Ein wesentliches Merkmal der üblen Nachrede ist, dass sie ein abstraktes Gefährdungsdelikt darstellt. Das bedeutet, dass es genügt, dass die ehrverletzende Behauptung objektiv geeignet ist, die betroffene Person in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder verächtlich zu machen, unabhängig davon, ob die behauptete Tatsache tatsächlich geglaubt wird oder ob die Herabwürdigung tatsächlich eintritt.
Darüber hinaus ist die üble Nachrede an die objektive Bedingung der Strafbarkeit gebunden. Das bedeutet, dass der Täter auch dann bestraft werden kann, wenn er selbst an die Wahrheit seiner Aussage glaubt. Entscheidend ist, dass die behauptete Tatsache nicht erweislich wahr ist. Die Beweislast liegt somit beim Täter, der die Wahrheit seiner Behauptung nachweisen muss.
Ein weiteres wichtiges Element der üblen Nachrede ist das Strafantragserfordernis. In der Regel wird die Strafverfolgung nur auf Antrag des Geschädigten eingeleitet. Dieser Antrag muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von der Tat und der Person des Täters gestellt werden. Nur in besonderen Fällen, in denen ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, kann die Staatsanwaltschaft von Amts wegen tätig werden.
Wenn die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Tat sieht, hat der Geschädigte die Möglichkeit, im Wege der Privatklage nach §§ 374 ff. StPO gegen den Täter vorzugehen. Dies gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, auch wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat.
In den folgenden Abschnitten wird detailliert auf die Tatbestandsmerkmale, die Abgrenzung zur Verleumdung, den Wahrheitsbeweis, den Strafrahmen sowie mögliche Rechtfertigungsgründe eingegangen.
I. Was ist üble Nachrede?
Die üble Nachrede ist ein Straftatbestand, der in § 186 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt ist. Dieser Straftatbestand schützt das Rechtsgut der Ehre, indem sie das Behaupten und Verbreiten ehrenrühriger Tatsachen unter Strafe stellt. Im Gegensatz zur Beleidigung nach § 185 StGB, die auf persönliche Werturteile abzielt, betrifft die üble Nachrede spezifische Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten.
Bedeutung der Üblen Nachrede: Die üble Nachrede ist ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Strafrechtsordnung, da sie das Ansehen und den Ruf von Personen schützt. Die Ehre einer Person ist ein hochrangiges Rechtsgut, das vor falschen und ehrverletzenden Aussagen geschützt werden muss. Eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung ist dazu geeignet, das gesellschaftliche Ansehen und die berufliche Existenz einer Person nachhaltig schädigen.
Die üble Nachrede zeichnet sich insofern dadurch aus, dass die Behauptung oder Verbreitung einer Tatsache erfolgt, deren Wahrheitsgehalt nicht bewiesen werden kann. Dies stellt eine erhebliche Gefahr für das Ansehen der betroffenen Person dar, da sich unbegründete Gerüchte und falsche Informationen schnell verbreiten können. Im digitalen Zeitalter hat die Bedeutung der üblen Nachrede zugenommen, da soziale Medien und das Internet eine schnelle und weite Verbreitung von Informationen ermöglichen.
Unterschied zur Beleidigung: Während die Beleidigung nach § 185 StGB auf persönliche Werturteile abzielt, die direkt gegenüber dem Betroffenen geäußert werden, konzentriert sich die üble Nachrede auf Tatsachenbehauptungen, die gegenüber Dritten geäußert werden. Ein Werturteil ist eine subjektive Meinung, die nicht objektiv überprüfbar ist, während eine Tatsachenbehauptung ein objektiv überprüfbarer Sachverhalt ist. Die üble Nachrede betrifft daher konkrete Aussagen über tatsächliche Geschehnisse oder Zustände, deren Wahrheitsgehalt nicht nachgewiesen werden kann.
