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Unterschlagung Schema – Unterschied Diebstahl / Unterschlagung, Subsidiarität, Beispiele, Manifestationstheorie

Der Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB stellt ein Vermögensdelikt im weiteren Sinne dar, welches den Schutz des Eigentums zum Ziel hat und besonders im Kontext von rechtswidrigen Zueignungshandlungen relevant wird. Im Strafrecht dient diese Norm als Auffangtatbestand, der insbesondere dann zur Anwendung kommt, wenn schwerwiegendere Delikte nicht erfüllt sind. Der besondere Charakter der Unterschlagung liegt darin, dass sie im Gegensatz zum Diebstahl keine Zueignungsabsicht, sondern eine tatsächliche Zueignung der fremden Sache voraussetzt. Dies bedeutet, dass der Täter die Sache bereits in Besitz haben muss und sich diese dann rechtswidrig aneignet, ohne dass ein Gewahrsamsbruch wie beim Diebstahl erforderlich ist.

In diesem Beitrag wird der Begriff der Unterschlagung umfassend erläutert, einschließlich des strukturierten Prüfungsschemas, das in der juristischen Praxis Anwendung findet. Es werden relevante Rechtsbegriffe und Beispiele dargestellt, um ein tiefgehendes Verständnis der Materie zu vermitteln.

I. Was bedeutet Unterschlagung?

Der Straftatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB ist ein Auffangtatbestand (§ 246 Absatz 1 a.E. StGB), der im Strafrecht und der Klausurenpraxis eine wichtige Rolle spielt. Auffangtatbestände sind dafür gedacht, strafwürdige Verhaltensweisen zu erfassen, die von spezifischeren und schwerer bestraften Normen (sog. leges speciales) nicht abgedeckt werden. iese Subsidiarität bezieht sich ausschließlich auf dieselbe Tat, also auf dieselbe Handlung oder dasselbe Unterlassen. Im Prüfungsprozess wird daher zunächst überprüft, ob Delikte wie Diebstahl (§ 242 StGB), Raub (§ 249 StGB), Erpressung (§ 253 StGB), Betrug (§ 263 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) einschlägig sind. Ist dies der Fall, so tritt die Unterschlagung nach § 246 StGB zurück.

 

1. Unterschied Diebstahl – Unterschlagung

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Diebstahl und Unterschlagung liegt in der Tathandlung und dem Zeitpunkt, zu dem die Zueignung erfolgt.

  • Diebstahl nach § 242 StGB: Beim Diebstahl reicht die Zueignungsabsicht aus. Das bedeutet, dass der Täter die Absicht haben muss, sich die Sache rechtswidrig zuzueignen. Die Tathandlung besteht darin, dass der Täter den Gewahrsam des Eigentümers bricht. Gewahrsam bedeutet die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache, die durch den Täter ohne oder gegen den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers gebrochen und in neuen Gewahrsam überführt wird. Hierbei ist wichtig, dass der Täter die Sache nicht nur wegnimmt, sondern diese Handlung auch in der Absicht erfolgt, sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen. Die Zueignungsabsicht als subjektive Komponente (sog. überschießende Innentendenz) besteht hierbei aus dem Vorsatz, den Eigentümer dauerhaft zu enteignen sowie die Absicht, sich die Sache zumindest vorübergehend anzueignen.
    • Beispiel: Ein Ladendieb nimmt eine Ware aus dem Regal und verlässt das Geschäft, ohne zu bezahlen. Hier wird der Gewahrsam des Ladens gebrochen, und der Dieb hat die Absicht, die Ware für sich zu behalten.
  • Unterschlagung nach § 246 StGB: Die Unterschlagung setzt hingegen eine tatsächliche Zueignung voraus. Das bedeutet, dass der Täter die fremde Sache bereits in seinem Besitz haben muss und sie sich oder einem Dritten tatsächlich zueignet. Ein Gewahrsamsbruch wie beim Diebstahl ist nicht erforderlich. Die Unterschlagung tritt daher oft in Fällen auf, in denen der Täter die Sache zunächst rechtmäßig erlangt hat, sie dann aber rechtswidrig behält.

