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Herrenlose Grundstücke – Aneignungsrecht, Tipps und Tricks, Risiken und Vorteile, FAQ

Herrenlose Grundstücke sind Immobilien, die durch den Verzicht des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt und die Eintragung dieses Verzichts im Grundbuch herrenlos werden. In diesem Beitrag werden wir umfassend die rechtlichen Grundlagen, die Risiken und Herausforderungen sowie die praktischen Schritte zur Aneignung herrenloser Grundstücke erläutern. Besonders beleuchtet werden die gesetzlichen Bestimmungen nach § 928 BGB und die damit verbundenen Aneignungsrechte der Bundesländer. Wir bieten zudem praktische Tipps, wie man herrenlose Grundstücke finden und erwerben kann.

I. Was sind herrenlose Grundstücke?

Herrenlose Grundstücke sind Immobilien, deren Eigentümer durch eine formale Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt auf ihr Eigentum verzichtet haben, wie in § 928 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt.

§ 928 Aufgabe des Eigentums, Aneignung des Fiskus

(1) Das Eigentum an einem Grundstück kann dadurch aufgegeben werden, dass der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamt gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird.
(2) Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen Grundstücks steht dem Fiskus des Landes zu, in dem das Grundstück liegt. Der Fiskus erwirbt das Eigentum dadurch, dass er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen lässt.

Nach dieser Erklärung und der entsprechenden Eintragung im Grundbuch wird das Grundstück herrenlos. Dies gilt sowohl für bebaute als auch für unbebaute Grundstücke, wie Acker- und Grünflächen sowie Waldgrundstücke. Solche Grundstücke sind oft stark sanierungsbedürftig und mit Hypotheken oder Grundschulden belastet.

 

II. Rechtliche Grundlagen und Aneignungsrecht

Gemäß § 928 Absatz 2 BGB hat das Bundesland, in dem das herrenlose Grundstück liegt, das Recht, sich dieses Grundstück anzueignen. Dieses Aneignungsrecht gibt dem Fiskus die Möglichkeit, das Eigentum an dem herrenlosen Grundstück zu übernehmen, wenn der vorherige Eigentümer durch eine formelle Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt auf sein Eigentum verzichtet hat und dieser Verzicht im Grundbuch eingetragen wurde.

Aneignungsrecht des Fiskus: Das Aneignungsrecht ist jedoch nicht verpflichtend. Das Bundesland kann entscheiden, ob es dieses Recht ausüben möchte, was in der Regel nur dann erfolgt, wenn ein unmittelbares Interesse des Landes besteht. Beispielsweise könnte das Grundstück für öffentliche Projekte, den Bau von Infrastruktur oder andere staatliche Zwecke benötigt werden. Falls kein solches Interesse vorliegt, prüft das Land, ob das Grundstück anderweitig genutzt oder das Aneignungsrecht an einen Dritten übertragen werden kann.

Übertragung des Aneignungsrechts: Das Bundesland kann sein Aneignungsrecht gegen Zahlung eines Entgeltes an Dritte übertragen. Dies bedeutet, dass Privatpersonen oder Investoren das Recht erwerben können, sich das herrenlose Grundstück anzueignen. Der Verkauf des Aneignungsrechts erfolgt in der Regel durch öffentliche Ausschreibung oder Auktionen. Der Höchstbietende erhält dann das Recht, sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen zu lassen.

Regionale Zuständigkeiten für herrenlose Grundstücke: In Hessen ist der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) für die Verwaltung und Verwertung herrenloser Grundstücke zuständig. Der LBIH entscheidet über die Ausübung des Aneignungsrechts und die Bedingungen, unter denen das Aneignungsrecht verkauft wird. In Brandenburg übernimmt der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) diese Aufgabe. Der BLB wird vom Ministerium der Finanzen und für Europa (MdFE) informiert, sobald ein Grundstück herrenlos wird, und prüft dann, ob ein Landesinteresse besteht oder ob das Aneignungsrecht veräußert werden soll.

Prüfen Sie im Einzelfall, welche Behörde in Ihrem Bundesland für herrenlose Grundstücke zuständig ist.