Schutzbereich der Üblen Nachrede: Der Schutzbereich der üblen Nachrede umfasst alle lebenden Personen, deren Ehre durch falsche Tatsachenbehauptungen verletzt werden kann. Es geht dabei nicht nur um den Schutz des individuellen Ansehens, sondern auch um den Schutz der sozialen Stellung und der beruflichen Reputation der betroffenen Person. Der Straftatbestand soll verhindern, dass Personen durch unbegründete und falsche Aussagen in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt werden.
Rechtsfolgen der Üblen Nachrede: Bei einer Strafbarkeit wegen übler Nachrede drohen dem Täter Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Wird die Tat jedoch öffentlich, in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften begangen, erhöht sich das Strafmaß auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Diese Strafandrohung verdeutlicht die Ernsthaftigkeit des Delikts und die Notwendigkeit, das Rechtsgut der Ehre zu schützen.
Bedeutung im digitalen Zeitalter: Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets und sozialer Medien hat die Bedeutung der üblen Nachrede erheblich zugenommen. Falsche und ehrverletzende Behauptungen können sich in Sekundenschnelle verbreiten und ein breites Publikum erreichen. Betroffene Personen sehen sich oft mit einer großen Anzahl an Lesern oder Zuschauern konfrontiert, die die falschen Informationen aufnehmen und weiterverbreiten.
Ein Beispiel für üble Nachrede im Internet ist das Verbreiten unbewiesener Anschuldigungen in sozialen Netzwerken oder auf Bewertungsportalen. So könnte etwa jemand behaupten, es liege ein Behandlungsfehler vor, bei dem ein bestimmter Arzt habe grob fahrlässig gehandelt habe, ohne dafür konkrete Beweise zu haben. Solche Aussagen können den beruflichen Ruf des Arztes erheblich schädigen und sind strafrechtlich relevant, wenn sie nicht erweislich wahr sind.
Ein weiteres Beispiel wäre das Veröffentlichen von Gerüchten über die moralische Integrität einer Person auf sozialen Medien, ohne dass diese Behauptungen belegt werden können.
II. Tatbestandsmerkmale der üblen Nachrede
1. Tatsachenbehauptung und Drittbezug
Der Tatbestand der üblen Nachrede setzt eine Tatsachenbehauptung voraus, die gegenüber Dritten geäußert wird. Eine Tatsache im Sinne des § 186 StGB ist ein Geschehen oder Zustand, dessen Wahrheitsgehalt objektiv überprüfbar ist, also dem Beweis zugänglich ist. Dies können sowohl äußere Tatsachen, wie Ereignisse oder Handlungen, als auch innere Tatsachen, wie Absichten oder Motivationen, sein, sofern diese auf wahrnehmbaren Geschehnissen beruhen.
Objektive Überprüfbarkeit: Der Begriff der Tatsache impliziert, dass der Wahrheitsgehalt objektiv überprüfbar sein muss. Dies bedeutet, dass die Behauptung durch Beweise belegt oder widerlegt werden kann. Eine Tatsache unterscheidet sich somit von einem bloßen Werturteil oder einer Meinungsäußerung, die subjektiv und nicht beweisbar sind.
Äußere und innere Tatsachen: Äußere Tatsachen beziehen sich auf physische oder beobachtbare Ereignisse, wie beispielsweise ein bestimmtes Verhalten oder eine Handlung. Innere Tatsachen hingegen können Absichten, Gefühle oder Motivationen betreffen, solange sie durch objektive Indizien oder Beweise nachvollziehbar sind.
Drittbezug: Für die Erfüllung des Tatbestandes der üblen Nachrede ist es erforderlich, dass die Tatsachenbehauptung gegenüber Dritten geäußert wird. Dies bedeutet, dass die Aussage nicht nur dem Betroffenen selbst mitgeteilt wird, sondern mindestens eine weitere Person sie zur Kenntnis nimmt. Der Drittbezug stellt sicher, dass die Ehrverletzung eine gewisse Öffentlichkeitswirkung hat, was das Schutzniveau des § 186 StGB rechtfertigt.