Zusammengefasst:

Diebstahl:

  • Gewahrsamsbruch erforderlich: Der Diebstahl setzt voraus, dass der Täter den fremden Gewahrsam bricht und die Sache mitnimmt.
  • Zueignungsabsicht: Beim Diebstahl genügt es, wenn der Täter die Absicht hat, sich die Sache rechtswidrig zuzueignen. Ein tatsächlicher Besitz der Sache vor der Zueignung ist nicht notwendig.
    • Beispiel: Ein Täter bricht in ein Auto ein und nimmt eine darin liegende Handtasche mit. Hierbei wird der Gewahrsam des Eigentümers gebrochen, und der Täter eignet sich die Sache durch Wegnahme an.

Unterschlagung:

  • Kein Gewahrsamsbruch notwendig: Bei der Unterschlagung muss der Täter die Sache bereits in seinem rechtmäßigen Besitz haben. Ein Bruch des Gewahrsams wie beim Diebstahl ist nicht erforderlich.
  • Tatsächliche Zueignung: Die Unterschlagung verlangt, dass der Täter die Sache bereits in Besitz hat und sich diese tatsächlich zueignet.
    • Beispiel: Ein Mitarbeiter erhält von seinem Arbeitgeber einen Laptop zur beruflichen Nutzung und entscheidet, diesen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zurückzugeben, sondern für private Zwecke zu behalten.

 

2. Geschütztes Rechtsgut der Unterschlagung

Das geschützte Rechtsgut bei der Unterschlagung ist das Eigentum. Der Eigentumsschutz im Strafrecht soll verhindern, dass jemand unrechtmäßig Besitz oder Verfügungsgewalt über fremde bewegliche Sachen erlangt. Die Unterschlagung ist daher auf Fälle zugeschnitten, in denen der Täter bereits im Besitz der Sache ist und diesen Besitz in eigentümerähnlicher Weise ausübt.

 

3. Anwendungsbereiche der Unterschlagung

Da die Unterschlagung ein Auffangtatbestand ist, findet sie in der Praxis vor allem dann Anwendung, wenn andere Eigentumsdelikte nicht einschlägig sind. Typische Anwendungsfälle sind:

  • Fundunterschlagung StGB: Der Täter findet eine fremde bewegliche Sache und eignet sie sich an, ohne den Fund anzuzeigen oder den Eigentümer zu benachrichtigen.
  • Unterschlagung bei Leihe oder Miete: Der Täter hat eine Sache geliehen oder gemietet und gibt sie nach Ablauf der vereinbarten Zeit nicht zurück, sondern behält sie in der Absicht, sie dauerhaft zu behalten.
  • Veruntreuende Unterschlagung: Der Täter hat eine Sache im Rahmen eines Treueverhältnisses anvertraut bekommen, etwa zur Verwahrung, und eignet sie sich dann rechtswidrig an.

 

4. Strafantragserfordernis

Besonders zu beachten sind die Strafantragsregelungen in den §§ 247 und 248a StGB, die auch auf die Unterschlagung anwendbar sind. Dies bedeutet, dass in bestimmten Fällen ein Strafantrag erforderlich ist, um die Strafverfolgung in Gang zu setzen. So ist bei der Unterschlagung unter Angehörigen oder bei geringwertigen Sachen ein Strafantrag notwendig, sofern kein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

 

5. Qualifikation der Unterschlagung (§ 246 Absatz 2 StGB)

Die Grundform der Unterschlagung ist in § 246 Abs. 1 StGB geregelt. Eine Qualifikation, also eine verschärfte Form der Unterschlagung, ist in § 246 Absatz 2 StGB normiert. Diese greift, wenn die Sache dem Täter anvertraut wurde. Anvertraut sind Sachen, die der Täter vom Eigentümer oder einem Dritten mit der Verpflichtung erhalten hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder zurückzugeben. Das Anvertrautsein ist ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Absatz 2 StGB, wodurch auch Teilnehmer nur dann nach § 246 Absatz 2 StGB strafbar sind, wenn ihnen die Sache anvertraut war.

 

II. Unterschlagung Schema, § 246 StGB

Das Prüfungsschema der Unterschlagung nach § 246 StGB erfolgt in der juristischen (Klausuren-) Praxis anhand eines detaillierten und strukturierten Schemas. Im Folgenden wird das Prüfungsschema der Unterschlagung detailliert erläutert.

1. Tatbestand

a) Objektiver Tatbestand

aa) Tatobjekt: Fremde bewegliche Sache

Der objektive Tatbestand der Unterschlagung setzt zunächst voraus, dass es sich bei dem Tatobjekt um eine fremde bewegliche Sache handelt.