Praktische Umsetzung und Entscheidungsprozess: Bevor ein Bundesland das Aneignungsrecht ausübt, erfolgt eine individuelle Prüfung jedes Falls. Diese Prüfung berücksichtigt unter anderem den Zustand des Grundstücks, bestehende Belastungen und die potenzielle wirtschaftliche Verwertbarkeit. Falls das Grundstück mit Hypotheken oder anderen Belastungen versehen ist, wird geprüft, ob das Land oder der zukünftige Eigentümer diese Belastungen übernehmen kann oder ob diese die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks erheblich beeinträchtigen.

Ablauf der Aneignung: Der formale Ablauf der Aneignung beginnt mit der Mitteilung des Grundbuchamtes über den Verzicht des bisherigen Eigentümers. Das Bundesland hat dann die Möglichkeit, sich durch eine Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt als neuer Eigentümer eintragen zu lassen. Wenn das Bundesland das Aneignungsrecht nicht selbst ausübt, kann es das Recht verkaufen. Der Erwerber dieses Rechtes muss ebenfalls eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt abgeben, um als Eigentümer eingetragen zu werden.

Wirtschaftliche und rechtliche Implikationen: Der Erwerb eines herrenlosen Grundstücks ist oft wirtschaftlich attraktiv, da der Preis in der Regel unter dem Marktwert liegt. Allerdings müssen Käufer die bestehenden Belastungen und den Zustand des Grundstücks sorgfältig prüfen. Rechtlich bleibt das Grundstück bis zur endgültigen Entscheidung des Fiskus oder des Erwerbers herrenlos, was bedeutet, dass keine Rechte und Ansprüche gegen das Land oder den früheren Eigentümer geltend gemacht werden können.

 

III. Risiken und rechtliche Herausforderungen beim Erwerb herrenloser Grundstücke

Der Erwerb herrenloser Grundstücke kann auf den ersten Blick eine attraktive Investitionsmöglichkeit darstellen, da diese Grundstücke häufig zu einem geringeren Preis als der Marktwert angeboten werden. Allerdings birgt der Erwerb solcher Grundstücke mehrere Risiken und rechtliche Herausforderungen, die potenzielle Käufer sorgfältig abwägen müssen.

 

1. Bestehende Grundstücksbelastungen

Ein zentrales Risiko beim Erwerb herrenloser Grundstücke besteht darin, dass alle bestehenden Belastungen des Grundstücks, wie Hypotheken, Grundschulden und andere dingliche Rechte, auch nach der Aufgabe des Eigentums bestehen bleiben. Dies bedeutet, dass der neue Eigentümer alle diese finanziellen Verpflichtungen übernehmen muss, was die wirtschaftliche Attraktivität des Grundstücks erheblich beeinträchtigen kann.

Neben privaten Hypotheken und Grundschulden können herrenlose Grundstücke auch öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen unterliegen, wie z.B. ausstehende Grundsteuern, Erschließungs- und Anschlussbeiträge oder Abrissverfügungen. Diese Verpflichtungen bleiben ebenfalls bestehen und gehen auf den neuen Eigentümer über.

 

2. Keine Garantie für den Zustand des Grundstücks

Da das Bundesland nicht als Eigentümer des herrenlosen Grundstücks auftritt, kann es keine Auskünfte über den tatsächlichen Zustand des Grundstücks geben. Der potenzielle Käufer erhält somit keine Garantie bezüglich eventueller Schäden, Altlasten oder notwendiger Sanierungsarbeiten. Diese Unsicherheiten können zu erheblichen zusätzlichen Kosten führen, die im Vorfeld schwer abschätzbar sind.

Sollte von einem herrenlosen Grundstück eine Gefahr ausgehen, ist die zuständige Ordnungsbehörde verpflichtet, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen. Die Kosten hierfür können dem neuen Eigentümer in Rechnung gestellt werden, sobald er im Grundbuch eingetragen ist.

Der Prozess der Aneignung herrenloser Grundstücke ist mit verschiedenen Verwaltungs- und Rechtskosten verbunden. Dazu gehören die Kosten für die notarielle Beurkundung der Aneignungserklärung, Gebühren für die Eintragung ins Grundbuch und mögliche Kosten für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Diese zusätzlichen Kosten sollten im Vorfeld kalkuliert und in die Entscheidung einbezogen werden.

