Ein innerbetrieblicher Schadensausgleich kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer durch Unachtsamkeit oder Fehlverhalten einen Schaden verursachen. Diese Situationen werfen rechtlich komplexe Fragen auf: In welchem Umfang haftet der Arbeitnehmer, und wann greift der sogenannte innerbetriebliche Schadensausgleich? In diesem Beitrag erläutern wir die rechtlichen Grundlagen, geben Beispiele und zeigen auf, wie die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt wird.
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Der innerbetriebliche Schadensausgleich ist ein Mechanismus im Arbeitsrecht, der die Haftung des Arbeitnehmers bei Schäden, die im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit entstehen, begrenzt. Grundlegend für diese Haftungserleichterung ist die Erkenntnis, dass der Arbeitnehmer im Interesse und zugunsten des Arbeitgebers handelt. Der Arbeitnehmer trägt zwar Verantwortung für seine Handlungen, jedoch wird anerkannt, dass der Arbeitgeber ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse an der Tätigkeit des Arbeitnehmers hat. Diese Anerkennung führt zur sogenannten privilegierten Arbeitnehmerhaftung.
Die Anwendung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs setzt voraus, dass der Schaden im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden ist. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer eine Handlung ausführt, die im funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb steht und dem Arbeitgeber dient. Dies kann entweder durch eine ausdrückliche Weisung des Arbeitgebers oder im eigenen Interesse des Unternehmens geschehen.
Bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten wird der Arbeitnehmer, abhängig vom Grad des Verschuldens, von der Haftung ganz oder teilweise entlastet. Es wird zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit unterschieden. Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel nicht, während bei mittlerer Fahrlässigkeit eine Quotelung der Haftung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfolgt. Nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz trägt der Arbeitnehmer den Schaden vollständig. Dies stellt sicher, dass der Arbeitnehmer nicht für jeden Fehler finanziell bestraft wird, insbesondere wenn er nur leicht fahrlässig handelt.
Die rechtliche Grundlage für den innerbetrieblichen Schadensausgleich findet sich in verschiedenen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):
Der innerbetriebliche Schadensausgleich teilt die Haftung des Arbeitnehmers im Schadensfall nach dem Grad seines Verschuldens auf. Das Prinzip dieser Haftungserleichterung berücksichtigt die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Fehler machen kann, die einen Schaden verursachen. Die Haftung wird dabei in drei Hauptstufen eingeteilt: leichte Fahrlässigkeit, mittlere Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz. Je nach Schwere des Fehlers ergeben sich unterschiedliche Haftungsfolgen:
Bei leichter Fahrlässigkeit handelt es sich um geringfügige, leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeiten, die jedem Arbeitnehmer im Laufe seines Berufslebens passieren können. In diesen Fällen greift eine vollständige Haftungsbefreiung des Arbeitnehmers. Ein klassisches Beispiel wäre, wenn ein Mitarbeiter versehentlich eine Tasse Kaffee über Arbeitsdokumente kippt oder aus Unachtsamkeit Materialien vom Tisch stößt. Diese Art von Fehlern stellt in der Regel kein ernsthaftes Verschulden dar, weshalb der Arbeitnehmer in solchen Fällen nicht für den entstandenen Schaden haftet.
Im Fall von mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine Haftungsaufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die als Quotelung bezeichnet wird. Anders als bei leichter Fahrlässigkeit, wo der Arbeitnehmer vollständig freigestellt wird, und bei grober Fahrlässigkeit, bei der der Arbeitnehmer allein haftet, führt mittlere Fahrlässigkeit zu einer proportionalen Aufteilung des Schadens. Diese Quotelung berücksichtigt dabei verschiedene Faktoren, die für eine faire und angemessene Verteilung der Haftung maßgeblich sind.