    • Fremd: Eine Sache ist fremd, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht, sondern zumindest auch einem anderen gehört. Dies bedeutet, dass die Sache entweder vollständig oder teilweise im Eigentum einer anderen Person steht.
    • Beweglich: Eine Sache ist beweglich, wenn sie von ihrem bisherigen Standort entfernt werden kann. Dies schließt alle körperlichen Gegenstände ein, die transportiert werden können, unabhängig von ihrem Aggregatzustand oder ihrem wirtschaftlichen Wert.

bb) Sich oder einem Dritten zueignen

Die Tathandlung der Unterschlagung besteht darin, dass der Täter sich oder einem Dritten die fremde Sache zueignet. Dies umfasst folgende Aspekte:

    • Sich zueignen: Der Täter verschafft sich selbst eine eigentümerähnliche Herrschaft über die Sache und entzieht sie dem Eigentümer dauerhaft.
    • Einem Dritten zueignen: Der Täter verschafft einer anderen Person eine eigentümerähnliche Herrschaft über die Sache, sodass der ursprüngliche Eigentümer dauerhaft enteignet wird.

Die Zueignung muss sich nach außen hin manifestieren, das heißt, es muss eine objektiv erkennbare Handlung vorliegen, die den Willen des Täters zur dauerhaften Enteignung des Eigentümers und zur Aneignung der Sache zeigt.

cc) Rechtswidrigkeit der Zueignung

Die Zueignung ist rechtswidrig, wenn sie gegen die dingliche Rechtslage verstößt und der Täter keinen fälligen und einredefreien Übereignungsanspruch hat. Dies bedeutet, dass der Täter die Sache ohne rechtlichen Grund, wie z.B. ein Kauf- oder Schenkungsvertrag, behält.

dd) Qualifikation: § 246 II StGB

Eine Qualifikation der Unterschlagung liegt vor, wenn die Sache dem Täter anvertraut wurde. Anvertraut sind solche Sachen, die der Täter vom Eigentümer oder einem Dritten mit der Verpflichtung erhalten hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder zurückzugeben. Beispiele für anvertraute Sachen sind:

    • Gegenstände, die zur Verwahrung übergeben wurden.
    • Sachen, die zur Miete oder Leihe überlassen wurden.
    • Objekte, die im Rahmen eines Auftrags zur Verwendung übergeben wurden.

ee) Kausalität und objektive Zurechnung

    • Kausalität: Eine Handlung ist kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (sog. conditio-sine-qua-non-Formel). Das bedeutet, dass die Handlung des Täters eine notwendige Bedingung für den Erfolg (die Zueignung) darstellt.
    • Objektive Zurechnung: Ein Erfolg ist dem Täter objektiv zurechenbar, wenn er eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat. Der Täter muss also durch seine Handlung eine Gefahr geschaffen haben, die sich dann im Erfolg (der Zueignung) niederschlägt.

b) Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale. Der Täter muss also wissen und wollen, dass er sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zueignet (vgl. § 15 StGB). Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) reicht aus, das heißt, der Täter muss es zumindest billigend in Kauf nehmen, dass er die Sache rechtswidrig zueignet.

 

2. Rechtswidrigkeit

Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit durch das Vorliegen des Tatbestandes indiziert (Merksatz: “Der Tatbestand indiziert die Rechtswidrigkeit.”). Es gelten insofern die allgemeinen Regeln über Rechtfertigungselemente aus dem Strafrecht AT. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit wird daher auch geprüft, ob allgemeine Rechtfertigungsgründe vorliegen, die die Tat rechtfertigen könnten, wenn solche Rechtfertigungsgründe (im Sachverhalt) ersichtlich sind.  Hierzu gehören insbesondere:

    • Notwehr (§ 32 StGB): Der Täter handelt zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs.
    • Notstand (§ 34 StGB): Der Täter handelt, um eine gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut abzuwenden.

Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, ist die Tat trotz Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands nicht rechtswidrig.

 

3. Schuld

Im Prüfungspunkt Schuld wird untersucht, ob dem Täter die Tat persönlich vorwerfbar ist. Hierbei werden allgemeine Entschuldigungsgründe berücksichtigt, die die individuelle Strafbarkeit des Täters ausschließen könnten. Zu den Entschuldigungsgründen zählen unter anderem:

    • Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB): Der Täter war zur Tatzeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
    • Entschuldigender Notstand (§ 35 StGB): Der Täter handelt, um eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden.

