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Realakt – Definition, Abgrenzung und Anwendungsbereiche im Zivil- und Verwaltungsrecht

Ein zentraler Begriff im deutschen Recht ist der Realakt, der in verschiedenen rechtlichen Kontexten eine Rolle spielt. Oft wird er in Abgrenzung zu anderen rechtlichen Handlungsformen wie dem Verwaltungsakt oder dem Rechtsgeschäft betrachtet.

Realakt Definition: Ein Realakt ist eine Handlung, bei der das Gesetz die Rechtsfolgen ohne Willenserklärung oder Rechtsgeschäft bestimmt. Diese Rechtsfolgen treten also kraft Gesetzes ein, unabhängig von einem ausdrücklichen oder konkludenten Willen der handelnden Person. Daher unterscheidet sich der Realakt grundlegend von anderen Rechtshandlungen, die auf Willenserklärungen oder Regelungen beruhen.

Doch was genau ist ein Realakt und in welchen Fällen tritt er auf? Dieser Beitrag beleuchtet umfassend die Definition des Realakts, seine Abgrenzung zu anderen Handlungsformen sowie praxisnahe Beispiele und Rechtsfolgen.

I. Was ist ein Realakt?

Der Begriff „Realakt“ bezeichnet eine tatsächliche Handlung, die unmittelbar einen rechtlichen Erfolg bewirkt. Dieser Erfolg tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer besonderen Willenserklärung oder Regelung bedarf. Ein Realakt ist somit eine schlichte Handlung, die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet ist, nicht jedoch auf eine Veränderung der Rechtslage. Im Gegensatz dazu steht das Rechtsgeschäft, bei dem der Eintritt der Rechtsfolge von den beteiligten Personen gewollt ist. Bei einem Realakt kann der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge zu erzielen, fehlen, dennoch tritt diese durch das Gesetz ein.

 

II. Abgrenzung Realakt / Verwaltungsakt

Ein Verwaltungsakt nach § 35 Satz 1 VwVfG ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls, die eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfaltet. Ein Realakt hingegen zielt nicht auf die Regelung eines rechtlichen Verhältnisses, sondern lediglich auf einen tatsächlichen Erfolg. Daher wird der Realakt auch als „schlichtes Verwaltungshandeln“ oder „tatsächliches Verwaltungshandeln“ bezeichnet.

Ein Realakt-Verwaltungsakt-Vergleich verdeutlicht den Unterschied: Wenn die Polizei eine Straße absperrt, um bei einem Unfall den Verkehr zu regeln, handelt es sich um einen Realakt. Die Maßnahme dient dem tatsächlichen Erfolg, nämlich der Regelung des Verkehrsflusses, ohne eine rechtliche Regelung herbeizuführen. Erteilt die Polizei jedoch eine offizielle Anweisung an eine bestimmte Person, handelt es sich in der Regel nach der herrschenden Meinung um einen Verwaltungsakt, da hier eine verbindliche Regelung für einen Einzelfall getroffen wird.

Wichtige Merkmale eines Verwaltungsakts, die beim Realakt fehlen, sind insbesondere die Regelungswirkung und die Notwendigkeit einer Bekanntgabe gemäß §§ 41, 43 VwVfG. Verwaltungsakte erfordern zudem ein Widerspruchsverfahren, während dies bei Realakten nicht notwendig ist.

 

III. Rechtliche Einordnung des Realakts im Zivilrecht

Im Zivilrecht ist der Realakt eine tatsächliche Handlung, die eine Rechtsfolge kraft Gesetzes bewirkt. Ein charakteristisches Merkmal ist, dass diese Handlung keine Willenserklärung darstellt. Folglich können auch Personen, die geschäftsunfähig sind, einen Realakt vornehmen, da es keiner rechtlichen Geschäftsfähigkeit bedarf. Dies unterscheidet den Realakt von einem Rechtsgeschäft, bei dem eine Willenserklärung Voraussetzung ist.

Ein Beispiel aus dem Zivilrecht, das den Realakt verdeutlicht, ist die Vermischung von Sachen nach § 947 BGB. Verbindet eine Person unabsichtlich zwei bewegliche Sachen, entsteht Miteigentum an der neuen Sache kraft Gesetzes. Die Rechtsfolgen treten ein, ohne dass die Person eine Willenserklärung abgegeben hat.

 

IV. Realakt Beispiel

Die Rolle des Realakts in der Praxis kann am Beispiel eines einfachen täglichen Geschehens erklärt werden. Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich auf einem Spaziergang und bemerken einen Hund, der unbeaufsichtigt auf einer Straße herumläuft. Aus Sorge, dass der Hund auf die Straße läuft und verletzt wird, holen Sie ihn zu sich. In diesem Fall handelt es sich um einen Realakt: Sie haben keine Absicht, den Hund dauerhaft zu besitzen, sondern wollen lediglich verhindern, dass er zu Schaden kommt. Dennoch üben Sie faktisch Besitz an dem Tier aus, bis der Eigentümer es wieder in seine Obhut nimmt. Diese tatsächliche Handlung erzeugt Rechtsfolgen, ohne dass Sie den Willen dazu haben.