Die wesentlichen Faktoren, die bei der Quotelung berücksichtigt werden, sind:
Die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Bestimmung der Haftungsquote. Tätigkeiten, die mit einem höheren Risiko verbunden sind, wie das Bedienen von Maschinen oder das Führen von Fahrzeugen, beinhalten bereits ein höheres Schadenspotenzial. In solchen Fällen trägt der Arbeitgeber in der Regel einen größeren Teil des Schadens, da er die Verantwortung für die Organisation der Arbeit trägt und das Risiko dieser Tätigkeiten in seine betriebliche Planung einkalkulieren muss. Je gefahrgeneigter die Tätigkeit, desto mehr Haftung wird dem Arbeitgeber zugeschrieben.
Die Höhe des Schadens spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Bei sehr hohen Schäden wird tendenziell eine geringere Haftungsquote für den Arbeitnehmer angesetzt, um ihn nicht finanziell zu überlasten. So wird etwa bei Schäden, die ein existenzbedrohendes Maß annehmen, oft entschieden, dass der Arbeitnehmer nur einen kleinen Teil des Schadens zu tragen hat, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern. Insbesondere bei mittlerer Fahrlässigkeit kann die Haftung des Arbeitnehmers auf ein Bruttomonatsgehalt beschränkt werden, um die finanzielle Belastung in einem erträglichen Rahmen zu halten.
Ein weiterer maßgeblicher Faktor ist die Versicherbarkeit des Risikos. Arbeitgeber haben in vielen Fällen die Möglichkeit, sich gegen typische Schäden durch Haftpflicht- oder Kaskoversicherungen abzusichern. Wenn der Arbeitgeber eine solche Versicherung abgeschlossen hat, die den entstandenen Schaden abdecken könnte, spricht dies dafür, dass der Arbeitnehmer nur einen geringen oder gar keinen Teil des Schadens zu tragen hat. Auch wenn der Arbeitgeber keine Versicherung abgeschlossen hat, wird dennoch oft nur die fiktive Selbstbeteiligung bei einer Versicherung als Obergrenze für die Haftung des Arbeitnehmers herangezogen.
Die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, seine Erfahrung und Qualifikation beeinflussen ebenfalls die Haftungsverteilung. Ein erfahrener Mitarbeiter in einer höheren Position, der möglicherweise mehr Verantwortung trägt, kann stärker in die Haftung einbezogen werden als ein unerfahrener oder neu eingestellter Arbeitnehmer. So wird von Führungskräften erwartet, dass sie besonders sorgfältig handeln. Auf der anderen Seite kann ein unerfahrener Mitarbeiter, der nicht ausreichend eingewiesen wurde, weniger stark haftbar gemacht werden.
Die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie sein Einkommen, die Betriebszugehörigkeit, seine familiären Verpflichtungen und seine wirtschaftliche Situation, fließen ebenfalls in die Quotelung ein. Die Rechtsprechung legt großen Wert darauf, dass die Haftung des Arbeitnehmers nicht dessen finanzielle Existenz gefährdet. Insbesondere bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen oder solchen, die eine Familie zu versorgen haben, wird die Haftungsquote oft so bemessen, dass sie finanziell tragbar ist.
Ein weiterer Faktor bei der Quotelung ist die Frage, wie gut der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in die jeweiligen Aufgaben eingewiesen wurde. Organisatorische Mängel oder unzureichende Einweisungen können zu einer Reduktion der Haftung des Arbeitnehmers führen. Der Arbeitgeber hat die Pflicht, den Arbeitnehmer umfassend zu schulen und ihn auf die Risiken aufmerksam zu machen, die mit seinen Tätigkeiten verbunden sind. Unterbleiben diese Maßnahmen, trägt der Arbeitgeber einen größeren Teil des Schadens.
Im Gegensatz zur mittleren Fahrlässigkeit führt grobe Fahrlässigkeit dazu, dass der Arbeitnehmer den gesamten Schaden allein tragen muss. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt, etwa wenn er grundlegende Sicherheitsvorschriften missachtet. Ein Beispiel dafür wäre das Überfahren einer roten Ampel während einer dienstlichen Fahrt, was zu einem Unfall führt. In solchen Fällen sieht die Rechtsprechung eine volle Haftung des Arbeitnehmers vor.