 

4. Strafantrag

Bei der Unterschlagung geringwertiger Sachen sowie bei Haus- und Familiendiebstahl ist gemäß §§ 247 und 248a StGB ein Strafantrag erforderlich. Das bedeutet, dass die Strafverfolgung nur auf Antrag des Geschädigten erfolgt, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde sieht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

    • Haus- und Familiendiebstahl (§ 247 StGB): Betrifft Delikte innerhalb einer häuslichen Gemeinschaft oder unter Angehörigen. Hier ist ein Strafantrag erforderlich, um das Schutzbedürfnis innerhalb familiärer Beziehungen zu berücksichtigen.
    • Geringwertige Sachen (§ 248a StGB): Betrifft Delikte, bei denen der Wert der unterschlagenen Sache gering ist (ca. 50 €). Auch hier ist ein Strafantrag erforderlich, sofern kein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

 

5. Ergebnis

Nach der Prüfung aller Tatbestandsmerkmale, der Rechtswidrigkeit und der Schuld wird das Ergebnis der strafrechtlichen Bewertung festgehalten. Das Ergebnis umfasst:

    • Feststellung der Strafbarkeit: Ob die Tat eine strafbare Unterschlagung darstellt.
    • Beurteilung der Strafe: Welche Strafe im konkreten Fall verhängt werden kann, wobei die Umstände der Tat und die Person des Täters berücksichtigt werden.
    • Tipp: Wenn die gesamte Strafbarkeit eines Tatkomplexes in diesem Ergebnis noch nicht festgestellt wird, ist eine Formulierung entsprechend “T hat § 246 Absatz 1 StGB schuldhaft verwirklicht.” empfehlenswert, um mögliche Konkurrenzen in einem Gutachten erst abschließend zu prüfen. Grund hierfür ist bei der Unterschlagung insbesondere der Aspekt der Subsidiarität, durch die eine Strafbarkeit regelmäßig zurücktritt und eine Formulierung entsprechend “T hat sich gem. § 246 Absatz 1 StGB strafbar gemacht.” insofern womöglich methodisch falsch formuliert wäre.

 

III. Unterschlagung Beispiele

Um die Anwendung des Prüfungsschemas der Unterschlagung gemäß § 246 StGB zu verdeutlichen, werden im Folgenden verschiedene Beispiele aufgeführt.

 

Beispiel 1: Veruntreuung eines Geldbetrags

A übergibt B 5000 € zum Erwerb von Psilocybin-Pilzen. B setzt sich mit diesem Geld nach Bali ab.

Analyse:

  1. Tatobjekt: Die 5000 € sind eine fremde, bewegliche Sache. Das Geld gehört A und ist somit fremd.
  2. Tathandlung: B setzt sich mit dem Geld nach Bali ab, was eine Zueignungshandlung darstellt, da B die Kontrolle über das Geld übernimmt und A dauerhaft enteignet wird.
  3. Rechtswidrigkeit der Zueignung: Die Zueignung ist rechtswidrig, da B keinen rechtlichen Anspruch auf das Geld hat.
  4. Qualifikation (§ 246 II StGB): Das Geld wurde B von A anvertraut, um es für einen bestimmten Zweck (den Kauf von Psilocybin-Pilzen) zu verwenden. Trotz der rechtswidrigen Natur des Verwendungszwecks erfüllt das Anvertrautsein das Merkmal der veruntreuenden Unterschlagung, da das Vertrauen von A in B bezüglich der Verwendung des Geldes gegeben war.
  5. Kausalität und objektive Zurechnung: B’s Handlung ist kausal für die Zueignung des Geldes und objektiv zurechenbar, da er durch die Entwendung des Geldes eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im Verlust des Geldes realisiert.

In diesem Fall erfüllt B den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 2 StGB.

 

Beispiel 2: Nutzung eines geliehenen Gegenstands

A leiht sich die Luxusuhr von B aus, um bei seinen Freunden anzugeben. Als B die Uhr wiederhaben will, hat sich A mit der Uhr ins Ausland abgesetzt.

Analyse:

  1. Tatobjekt: Die Luxusuhr ist eine fremde, bewegliche Sache. Die Uhr gehört B und ist somit fremd.
  2. Tathandlung: A setzt sich mit der Luxusuhr ins Ausland ab, was eine Zueignungshandlung darstellt, da A die Kontrolle über die Uhr übernimmt und B dauerhaft enteignet wird.
  3. Rechtswidrigkeit der Zueignung: Die Zueignung ist rechtswidrig, da A keinen rechtlichen Anspruch auf die Uhr hat.
  4. Qualifikation (§ 246 II StGB): In diesem Fall wurde die Uhr A zur Nutzung geliehen, was ein Anvertrautsein im Sinne des § 246 Absatz 2 StGB darstellt. Die Handlung von A erfüllt somit die Qualifikation der veruntreuenden Unterschlagung.
  5. Kausalität und objektive Zurechnung: A’s Handlung ist kausal für die Zueignung der Uhr und objektiv zurechenbar, da er durch die Entwendung der Uhr eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im Verlust der Uhr realisiert.

