Die Kaltverdunstung bezeichnet eine besondere Vereinbarung zwischen einem Kreditgeber und einem Kreditnehmer, bei der die Rückzahlung eines Darlehens in gleichen Raten erfolgt und keine Zinsen anfallen, solange der Kreditnehmer die vereinbarten Raten termingerecht begleicht. Im Falle eines Zahlungsverzugs werden jedoch rückwirkend Verzugszinsen auf die bereits getilgten Beträge (Kaltverdunstung) fällig. In diesem ersten Teil unseres zweiteiligen Artikels werden wir die rechtlichen Grundlagen der Kaltverdunstung und ihre Zulässigkeit und Wirksamkeit im Detail betrachten.
Obwohl die Kaltverdunstung in Deutschland nicht gesetzlich geregelt ist, basiert sie auf privatrechtlichen Vereinbarungen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert sind. Die wichtigsten Gesetzesstellen sind:
§ 488 BGB: Darlehensvertrag – Hier wird das grundsätzliche Rechtsverhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer geregelt.
§ 490 BGB: außerordentliche Kündigung bei Gefährdung des Kreditziels – Diese Norm gibt dem Kreditgeber das Recht, den Vertrag außerordentlich zu kündigen, falls das vereinbarte Kreditziel gefährdet ist.
§ 286 BGB: Verzug des Schuldners – Bestimmt, wann der Schuldner (Kreditnehmer) im Verzug ist, eine Voraussetzung für die Anwendung der Kaltverdunstung.
§ 288 BGB: Verzugszinsen – Regelung der Zinsen, die im Verzugssituationen anfallen können.
Um die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Kaltverdunstung beurteilen zu können, sind zwei Aspekte besonders wichtig:
Kalkulation der rückwirkend fälligen Zinsen: Diese muss den Grundsätzen der Schadensminderung gemäß § 254 Absatz 2 BGB entsprechen und darf nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kreditnehmers führen (§ 307 BGB).
Transparenz der Regelung für den Kreditnehmer: Der Kreditnehmer muss im Klaren darüber sein, welche finanziellen Verpflichtungen auf ihn zukommen könnten, wenn er mit einer Rate in Verzug gerät.
Nehmen wir das Beispiel von Herrn Müller, der bei seiner Bank einen Kredit zur Finanzierung eines Autos aufnimmt. Die Bank gewährt einen Zinssatz von 5% p.a. auf den Kreditbetrag. Es wird vereinbart, dass keine Zinsen anfallen, solange Herr Müller die monatlichen Raten pünktlich begleicht (Kaltverdunstung).
Herr Müller hat es geschafft, die ersten 12 Raten seines Autokredits termingerecht zu begleichen. Jedoch kommt er im 13. Monat in Verzug. Gemäß der Kaltverdunstungsvereinbarung werden nun 5% Zinsen rückwirkend ab Beginn der Kreditlaufzeit fällig. Wichtig zu beachten ist, dass die Bank nur die Zinsen berechnen darf, die sich aus der tatsächlichen Nutzung des Darlehens ergeben. Die Bank muss zudem eventuellen Schadensminderungen Rechnung tragen.
Wenn eine Kaltverdunstungsvereinbarung als unzulässig betrachtet wird, kann dies erhebliche Rechtsfolgen für den Kreditgeber haben:
Rückforderung: Der Kreditnehmer kann die Rückzahlung der unrechtmäßig berechneten Zinsen verlangen.
Schadensersatzansprüche: Unter bestimmten Umständen kann der Kreditnehmer Schadensersatz gemäß § 280 BGB verlangen.
Vertragsanpassung: Der Kreditnehmer kann eine Anpassung des Darlehensvertrags an die gesetzlichen Bestimmungen fordern, wofür jedoch die Zustimmung des Kreditgebers gemäß §§ 315, 319 BGB erforderlich ist.
Die Kaltverdunstung in Darlehensverträgen stellt ein interessantes Instrument dar, das für beide Parteien Vorteile haben kann. Jedoch ist es essentiell, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und mögliche Rechtsfolgen stets im Blick zu behalten.
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