Kriegsverbrechen stellen schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts dar, die in Kontexten internationaler oder nichtinternationaler bewaffneter Konflikte auftreten. Sie sind Teil der sogenannten “Kernverbrechen” des Völkerstrafrechts, zu denen auch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Aggression zählen. Kriegsverbrechen erlangen ihre strafrechtliche Relevanz unmittelbar aus dem Völkerrecht und sind nach dem Weltrechtsprinzip verfolgbar, was bedeutet, dass sie unabhängig vom Ort der Begehung und der Nationalität des Täters ahndbar sind.
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Die internationalen rechtlichen Grundlagen zur Ahndung von Kriegsverbrechen sind wesentlich durch multilaterale Verträge, Völkerrechtskonventionen und das Gewohnheitsrecht geprägt. Diese Elemente bilden zusammen ein robustes, wenn auch komplexes, Rahmenwerk, das die Verfolgung und Bestrafung dieser schweren Verbrechen ermöglicht.
Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH):
Das Römische Statut, 1998 verabschiedet und 2002 in Kraft getreten, ist der Gründungsvertrag des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) mit Sitz in Den Haag, Niederlande. Es stellt die detaillierteste und umfassendste Kodifizierung von Kriegsverbrechen in einem internationalen Vertragswerk dar und ist das primäre rechtliche Instrument für die internationale Strafverfolgung dieser Verbrechen.
Artikel 8 des Statuts spezifiziert, was unter Kriegsverbrechen zu verstehen ist, und teilt diese in zwei Hauptkategorien ein:
Dieser Artikel legt auch fest, dass bestimmte Handlungen, wie der Einsatz verbotener Waffen und Angriffe auf zivile Objekte, unabhängig vom Konflikttyp als Kriegsverbrechen gelten.
Genfer Konventionen und Zusatzprotokolle:
Die Genfer Konventionen von 1949 und deren Zusatzprotokolle bilden das Kernstück des humanitären Völkerrechts und definieren wesentliche Regeln und Normen für den Schutz von Personen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen. Diese Konventionen enthalten spezifische Bestimmungen, die bei Verletzung als Kriegsverbrechen gelten können, insbesondere im Umgang mit Kriegsgefangenen und dem Schutz von Zivilpersonen.
Haager Landkriegsordnung:
Die Haager Konventionen, insbesondere die Haager Landkriegsordnung von 1907, stellen grundlegende Prinzipien und Regeln der Kriegsführung auf, darunter die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilpersonen sowie die Begrenzung der erlaubten Mittel und Methoden der Kriegsführung.
Gewohnheitsrecht:
Viele der in den Verträgen festgeschriebenen Prinzipien gelten auch als Völkergewohnheitsrecht, was bedeutet, dass sie für alle Staaten bindend sind, auch wenn diese die spezifischen Verträge nicht ratifiziert haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat wesentlich zur Identifizierung und Kodifizierung dieser gewohnheitsrechtlichen Regeln beigetragen.
Universelle Gerichtsbarkeit und Weltrechtsprinzip:
Neben spezifischen internationalen Gerichten können nationale Gerichte Kriegsverbrechen unter dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit verfolgen. Dies ermöglicht es Staaten, Verfahren gegen Kriegsverbrechen anzustrengen, unabhängig davon, wo diese begangen wurden und welche Nationalität der Täter oder das Opfer hat, sofern das nationale Gesetz dies vorsieht.
Sondertribunale:
Für bestimmte Konflikte wurden spezielle ad-hoc Tribunalen eingerichtet, wie z.B. das Internationale Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und das Internationale Strafgericht für Ruanda (ICTR). Diese Tribunalen waren entscheidend für die Entwicklung des internationalen Strafrechts im Bereich der Kriegsverbrechen und haben dazu beigetragen, das Bewusstsein und die Rechenschaftspflicht auf internationaler Ebene zu schärfen.
Deutschland, als Beispiel für die Implementierung internationaler Normen in nationales Recht, verfügt über spezifische gesetzliche Regelungen und Institutionen, die zur Ahndung von Kriegsverbrechen eingerichtet wurden.