2. Unterschied zwischen Behaupten und Verbreiten
Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Tathandlungsvarianten: dem Behaupten und dem Verbreiten.
Variante 1 – Behaupten: Beim Behaupten stellt der Täter die Tatsache als wahr hin. Es ist unerheblich, ob der Täter sich auf eigene Erkenntnisse oder auf Informationen Dritter stützt. Entscheidend ist, dass der Täter die Tatsache als wahr präsentiert, unabhängig davon, ob er tatsächlich an deren Wahrheit glaubt. Diese Handlung erfordert keine Übernahme der Verantwortung für die Richtigkeit der Aussage, sondern lediglich deren Feststellung als vermeintlich wahr.
Variante 2 – Verbreiten: Verbreiten bedeutet, dass der Täter eine Tatsache weitergibt, ohne sich diese zu eigen zu machen. Dies ist häufig bei der Weitergabe von Gerüchten der Fall. Der Täter gibt die Information als etwas weiter, das er selbst von einer anderen Quelle gehört hat, ohne zu behaupten, dass er selbst deren Wahrheit kennt. Das Verbreiten ist somit eine Form der Mitteilung, bei der der Täter die Information als fremdes Wissen kennzeichnet.
3. Geeignetheit zur Verächtlichmachung
Die Tatsachenbehauptung muss geeignet sein, die betroffene Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Dies bedeutet, dass die Behauptung dazu in der Lage sein muss, das sittliche oder moralische Ansehen der Person zu beschädigen oder ihren Ruf zu schmälern.
Verächtlichmachung: Eine Person wird verächtlich gemacht, wenn sie durch die Behauptung als jemand dargestellt wird, der sittlichen oder moralischen Pflichten nicht genügt. Dies betrifft Aussagen, die die moralische Integrität oder den Charakter einer Person in Frage stellen und sie somit in einem negativen Licht erscheinen lassen.
Herabwürdigung: Herabgewürdigt wird eine Person, wenn ihr allgemeines Ansehen oder ihr Ruf in der Gesellschaft durch die Behauptung beeinträchtigt wird. Dies betrifft Aussagen, die das Ansehen der Person in den Augen der Allgemeinheit mindern und sie in ihrer sozialen oder beruflichen Stellung negativ beeinflussen.
III. Abgrenzung der üblen Nachrede zur Verleumdung
Eine Abgrenzung zur Verleumdung nach § 187 StGB ist notwendig, da beide Tatbestände sich in der Unwahrheit der Behauptung und dem Wissen des Täters unterscheiden. Verleumdung liegt vor, wenn der Täter wissentlich unwahre Tatsachen verbreitet, während bei der üblen Nachrede die Tatsache nur nicht erweislich wahr sein muss.
Unterschiedliche Wissensebenen: Bei der Verleumdung gemäß § 187 StGB muss der Täter bewusst und wissentlich falsche Tatsachen verbreiten. Das bedeutet, der Täter weiß, dass die von ihm verbreitete Tatsache unwahr ist, und verbreitet diese dennoch, um die betroffene Person zu schädigen. Der Vorsatz bezieht sich hierbei sowohl auf die Verbreitung der Tatsachen als auch auf deren Unwahrheit.
Im Gegensatz dazu reicht es bei der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB aus, dass die Tatsache nicht erweislich wahr ist. Das bedeutet, dass der Täter keine Kenntnis von der Unwahrheit der Tatsache haben muss. Es genügt, dass die Tatsache objektiv nicht bewiesen werden kann. Die üble Nachrede erfasst somit auch Fälle, in denen der Täter selbst von der Wahrheit seiner Behauptung überzeugt ist, diese jedoch nicht nachweisen kann.