 

IV. Herrenlose Grundstücke finden

Das Finden herrenloser Grundstücke erfordert Geduld und die Nutzung verschiedener Strategien:

  1. Online-Suche: Spezialisierte Immobilienportale und Datenbanken können nützliche Informationen liefern. Plattformen wie Immobilienscout24 und Webseiten der Landesliegenschaftsverwaltungen sind hilfreiche Ressourcen.
  2. Kontakt zu Behörden: Grundbuchämter und Kommunalverwaltungen können Listen von Grundstücken führen, deren Eigentumsverhältnisse ungeklärt sind. Eine direkte Anfrage bei diesen Stellen kann wertvolle Hinweise liefern.
  3. Immobilienmakler und Netzwerke: Professionelle Makler und spezialisierte Foren bieten oft Zugang zu versteckten Angeboten herrenloser Grundstücke.
  4. Zusammenarbeit mit dem Finanzamt: In Fällen, in denen Steuern für ein Grundstück nicht bezahlt wurden, kann das Finanzamt Hinweise auf herrenlose Grundstücke geben.

 

V. Schritte zum Erwerb herrenloser Grundstücke

  1. Recherche: Prüfung des Grundbuchs, Steuerakten und anderer Dokumente.
  2. Ankündigung: Öffentliche Bekanntmachung, um potenzielle Ansprüche zu ermöglichen.
  3. Antragstellung: Einreichung bei den zuständigen Behörden.
  4. Überprüfung: Prüfung durch Behörden, ob alle Anforderungen erfüllt sind.
  5. Kosten: Bezahlung aller anfallenden Gebühren und Abgaben.
  6. Eigentumsübertragung: Nach Genehmigung erfolgt die Übertragung auf den neuen Eigentümer.

 

VI. Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Herrenlose Grundstücke

Kann ich herrenlose Grundstücke kostenlos finden und erwerben?

Während der Erwerb herrenloser Grundstücke oft unter dem Marktwert möglich ist, fallen in der Regel Kosten für rechtliche Schritte und Gebühren an. Diese beinhalten:

  • Notarkosten: Für die Beurkundung der Verzichtserklärung und den Aneignungsvertrag.
  • Grundbuchgebühren: Für die Eintragung des neuen Eigentümers.
  • Prüfungs- und Recherchekosten: Für die rechtliche und technische Überprüfung des Grundstücks.
  • Eventuelle Rückstände: Öffentliche Abgaben, wie Grundsteuern oder Erschließungskosten, müssen möglicherweise vom neuen Eigentümer übernommen werden.

Kostenlos sind diese Grundstücke selten, da die rechtlichen und administrativen Schritte sowie mögliche Altlasten finanzielle Aufwendungen erfordern.

Wie lange dauert der Prozess, herrenlose Grundstücke zu erwerben?

Der Prozess kann langwierig sein und hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Mitteilung und Bearbeitung durch das Grundbuchamt: Nachdem der ursprüngliche Eigentümer auf das Grundstück verzichtet hat, muss das Grundbuchamt den Verzicht bearbeiten und eintragen.
  • Prüfung durch das Bundesland: Das Bundesland prüft, ob es sein Aneignungsrecht ausüben möchte oder das Recht veräußern kann.
  • Ausschreibung und Veräußerung: Falls das Bundesland das Aneignungsrecht verkauft, kann dies über eine Ausschreibung oder Auktion erfolgen, was zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt.
  • Rechtliche Schritte: Die Aneignungserklärung, notarielle Beurkundung und Eintragung ins Grundbuch können mehrere Wochen bis Monate dauern.
  • Gesamtdauer: Insgesamt kann der Prozess von mehreren Monaten bis zu über einem Jahr dauern, abhängig von der Komplexität des Falls und der Effizienz der beteiligten Behörden.

Kann jeder herrenlose Grundstücke erwerben?

Ja, grundsätzlich kann jeder herrenlose Grundstücke erwerben, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Natürliche und juristische Personen: Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen können herrenlose Grundstücke erwerben.
  • Erwerbsvoraussetzungen: Die Interessenten müssen das Aneignungsrecht erwerben, was über Ausschreibungen, Auktionen oder direkte Käufe erfolgen kann.
  • Rechtliche Schritte: Die notwendigen rechtlichen Schritte, wie die Erklärung der Aneignung gegenüber dem Grundbuchamt und die notarielle Beurkundung, müssen korrekt durchgeführt werden.
  • Keine Einschränkungen: Es gibt keine speziellen Einschränkungen oder Anforderungen, die bestimmte Personengruppen vom Erwerb herrenloser Grundstücke ausschließen würden, abgesehen von der Fähigkeit, die anfallenden Kosten und Verpflichtungen zu tragen.

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