Das deutsche Rechtssystem erkennt die Besonderheit der jugendlichen Psyche und Entwicklung an und hat daher ein spezialisiertes Gerichtssystem für Jugendliche und Heranwachsende: das Jugendgericht. Dieses Gericht befasst sich mit strafrechtlichen Angelegenheiten von Personen, die zum Zeitpunkt ihrer mutmaßlichen Straftat zwischen 14 und 20 Jahre alt sind. Im Fokus dieser Jugendkriminalität steht dabei weniger die Bestrafung als vielmehr die Erziehung und Resozialisierung des jungen Menschen.
Die rechtliche Basis für das Jugendgericht bildet das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Dieses Gesetz enthält spezielle Vorschriften, die darauf abzielen, die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Jugendstrafverfahren zu schützen und zu definieren. Zu den Beteiligten zählen der jugendliche Beschuldigte, die Erziehungsberechtigten, das Jugendamt und die verschiedenen jugendgerichtlichen Verfahrensbeteiligten wie Richter, Staatsanwalt und Verteidiger. Insbesondere die Zuständigkeiten der Jugendgerichte werden in den §§ 33 JGG bis § 41 JGG festgelegt.
Ein zentrales Element des JGG ist die Altersgrenze für seine Anwendung. Gemäß § 1 JGG ist das Gesetz anwendbar, wenn der Beschuldigte zur Zeit der Tat ein Jugendlicher (14 bis 17 Jahre alt) oder ein Heranwachsender (18 bis 20 Jahre alt) war. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass in bestimmten Fällen, abhängig von der Reife des Täters und der Schwere der Tat, auch das allgemeine Strafrecht (StGB) für Heranwachsende zur Anwendung kommen kann, wie es § 105 JGG vorschreibt.
Da das Hauptziel der Jugendgerichtsbarkeit die Erziehung und nicht die Bestrafung ist, wurden für Jugendliche und Heranwachsende besondere Sanktionen im JGG festgelegt. Diese finden sich in den §§ 9 JGG bis 31 JGG und umfassen unter anderem Erziehungsmaßregeln wie Weisungen oder Ermahnungen, Zuchtmittel wie Geldbußen oder Freizeitentzug sowie die Jugendstrafe, welche eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu fünf Jahren darstellt.
Im Jugendstrafverfahren gibt es im Vergleich zum allgemeinen Strafverfahren einige bedeutende Unterschiede:
Verfahrenstrennung: Gemäß § 34 JGG sollte, wenn möglich, zwischen Jugendlichen und Erwachsenen im Verfahren getrennt werden.
Beschleunigung: Das Verfahren sollte zügig und ohne unnötige Verzögerungen durchgeführt werden, wie in § 37 JGG festgelegt.
Öffentlichkeit: Die Hauptverhandlung wird grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt (§ 48 JGG).
Jugendamt: Das Jugendamt beteiligt sich als gesetzlicher Vertreter des Jugendlichen oder Heranwachsenden am Verfahren (§ 38 JGG).
Verlesung der Anklageschrift: Zu Beginn der Hauptverhandlung wird die Anklageschrift verlesen (§ 54 JGG).
Erziehungs- und Entwicklungsberichte: Solche Berichte werden genutzt, um die Persönlichkeit des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu beurteilen (§ 67 JGG).
Ein 16-jähriger Jugendlicher wird beschuldigt, gemeinsam mit zwei Freunden einen Ladendiebstahl begangen zu haben. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, unter Einbeziehung des örtlichen Jugendamtes, wird Anklage gegen die drei Jugendlichen erhoben. Das zuständige Jugendgericht leitet das Hauptverfahren ein und die Hauptverhandlung, die ohne Öffentlichkeit stattfindet, wird durchgeführt. Das Gericht überzeugt sich davon, dass die Jugendlichen den Diebstahl gemeinschaftlich begangen haben und verhängt unterschiedliche Erziehungsmaßregeln: Ein sozialer Trainingskurs, eine Arbeitsauflage von 40 Stunden und eine Ermahnung.
Das Jugendgericht, als spezielles Gericht für Jugendliche und Heranwachsende, legt Wert auf die Erziehung und Resozialisierung der Beschuldigten, anstatt sie lediglich zu bestrafen. Mit den Regelungen des Jugendgerichtsgesetzes wird versucht, den besonderen Umständen und Bedürfnissen von jugendlichen Straftätern gerecht zu werden und ihnen eine zweite Chance in der Gesellschaft zu geben.
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