Dieses Beispiel verdeutlicht den Unterschied zu einem Rechtsgeschäft, bei dem die Willenserklärung entscheidend wäre. Der Realakt hingegen erfordert keine Willenserklärung, sondern lediglich eine tatsächliche Handlung, die rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

 

V. Realakt im Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht ist der Realakt eine häufig vorkommende Handlungsform. Er beschreibt eine hoheitliche Maßnahme, die nicht auf eine rechtliche Regelung abzielt, sondern einen tatsächlichen Erfolg bewirken soll. Ein klassisches Realakt-Beispiel im Verwaltungsrecht ist die Teilnahme eines Polizeifahrzeugs am Straßenverkehr. Diese Handlung dient keinem bestimmten Bürger direkt und hat keine unmittelbare rechtliche Wirkung, sondern ist lediglich eine tatsächliche Handlung zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben.

Auch das Ausstellen von Formularen, die Erteilung von Auskünften durch Behörden oder das Aufstellen und Betreiben von Straßenbeleuchtungen sind typische Realakte im Verwaltungsrecht. Diese Handlungen bewirken keinen rechtlichen Erfolg im Sinne einer Regelung eines Rechtsverhältnisses, sondern zielen auf tatsächliche Effekte ab.

 

VI. Rechtsschutz gegen Realakte

Auch wenn Realakte keine Regelungswirkung haben, bedeutet dies nicht, dass sie von der rechtlichen Überprüfung ausgenommen sind. Im Gegenteil, gemäß Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) besteht die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes gegen alle hoheitlichen Maßnahmen, einschließlich solcher, die durch Realakte verursacht werden. Artikel 19 Absatz 4 GG sichert den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Dies gilt nicht nur für Verwaltungsakte, sondern auch für tatsächliche Handlungen der Verwaltung, die keine rechtliche Regelung beabsichtigen, also Realakte.

Da bei Realakten, im Gegensatz zu Verwaltungsakten, keine Regelungswirkung vorliegt, ist ein Widerspruchsverfahren, wie es für Verwaltungsakte nach §§ 68 ff. VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) vorgesehen ist, nicht statthaft. Der Rechtsschutz gegen Realakte erfolgt daher auf anderen Wegen, insbesondere durch die allgemeine Leistungsklage oder die Feststellungsklage.

 

1. Allgemeine Leistungsklage

Die allgemeine Leistungsklage dient dazu, eine Behörde zur Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung zu verpflichten. Bei einem Realakt, der in die Rechte eines Bürgers eingreift, kann dieser mittels Leistungsklage auf Unterlassung des hoheitlichen Handelns klagen, wenn er sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Dies ist insbesondere relevant, wenn ein Realakt eine faktische Beeinträchtigung eines Grundrechts darstellt.

Ein klassisches Beispiel wäre das polizeiliche Einschreiten, etwa das Aufstellen von Verkehrssperren oder das Anhalten von Personen zu Identitätskontrollen. Auch wenn diese Maßnahmen lediglich auf einen tatsächlichen Erfolg abzielen und keine unmittelbare rechtliche Regelung darstellen, können sie Grundrechte tangieren, wie beispielsweise die allgemeine Handlungsfreiheit (Artikel 2 Absatz 1 GG). In solchen Fällen kann der Betroffene eine Leistungsklage erheben, um die Fortsetzung der Handlung zu verhindern oder die Aufhebung der bereits vorgenommenen Handlung zu verlangen.

 

2. Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO

Eine weitere Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen Realakte besteht in der Erhebung einer Feststellungsklage gemäß § 43 Absatz 1 VwGO. Diese Klageart dient dazu, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtlich feststellen zu lassen. Da Realakte keine rechtliche Regelung beinhalten, sondern lediglich tatsächliche Handlungen darstellen, kann die Feststellungsklage insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit eines Realakts feststellen lassen möchte.

Ein Beispiel für eine solche Konstellation wäre das Verhalten einer Behörde, das eine langfristige Beeinträchtigung verursacht, ohne dabei einen formalen Verwaltungsakt zu erlassen. Hier könnte der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Maßnahme rechtswidrig war, etwa wenn ein Eingriff in das Eigentum gemäß Artikel 14 GG vorliegt.

 

3. Subsidiarität der Feststellungsklage

Die Feststellungsklage ist gemäß § 43 Absatz 2 VwGO subsidiär zur Leistungsklage. Das bedeutet, dass eine Feststellungsklage nur dann zulässig ist, wenn der Betroffene nicht durch eine andere Klageform, wie etwa die Leistungsklage, effektiven Rechtsschutz erlangen kann. In Fällen, in denen die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Realakts allein nicht ausreicht, um die Rechte des Betroffenen wiederherzustellen, muss dieser stattdessen eine Leistungsklage einreichen.

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