Vorsatz, also das bewusste und absichtliche Herbeiführen eines Schadens, führt ebenfalls zur vollständigen Haftung des Arbeitnehmers. Hier wird davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer den Schaden wissentlich und willentlich verursacht hat, weshalb ihm die volle Verantwortung zugeschrieben wird.
Ein anschauliches Beispiel für den innerbetrieblichen Schadensausgleich ist ein Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Az.: 13 Sa 1171/18) verhandelt wurde. Der Fall betrifft einen Berufskraftfahrer, der einen beladenen LKW abseits des Betriebsgeländes abstellte. Der Auflieger, der mit Kosmetik- und Hygieneartikeln im Wert von fast 100.000 Euro beladen war, wurde daraufhin gestohlen. Die Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers übernahm den größten Teil des Schadens, jedoch forderte der Arbeitgeber vom Fahrer die verbleibenden 14.502 Euro.
Der Fahrer hatte den LKW nach einer Fahrt von Köln nach Essen in einer Seitenstraße außerhalb des gesicherten Betriebshofs der Firma abgestellt. Laut den Anweisungen des Arbeitgebers war er jedoch verpflichtet, den LKW auf dem Betriebshof zu parken, der durch ein Rolltor gesichert war. Obwohl zu diesem Zeitpunkt angeblich Platz auf dem Betriebsgelände vorhanden war, stellte der Fahrer den LKW nicht dort ab. Der Arbeitgeber argumentierte, dass der Fahrer den Diebstahl durch diese pflichtwidrige Handlung erst ermöglicht habe, da der LKW ungesichert abgestellt wurde.
Der LKW-Fahrer hingegen gab an, dass er den Betriebshof als voll belegt vorgefunden hatte und dass es betriebliche Übung gewesen sei, in solchen Fällen den LKW in einer nahegelegenen Seitenstraße abzustellen. Zudem führte er an, dass ihm in einem Telefonat mit dem Disponenten keine expliziten Anweisungen gegeben worden seien, den LKW auf dem Betriebsgelände abzustellen. Die Disposition habe außerdem keine Kontrolle über den Verbleib des LKW ausgeübt.
Das Arbeitsgericht Essen und später das Landesarbeitsgericht Düsseldorf stellten fest, dass der Fahrer zwar fahrlässig gehandelt hatte, indem er den LKW nicht auf dem Betriebshof abstellte, dennoch entschieden die Gerichte, dass der Arbeitnehmer nicht voll haftbar gemacht werden könne. Stattdessen wurde der Fall unter den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs beurteilt.
Da der Fahrer den LKW im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit gefahren und abgestellt hatte, erkannte das Gericht, dass die Haftung nicht vollständig auf ihn abgewälzt werden konnte. Es handelte sich nicht um grobe Fahrlässigkeit, sondern um mittlere Fahrlässigkeit, da der Fahrer zwar eine Weisung missachtet hatte, aber nicht absichtlich oder grob fahrlässig gehandelt hatte.
Nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs wurde daher eine Quotelung des Schadens vorgenommen. Die Parteien entschieden in einem Vergleich, dass der Fahrer einen Anteil des Schadens von 2.000 Euro übernehmen müsse, während der Arbeitgeber den verbleibenden Teil des Schadens trug..
Um die Haftung eines Arbeitnehmers im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs systematisch zu prüfen, kann folgendes Schema verwendet werden, das sich an den wesentlichen Rechtsgrundlagen orientiert. Dabei wird die Haftung in zwei zentrale Bereiche unterteilt: die Haftung gegenüber dem Arbeitgeber und gegenüber Dritten.
I. Personenschäden (nach §§ 823 ff. BGB)
II. Sachschäden (nach § 280 Absatz 1 BGB)
I. Personenschäden (nach §§ 823 ff. BGB)
II. Sachschäden (nach § 280 Absatz 1 BGB und § 823 BGB)
Bitte unbedingt folgenden Haftungsausschluss bzgl. des Rechtslexikons beachten.