IV. Wahrheitsbeweis und objektive Bedingung der Strafbarkeit
Die Nichterweislichkeit der Wahrheit ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit und keine Voraussetzung für den Vorsatz. Dies bedeutet, dass der Täter auch dann bestraft werden kann, wenn er selbst an die Wahrheit seiner Aussage glaubt. Die Beweislast liegt hier beim Täter, der die Wahrheit seiner Behauptung beweisen muss. Gelingt der Wahrheitsbeweis nicht, bleibt die Tatsache „nicht erweislich wahr“, was zur Strafbarkeit führt.
V. Strafrahmen und Qualifikation der üblen Nachrede
Für die üble Nachrede sieht § 186 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor, womit es sich um ein Vergehensdelikt handelt. Dieser Grundstrafrahmen gilt für Fälle, in denen die ehrenrührige Tatsachenbehauptung oder -verbreitung nicht öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts erfolgt ist.
Wird die Tat jedoch öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen, erhöht sich der Strafrahmen auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Die öffentliche Begehung umfasst dabei insbesondere die Verbreitung der ehrenrührigen Tatsachenbehauptung in Massenmedien, sozialen Netzwerken oder auf anderen öffentlich zugänglichen Plattformen.
Dem Grundsatz nach gilt eine Tat dann als öffentlich begangen, wenn sie von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis unmittelbar wahrgenommen werden kann. Beispiele hierfür sind Veröffentlichungen im Internet, in Zeitungen, im Rundfunk oder Fernsehen. Auch öffentliche Reden oder Kundgebungen, bei denen eine große Anzahl von Personen anwesend ist, fallen unter die öffentliche Begehung.
In besonders schwerwiegenden Fällen, die über den üblichen Rahmen der üblen Nachrede hinausgehen, kann die Tat auch als Verleumdung gemäß § 187 StGB qualifiziert werden, wenn der Täter wissentlich unwahre Tatsachen verbreitet hat.
VI. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) als Rechtfertigungsgrund
Es gibt Situationen, in denen die üble Nachrede gerechtfertigt sein kann, insbesondere durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB. Dies ist der Fall, wenn die Tatsachenbehauptung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, einer Strafanzeige oder einer anderen rechtlich geschützten Handlung aufgestellt wird. Voraussetzung ist, dass der Behauptende in gutem Glauben und mit hinreichender Sorgfalt handelt.
Gerichtliches Verfahren: Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens kann die Behauptung oder Verbreitung ehrenrühriger Tatsachen gerechtfertigt sein, wenn sie zur Wahrung der Verteidigungsrechte oder zur Durchsetzung eigener Rechte erforderlich ist. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Aussagen sachlich und angemessen sein müssen. Missbräuchliche oder vorsätzlich falsche Behauptungen sind nicht durch § 193 StGB gedeckt.
Strafanzeigen und Beschwerden: Auch bei der Erstattung von Strafanzeigen oder Beschwerden können ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gerechtfertigt sein, wenn sie auf ernsthaften Anhaltspunkten beruhen und im Interesse der Rechtspflege erfolgen. Hierbei muss der Anzeigende sorgfältig vorgehen und prüfen, ob die Tatsachenbehauptungen durch hinreichende Indizien gestützt werden.
Pressefreiheit und Berichterstattung: Die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes können ebenfalls Rechtfertigungsgründe für üble Nachrede darstellen. Journalisten haben das Recht, über Missstände zu berichten und Informationen von öffentlichem Interesse zu verbreiten. Hierbei müssen sie jedoch die journalistische Sorgfaltspflicht beachten und sicherstellen, dass ihre Berichte wahrheitsgemäß und sorgfältig recherchiert sind. Unbegründete oder leichtfertig verbreitete Tatsachenbehauptungen sind nicht durch die Pressefreiheit gedeckt.
Wahrnehmung öffentlicher Interessen: In bestimmten Fällen kann die Wahrnehmung öffentlicher Interessen eine Rechtfertigung für üble Nachrede darstellen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen im Interesse der Allgemeinheit liegt, etwa zur Aufdeckung von Korruption oder Missständen in öffentlichen Einrichtungen. Auch hier ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich, und die Behauptungen müssen durch hinreichende Beweise gestützt sein.