Völkerstrafgesetzbuch (VStGB):
Das Völkerstrafgesetzbuch, das im Jahr 2002 in Kraft trat, dient der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs sowie anderer internationaler Verträge. Das Völkerstrafgesetzbuch normiert Kriegsverbrechen in den §§ 8 bis 12 VStGB und schafft eine klare rechtliche Grundlage für die Verfolgung dieser Verbrechen in Deutschland.
Die spezifischen Straftatbestände umfassen unter anderem:
Zuständigkeit und Verfahren:
Die Zuständigkeit zur Verfolgung von Kriegsverbrechen liegt gemäß § 120 Absatz 1 Nr. 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof.
Die Ermittlungen werden vom Bundeskriminalamt (BKA), insbesondere von der Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV), unterstützt. Diese Spezialeinheit ist nicht nur für die Sammlung von Beweisen und die Durchführung von Ermittlungen verantwortlich, sondern auch für die Koordination mit internationalen Organisationen und anderen Staaten.
Weltrechtsprinzip:
Das deutsche Völkerstrafrecht basiert auf dem Weltrechtsprinzip, das es ermöglicht, Kriegsverbrechen zu verfolgen, die von Ausländern im Ausland begangen wurden, sofern sie universelle Normen verletzen. Diese universelle Jurisdiktion zeigt Deutschlands Engagement für die Prinzipien der internationalen Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit.
Die grundlegenden Kriterien für die Bestimmung von Kriegsverbrechen sind im internationalen Recht festgelegt, insbesondere im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, in den Genfer Konventionen sowie durch Völkergewohnheitsrecht.
Völkerrechtliche Definition:
Kriegsverbrechen sind definiert als schwere Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche, die in internationalen und nichtinternationalen bewaffneten Konflikten anwendbar sind. Sie beinhalten Handlungen, die ausdrücklich durch internationale Abkommen verboten sind oder die eine schwere Verletzung der geschützten Rechte und Interessen darstellen.
Kategorien der Kriegsverbrechen:
Die Einteilung der Kriegsverbrechen erfolgt typischerweise in mehrere Kategorien, um das Spektrum der möglichen Verstöße und die spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen, die auf verschiedene Situationen anwendbar sind, zu erfassen:
Kriegsverbrechen gegen Personen:
Diese Kategorie umfasst Handlungen gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Personen, die entweder an den Feindseligkeiten nicht teilnehmen oder sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden. Beispiele hierfür sind:
Kriegsverbrechen gegen Eigentum und andere Rechte:
Diese Kategorie betrifft die unrechtmäßige Aneignung oder Zerstörung von Eigentum, das nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt ist. Hierzu zählen auch Handlungen, die die wirtschaftliche Infrastruktur oder Umwelt schwer beschädigen, mit dem Ziel, der gegnerischen Zivilbevölkerung zu schaden. Beispiele umfassen:
Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme:
Diese Kategorie bezieht sich auf Angriffe oder störende Handlungen gegen humanitäre Hilfe und das Personal, das solche Hilfe leistet, sowie auf den Missbrauch von geschützten Emblemen wie dem Roten Kreuz. Beispiele sind:
Einsatz von verbotenen Methoden und Mitteln der Kriegführung
Zu dieser Kategorie gehören Handlungen, die spezifische Waffen oder Taktiken verwenden, die internationale Abkommen ausdrücklich verbieten. Beispiele sind:
Rechtliche Abgrenzungen
Die Unterscheidung zwischen Kriegsverbrechen und anderen Formen von Verstößen, wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder das Verbrechen der Aggression, ist wesentlich für die korrekte Anwendung des internationalen Rechts. Während Kriegsverbrechen spezifisch im Kontext von bewaffneten Konflikten definiert sind, können Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch in Friedenszeiten auftreten und beziehen sich auf systematische oder weit verbreitete Angriffe gegen die Zivilbevölkerung.
Die rechtliche Auseinandersetzung mit Kriegsverbrechen hat sich über Jahrhunderte entwickelt, wobei sich signifikante Meilensteine aus verschiedenen historischen Epochen identifizieren lassen. Diese Entwicklung spiegelt das wachsende internationale Bewusstsein wider, dass bestimmte Handlungen im Krieg als inakzeptabel gelten und strafrechtlich verfolgt werden müssen.