Hier erfüllt A den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 2 StGB.

 

Beispiel 3: Vergessenes Fachbuch

Jemand verleiht zur Klausurvorbereitung ein Fachbuch für den juristischen Gutachtenstil, das der Entleiher anschließend vergisst, zurückzugeben. Nachdem es einige Monate auf dem Schreibtisch des Entleihers gelegen hat, stellt er es in sein eigenes Bücherregal mit der Absicht, es zu behalten.

Analyse:

  1. Tatobjekt: Das Fachbuch ist eine fremde, bewegliche Sache. Es gehört der Person, die es dir geliehen hat, und ist somit fremd.
  2. Tathandlung: Du stellst das Fachbuch in dein eigenes Bücherregal mit der Absicht, es zu behalten. Dies stellt eine Zueignungshandlung dar, da du die Kontrolle über das Buch übernimmst und den ursprünglichen Eigentümer dauerhaft enteignest.
  3. Rechtswidrigkeit der Zueignung: Die Zueignung ist rechtswidrig, da du keinen rechtlichen Anspruch auf das Buch hast.
  4. Qualifikation (§ 246 II StGB): Das Buch wurde dir zur Klausurvorbereitung geliehen, was ein Anvertrautsein im Sinne des § 246 Absatz 2 StGB darstellt. Obwohl die Verhaltensweise hier weniger schwerwiegend erscheinen mag, erfüllt sie dennoch die Qualifikation der veruntreuenden Unterschlagung.
  5. Kausalität und objektive Zurechnung: Deine Handlung ist kausal für die Zueignung des Buches und objektiv zurechenbar, da du durch die dauerhafte Behaltung des Buches eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hast, die sich im Verlust des Buches realisiert.

In diesem Fall erfüllst du den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 2 StGB.

 

Beispiel 4: Unterschlagung eines Fundgegenstands

Ein Passant findest eine teure Armbanduhr auf der Straße und nimmt sie mit, ohne den Fund anzuzeigen oder den Eigentümer zu benachrichtigen.

Analyse:

  1. Tatobjekt: Die Armbanduhr ist eine fremde, bewegliche Sache. Sie gehört jemand anderem und ist somit fremd.
  2. Tathandlung: Du nimmst die Uhr mit und zeigst den Fund nicht an, was eine Zueignungshandlung darstellt, da du die Kontrolle über die Uhr übernimmst und den ursprünglichen Eigentümer dauerhaft enteignest.
  3. Rechtswidrigkeit der Zueignung: Die Zueignung ist rechtswidrig, da du keinen rechtlichen Anspruch auf die Uhr hast.
  4. Qualifikation (§ 246 II StGB): In diesem Fall liegt kein Anvertrautsein vor, da die Uhr nicht bewusst in deine Obhut gegeben wurde. Die Tat erfüllt daher den Grundtatbestand der Unterschlagung nach § 246 Absatz 1 StGB.
  5. Kausalität und objektive Zurechnung: Deine Handlung ist kausal für die Zueignung der Uhr und objektiv zurechenbar, da du durch die Entwendung der Uhr eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hast, die sich im Verlust der Uhr realisiert.

In diesem Fall erfüllst du den Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 Absatz 1 StGB.

 

IV. Manifestation des Zueignungswillens

Die Manifestation des Zueignungswillens ist ein zentraler Punkt bei der Beurteilung der Unterschlagung. Damit die Zueignungshandlung strafrechtlich relevant wird, muss der Zueignungswille des Täters nach außen hin erkennbar sein (sog. Mainfestationstheorie). Es gibt verschiedene Theorien zur Bestimmung, wann und wie sich dieser Wille manifestieren muss.

 

1. Manifestationstheorie

Weite Manifestationstheorie: Die weite Manifestationstheorie verlangt, dass das Aneignungselement zutage tritt und das Enteignungselement nicht ausgeschlossen erscheint. Dies bedeutet, dass jede Handlung, die auf den Willen zur Aneignung hinweist, ausreichen kann, selbst wenn die Enteignung des ursprünglichen Eigentümers nicht vollständig abgeschlossen ist.

