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Obliegenheit Definition, Bedeutung & Beispiele

Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

Generell ist eine Obliegenheit als Pflichten eines Schuldverhältnisses anzusehen, welche vom Gläubiger nicht eingeklagt werden können. Interessanterweise kann bei Verletzung dieser Pflichten der Schuldner vom Gläubiger nicht regresspflichtig gemacht werden, d.h., der Gläubiger hat keinen Anspruch auf Schadensersatzleistungen. Was dies jedoch bedeutet, ist, dass der Schuldner bei Pflichtverletzung riskiert, bestehende Rechte zu verlieren bzw. diese nicht mehr geltend machen zu können.

Obliegenheit im Versicherungsrecht

Im Bereich des Versicherungsrechts nehmen Obliegenheiten eine besondere Stellung ein. Sie dienen als vertragliche Pflichten des Versicherungsnehmers und müssen eingehalten werden, damit der Versicherer sein Risiko adäquat kalkulieren kann. Es wird hierbei zwischen zwei Hauptkategorien unterschieden:

  • Obliegenheiten nach Vertragsschluss
  • Obliegenheiten im Schadenfall

Die Obliegenheiten nach Vertragsschluss werden als jene Pflichten verstanden, die der Versicherungsnehmer generell zu erfüllen hat, unabhängig davon, ob ein Schaden eintritt oder nicht. Dem gegenüber stehen die Obliegenheiten im Schadenfall, die nur dann relevant werden, wenn ein konkreter Versicherungsfall eintritt. Beispielsweise Verluste durch Corona, die durch eine Betriebsschließungsversicherung gedeckt sein könnten.

Obliegenheiten nach Vertragsschluss

Die wichtigste Obliegenheit nach Vertragsschluss ist die sogenannte Gefahrstandspflicht. Sie besagt, dass der Versicherungsnehmer die bei Vertragsschluss bestehenden Verhältnisse nicht wesentlich ändern sollte. Dies bezieht sich vor allem auf Risikoveränderungen. Beispielhaft wäre hier ein Autofahrer, der mit stark abgefahrenen Reifen fährt – ein klarer Verstoß gegen diese Obliegenheit.

Bekannt sind diese Obliegenheiten auch als “Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall“. In manchen Verträgen ist festgehalten, dass bei Verletzung einer solchen Obliegenheit der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit werden kann. Allerdings gilt diese Regelung nur, wenn die Verletzung der Obliegenheit vom Versicherungsnehmer verschuldet wurde. Erfährt der Versicherer von einer solchen Pflichtverletzung, kann er den Vertrag innerhalb eines Monats ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden. Aber Vorsicht: Handelt der Versicherer nicht innerhalb dieser Frist, kann er bei einem späteren Schaden nicht auf diese Pflichtverletzung verweisen.

Obliegenheiten im Schadenfall

Tritt ein Schaden ein, gelten andere Obliegenheiten für den Versicherungsnehmer. Hierzu zählen:

  • Anzeigepflicht: Der Versicherungsnehmer muss den Versicherer unverzüglich über einen Schaden informieren.
  • Informationspflicht: Hierbei geht es nicht nur um die reine Schadensmeldung, sondern auch um genaue Angaben zum Schadenshergang und zur Schadenshöhe.
  • Schadenbegrenzungspflicht: Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer alles ihm Mögliche tun muss, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Als praktisches Beispiel dient ein Verkehrsunfall. Hier darf sich ein Unfallbeteiligter nicht einfach vom Unfallort entfernen. Würde er das tun, wäre der Versicherer nicht verpflichtet, für den Schaden aufzukommen.

Rechtsfolgen bei Missachtung der Obliegenheiten

Die Missachtung von Obliegenheiten kann für den Versicherungsnehmer erhebliche Konsequenzen haben. Hierbei gibt es mehrere Szenarien, die je nach Schwere und Art der Pflichtverletzung unterschiedlich ausfallen:

Außerordentliche Kündigung: Wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheiten nicht schuldhaft verletzt und keine absichtliche Gefahrerhöhung vorliegt, kann der Versicherer den Vertrag außerordentlich innerhalb eines Monats kündigen.

Fristlose Kündigung: Im Falle einer schuldhaften und absichtlichen Gefahrerhöhung seitens des Versicherungsnehmers kann der Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen.

Leistungsfreiheit bei fristloser Kündigung: Wenn der Versicherer den Vertrag fristlos kündigt, ist er nicht mehr zur Leistung verpflichtet.

Leistungsfreiheit bei Vorsatz: Hat der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich begangen, tritt Leistungsfreiheit ein. Bei grober Fahrlässigkeit hängt die Leistungsfreiheit davon ab, ob die Verletzung der Obliegenheit einen Einfluss auf die Entstehung und den Umfang des Schadens hatte.

Versäumnis der Anzeigepflicht: Versäumt es der Versicherungsnehmer, den Schaden unverzüglich anzuzeigen, und tritt ein weiterer Schaden später als einen Monat nach dem Datum ein, zu dem eine Anzeige den Versicherer hätte erreichen können, wird die Leistungsfreiheit wirksam. Dies gilt jedoch nur, wenn die Obliegenheitsverletzung den Schadenseintritt und dessen Höhe beeinflusst hat.

Recht zur Vertragskündigung: Abseits von oben genannten Fällen hat der Versicherer generell das Recht, den Vertrag zu kündigen, wenn Obliegenheiten verletzt werden.

Schlusswort

Es ist von essentieller Bedeutung, dass Versicherungsnehmer ihre Obliegenheiten ernst nehmen und gewissenhaft erfüllen. Eine Missachtung kann nicht nur finanzielle, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Daher sollte man sich immer bewusst sein, welche Pflichten mit einem Versicherungsvertrag einhergehen und diese gewissenhaft erfüllen.

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