Bereits in der Antike und im Mittelalter gab es verschiedene Versuche, das Kriegsverhalten durch Recht und Brauchtum zu regulieren. Beispiele wie die mittelalterlichen Ritterkodizes enthielten spezifische Verhaltensregeln, die darauf abzielten, gewisse Grenzen in der Kriegsführung zu setzen.
Die eigentliche Entwicklung des modernen Kriegsvölkerrechts begann jedoch im 19. Jahrhundert:
Die Weltkriege des 20. Jahrhunderts spielten eine entscheidende Rolle bei der Formung des rechtlichen Umgangs mit Kriegsverbrechen:
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sah eine inkrementelle Entwicklung des Völkerstrafrechts:
Die letzten Jahrzehnte haben bedeutende Fortschritte und Herausforderungen in der Behandlung und Verfolgung von Kriegsverbrechen mit sich gebracht. Die internationale Gemeinschaft hat weiterhin auf aktuelle Konflikte und sich ändernde Kriegsführungsmethoden reagiert, um sicherzustellen, dass das humanitäre Völkerrecht relevant und wirksam bleibt.
Seit seiner Gründung im Jahr 2002 hat der IStGH eine zentrale Rolle in der internationalen Strafjustiz eingenommen. Der Gerichtshof hat mehrere Ermittlungen und Verfahren zu Kriegsverbrechen in verschiedenen Ländern durchgeführt, darunter:
Diese Aktivitäten unterstreichen die globale Reichweite und das Engagement des IStGH, die Verantwortlichen von Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem politischen Status.
Die Anpassung des humanitären Völkerrechts an moderne Kriegsführungstechniken und -taktiken, einschließlich asymmetrischer Kriegführung und Cyberkriegsführung, ist ein fortlaufender Prozess. Zum Beispiel:
Die Rolle nationaler Gerichte bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen hat zugenommen, insbesondere unter dem Prinzip der universellen Jurisdiktion. Einige bemerkenswerte Entwicklungen sind:
Internationale und nationale Reaktionen auf Kriegsverbrechen in aktuellen Konflikten wie in Syrien, dem Jemen und Myanmar zeigen die anhaltenden Herausforderungen und die Notwendigkeit effektiver Mechanismen zur Rechenschaftszuführung. Verschiedene internationale Bemühungen, einschließlich Untersuchungen durch den IStGH und andere ad-hoc Tribunalen, zielen darauf ab, Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen zu sichern und Opfern Gerechtigkeit zu bringen.
Israel Kriegsverbrechen – Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts aufgenommen. Diese Untersuchungen zielen darauf ab, individuelle Verantwortlichkeiten für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht festzustellen und zu verfolgen. Israel hat den Gerichtshof nicht anerkannt und widersetzt sich dessen Jurisdiktion, was die Durchführung der Ermittlungen kompliziert. Neben den spezifischen Vorwürfen von Kriegsverbrechen werden auch breitere menschenrechtliche Bedenken geäußert, insbesondere in Bezug auf die Lebensbedingungen im Gazastreifen, die Behandlung palästinensischer Gefangener und die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch die israelische Regierung. Die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Konflikt sind komplex und von politischen Überlegungen stark beeinflusst. Die internationale Gemeinschaft ist in ihrer Meinung über den Konflikt und seine Lösung geteilt, was sich in einer oft polarisierten Berichterstattung und diplomatischen Reaktionen widerspiegelt. Zusätzlich erschwert die fortgesetzte Besetzung und die rechtlichen Unsicherheiten über rechtsstaatliche Strukturen infolge der Justizreform in Israel sowie bezüglich der Territorien die Situation.
Trotz der Fortschritte im internationalen Recht gibt es weiterhin erhebliche Herausforderungen bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen, darunter politische Einflüsse, die begrenzte Reichweite internationaler Gerichtshöfe und die oft schwierige Beweislage. Kritiker weisen zudem auf die selektive Gerechtigkeit und die Unfähigkeit internationaler Institutionen hin, mächtige Staaten zur Rechenschaft zu ziehen.
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