I. Schmähkritik und Meinungsfreiheit: Eine schwierige Abgrenzung
Die Meinungsfreiheit ist ein fundamentales Grundrecht in der deutschen Verfassung, das in Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) verankert ist. Dieses Recht schützt die Freiheit, Meinungen in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Es ist ein grundlegendes Element einer demokratischen Gesellschaft, das die offene und freie Auseinandersetzung mit politischen, sozialen und kulturellen Themen ermöglicht. Die Meinungsfreiheit bildet die Basis für den „Kampf der Meinungen“, der für eine funktionierende Demokratie unerlässlich ist.
Jedoch ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos. Artikel 5 Abs. 2 GG legt fest, dass die Meinungsfreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, dem Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre findet. Eine der bedeutendsten Grenzen der Meinungsfreiheit ist die sogenannte Schmähkritik. Dieser Begriff beschreibt Äußerungen, die nicht mehr als sachliche Kritik zu verstehen sind, sondern vielmehr dazu dienen, eine Person herabzuwürdigen und zu diffamieren. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass Schmähkritik nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt ist. Die Abgrenzung zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Schmähkritik ist daher von zentraler Bedeutung.
Abgrenzungskriterien des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in mehreren Entscheidungen wesentliche Kriterien entwickelt, um zu beurteilen, ob eine Äußerung als Schmähkritik einzustufen ist oder noch im Rahmen der Meinungsfreiheit liegt. Diese Kriterien sind entscheidend, um die Grenze zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Schmähkritik zu ziehen.
Ein entscheidender Faktor ist der Kontext der Äußerung: Solange eine kritische Aussage einen Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung aufweist und nicht ausschließlich der persönlichen Herabwürdigung dient, ist sie in der Regel von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies wurde beispielsweise im “Strauß-Beschluss” (BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990, Az.: 1 BvR 1165/89) deutlich, wo das BVerfG feststellte, dass eine herabsetzende Äußerung erst dann als Schmähkritik zu werten ist, wenn sie primär auf die Diffamierung der Person abzielt und nicht auf eine sachliche Auseinandersetzung.
Anders verhält es sich, wenn die Äußerung keinen erkennbaren sachlichen Bezug mehr hat und nur darauf abzielt, die betroffene Person zu diffamieren. In solchen Fällen spricht das BVerfG von Schmähkritik, die nicht durch Artikel 5 GG geschützt ist. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist der Beschluss vom 14. Juni 2019 (Az.: 1 BvR 2433/17), in dem das BVerfG entschied, dass polemische oder überzogene Formulierungen, die noch einen Sachbezug haben, von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, während reine Diffamierungen ohne Sachbezug als Schmähkritik einzustufen sind.
II. Schmähkritik Beispiel: Der Fall Böhmermann
Der Fall Böhmermann stellt ein besonders prägnantes Beispiel für die komplexe juristische Abwägung zwischen Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und dem Schutz der persönlichen Ehre dar. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, wie weit Satire gehen darf und wann sie die Schwelle zur unzulässigen Schmähkritik überschreitet. Jan Böhmermann trug in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht vor, das den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in grober Weise beleidigte und herabsetzte. Das Gedicht löste sogar eine internationale Kontroverse aus und führte zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei.
Das Landgericht Hamburg urteilte in dieser Sache und kam zu dem Schluss, dass bestimmte Passagen des Gedichts die Grenze zur Schmähkritik überschreiten und daher nicht mehr durch die Meinungs- oder Kunstfreiheit gedeckt seien. Diese Passagen wurden als rein persönliche Herabwürdigung ohne sachlichen Bezug eingestuft. Das Gericht betonte jedoch, dass die satirische Gesamtausrichtung des Gedichts grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, sodass es Böhmermann nicht vollständig untersagt wurde, das Gedicht zu verbreiten.
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg wurde von vielen Seiten kritisch betrachtet, da sie als Einschränkung der Kunstfreiheit empfunden wurde. Jan Böhmermann legte Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil ein und argumentierte, dass die richterliche Entscheidung seine Grundrechte verletze, insbesondere das Recht auf Kunstfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch, die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 26.01.2022, Az.: 1 BvR 2026/19). Diese Entscheidung wurde von einigen Rechtswissenschaftlern als verpasste Gelegenheit angesehen, die Grenzen der Schmähkritik und der Kunstfreiheit auf höchstrichterlicher Ebene klarer zu definieren.
Der Fall Böhmermann bleibt gleichwohl ein wichtiger Referenzpunkt in der Diskussion um die Meinungs- und Kunstfreiheit in Deutschland. Er zeigt die Schwierigkeiten auf, die Gerichte haben, wenn es darum geht, künstlerische Ausdrucksformen und scharfe Kritik von beleidigender Schmähkritik abzugrenzen.
III. Schmähkritik Definition: Rechtliche Grundlagen und Konsequenzen
Nach der Definition des BVerfG liegt Schmähkritik dann vor, wenn die Äußerung primär auf die Diffamierung der Person abzielt und jeglicher sachliche Bezug fehlt. Solche Äußerungen genießen keinen Schutz durch die Meinungsfreiheit, da sie das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person in unangemessener Weise verletzen. In der Praxis ist die Abgrenzung oft schwierig, da zwischen scharfer Kritik und Schmähkritik ein schmaler Grat verläuft.
Gerichte müssen im Einzelfall entscheiden, ob eine Äußerung als Schmähkritik zu werten ist. Dabei spielen der Kontext, der Anlass der Äußerung und die Intention des Äußernden eine entscheidende Rolle. Das BVerfG betont in seiner Rechtsprechung, dass scharfe und auch polemische Kritik grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann, solange sie in einem sachlichen Kontext steht und nicht allein der Herabwürdigung einer Person dient. Dieser sachliche Kontext ist jedoch der entscheidende Punkt: Fehlt er, und die Äußerung zielt lediglich darauf ab, die Person in einer Weise herabzusetzen, die nichts zur Meinungsbildung beiträgt, liegt Schmähkritik vor.
IV. Strafbarkeit gemäß § 185 StGB
Schmähkritik ist strafbar und wird gemäß § 185 StGB als Beleidigung geahndet. Eine Verurteilung wegen Beleidigung kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden. Hiebei spielt der Kontext, in dem eine Schmähkritik geäußert wird, eine zentrale Rolle bei der Festlegung des Strafmaßes. Eine öffentliche Verbreitung, insbesondere über soziale Medien oder in anderen weitreichenden Publikationen, kann das Strafmaß erheblich beeinflussen. Je größer die Reichweite und je massiver die Auswirkungen der ehrverletzenden Äußerung sind, desto strenger kann die Sanktion ausfallen. Dies liegt daran, dass die öffentliche Verbreitung einer Schmähkritik die Beleidigung potenziert, indem sie die betroffene Person vor einem breiten Publikum diffamiert und damit deren soziale Stellung und Ruf in besonders schwerwiegender Weise angreift.
In der Praxis sehen Gerichte auch die Umstände der Äußerung und die Motivlage des Täters als wesentliche Faktoren bei der Strafzumessung an. Wenn etwa eine Schmähkritik aus einer Position der Macht oder in einem klaren Machtgefälle geäußert wird, wird dies berücksichtigt. Andererseits kann in bestimmten Fällen ein weniger schweres Strafmaß verhängt werden, wenn mildernde Umstände vorliegen, wie beispielsweise eine provokative Ausgangssituation oder ein geringes Maß an öffentlicher Wirkung.