Beispiel: Ein Täter findet eine Geldbörse und steckt sie in seine Tasche. Nach der weiten Manifestationstheorie genügt bereits diese Handlung, um den Zueignungswillen zu manifestieren, da das Aneignungselement deutlich wird und die Enteignung des Eigentümers zumindest nicht ausgeschlossen erscheint.

Enge Manifestationstheorie: Die enge Manifestationstheorie, die von der herrschenden Meinung vertreten wird, verlangt objektive Handlungen, aus denen ein besonnener, das äußere Gesamtgeschehen überblickender Beobachter den sicheren Schluss ziehen kann, dass der Täter die Sache dauerhaft aneignen will. Diese Theorie ist strenger und lässt weniger Handlungsspielraum.

Beispiel: Ein Täter hebt eine gefundene Geldbörse auf und trägt sie offen mit sich, während er nach dem Eigentümer sucht. Hier würde die enge Manifestationstheorie verlangen, dass der Täter eine eindeutig aneignende Handlung vornimmt, etwa die Börse zu Hause zu verstecken, um den Zueignungswillen klar zu manifestieren.

 

2. Unbestellte Ware als Tatobjekt der Unterschlagung

Ein besonderer Streitstand ist, ob unbestellt zugesandte Ware im Sinne des § 241a Absatz 1 BGB ein taugliches Tatobjekt der Unterschlagung darstellen kann. § 241a Absatz 1 BGB regelt, dass der Empfänger unbestellt zugesandter Waren nicht zur Aufbewahrung oder Rücksendung verpflichtet ist.

Die herrschende Meinung verneint, dass unbestellte Ware ein taugliches Tatobjekt der Unterschlagung sein kann, weil der Empfänger gemäß § 241a Absatz 1 BGB nicht zur Rücksendung verpflichtet ist und daher keine fremde Sache im strafrechtlichen Sinne vorliegt.

Rechtfertigungsgrund: Nach der herrschenden Meinung kann § 241a Absatz 1 BGB zudem die Wirkung eines Rechtfertigungsgrundes entfalten. Das bedeutet, selbst wenn eine unbestellte Ware als fremde bewegliche Sache betrachtet würde, wäre der Empfänger durch § 241a Absatz 1 BGB gerechtfertigt, die Ware zu behalten, sofern keine Ausnahmen nach § 241a Absatz 2 BGB vorliegen.

Beispiel: Ein Verbraucher erhält ohne Bestellung ein Buch per Post und behält es. Hier liegt keine strafbare Unterschlagung vor, da § 241a Absatz 1 BGB als Rechtfertigungsgrund wirkt.

 

3. Wiederholte Zueignung als Unterschlagung

Ein weiterer umstrittener Punkt ist die Frage, ob eine bereits rechtswidrig zugeeignete Sache erneut Gegenstand einer Unterschlagung sein kann. Hierzu gibt es zwei Lösungsansätze: die Tatbestandslösung und die Konkurrenzlösung.

Tatbestandslösung: Nach der Tatbestandslösung stellt die Ausnutzung einer bereits geschaffenen Herrschaftsstellung keine erneute Zueignung dar. Diese Ansicht geht davon aus, dass durch die erstmalige rechtswidrige Zueignung bereits eine vollständige Aneignung erfolgt ist und daher keine erneute Unterschlagung möglich ist.

Beispiel: Ein Täter stiehlt eine Uhr und verkauft sie später weiter. Nach der Tatbestandslösung liegt keine erneute Unterschlagung vor, da die Herrschaft über die Uhr bereits durch den Diebstahl rechtswidrig erlangt wurde.

Konkurrenzlösung: Die Konkurrenzlösung bejaht die Möglichkeit einer erneuten Zueignung, jedoch tritt diese als mitbestrafte Nachtat zurück. Diese Ansicht lässt die erneute Zueignung zu, behandelt sie aber als eine Handlung, die im Rahmen des ursprünglichen Delikts mitbestraft wird, um eine unverhältnismäßige Strafverfolgung zu vermeiden.

Beispiel: Ein Täter stiehlt eine Uhr und verkauft sie später weiter. Nach der Konkurrenzlösung liegt eine erneute Unterschlagung vor, die jedoch als mitbestrafte Nachtat des ursprünglichen Diebstahls zurücktritt.

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