mit, ohne den Fund anzuzeigen oder den Eigentümer zu benachrichtigen.
Analyse:
In diesem Fall erfüllst du den Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 1 StGB.
Die Manifestation des Zueignungswillens ist ein zentraler Punkt bei der Beurteilung der Unterschlagung. Damit die Zueignungshandlung strafrechtlich relevant wird, muss der Zueignungswille des Täters nach außen hin erkennbar sein (sog. Mainfestationstheorie). Es gibt verschiedene Theorien zur Bestimmung, wann und wie sich dieser Wille manifestieren muss.
Weite Manifestationstheorie: Die weite Manifestationstheorie verlangt, dass das Aneignungselement zutage tritt und das Enteignungselement nicht ausgeschlossen erscheint. Dies bedeutet, dass jede Handlung, die auf den Willen zur Aneignung hinweist, ausreichen kann, selbst wenn die Enteignung des ursprünglichen Eigentümers nicht vollständig abgeschlossen ist.
Beispiel: Ein Täter findet eine Geldbörse und steckt sie in seine Tasche. Nach der weiten Manifestationstheorie genügt bereits diese Handlung, um den Zueignungswillen zu manifestieren, da das Aneignungselement deutlich wird und die Enteignung des Eigentümers zumindest nicht ausgeschlossen erscheint.
Enge Manifestationstheorie: Die enge Manifestationstheorie, die von der herrschenden Meinung vertreten wird, verlangt objektive Handlungen, aus denen ein besonnener, das äußere Gesamtgeschehen überblickender Beobachter den sicheren Schluss ziehen kann, dass der Täter die Sache dauerhaft aneignen will. Diese Theorie ist strenger und lässt weniger Handlungsspielraum.
Beispiel: Ein Täter hebt eine gefundene Geldbörse auf und trägt sie offen mit sich, während er nach dem Eigentümer sucht. Hier würde die enge Manifestationstheorie verlangen, dass der Täter eine eindeutig aneignende Handlung vornimmt, etwa die Börse zu Hause zu verstecken, um den Zueignungswillen klar zu manifestieren.
Ein besonderer Streitstand ist, ob unbestellt zugesandte Ware im Sinne des § 241a Absatz 1 BGB ein taugliches Tatobjekt der Unterschlagung darstellen kann. § 241a Absatz 1 BGB regelt, dass der Empfänger unbestellt zugesandter Waren nicht zur Aufbewahrung oder Rücksendung verpflichtet ist.
Die herrschende Meinung verneint, dass unbestellte Ware ein taugliches Tatobjekt der Unterschlagung sein kann, weil der Empfänger gemäß § 241a Absatz 1 BGB nicht zur Rücksendung verpflichtet ist und daher keine fremde Sache im strafrechtlichen Sinne vorliegt.
Rechtfertigungsgrund: Nach der herrschenden Meinung kann § 241a Absatz 1 BGB zudem die Wirkung eines Rechtfertigungsgrundes entfalten. Das bedeutet, selbst wenn eine unbestellte Ware als fremde bewegliche Sache betrachtet würde, wäre der Empfänger durch § 241a Absatz 1 BGB gerechtfertigt, die Ware zu behalten, sofern keine Ausnahmen nach § 241a Absatz 2 BGB vorliegen.
Beispiel: Ein Verbraucher erhält ohne Bestellung ein Buch per Post und behält es. Hier liegt keine strafbare Unterschlagung vor, da § 241a Absatz 1 BGB als Rechtfertigungsgrund wirkt.
Ein weiterer umstrittener Punkt ist die Frage, ob eine bereits rechtswidrig zugeeignete Sache erneut Gegenstand einer Unterschlagung sein kann. Hierzu gibt es zwei Lösungsansätze: die Tatbestandslösung und die Konkurrenzlösung.
Tatbestandslösung: Nach der Tatbestandslösung stellt die Ausnutzung einer bereits geschaffenen Herrschaftsstellung keine erneute Zueignung dar. Diese Ansicht geht davon aus, dass durch die erstmalige rechtswidrige Zueignung bereits eine vollständige Aneignung erfolgt ist und daher keine erneute Unterschlagung möglich ist.
Beispiel: Ein Täter stiehlt eine Uhr und verkauft sie später weiter. Nach der Tatbestandslösung liegt keine erneute Unterschlagung vor, da die Herrschaft über die Uhr bereits durch den Diebstahl rechtswidrig erlangt wurde.
Konkurrenzlösung: Die Konkurrenzlösung bejaht die Möglichkeit einer erneuten Zueignung, jedoch tritt diese als mitbestrafte Nachtat zurück. Diese Ansicht lässt die erneute Zueignung zu, behandelt sie aber als eine Handlung, die im Rahmen des ursprünglichen Delikts mitbestraft wird, um eine unverhältnismäßige Strafverfolgung zu vermeiden.
Beispiel: Ein Täter stiehlt eine Uhr und verkauft sie später weiter. Nach der Konkurrenzlösung liegt eine erneute Unterschlagung vor, die jedoch als mitbestrafte Nachtat des ursprünglichen Diebstahls zurücktritt.
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