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Gefahrübergang im Kaufrecht leicht erklärt – Wann trägt der Käufer das Risiko?

Der Gefahrübergang ist ein zentraler Begriff im allgemeinen Schuldrecht und beschreibt den Zeitpunkt, an dem das Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung einer Sache vom Schuldner auf den Gläubiger übergeht. Diese rechtliche Verschiebung der Gefahr hat erhebliche praktische Auswirkungen, insbesondere im Kaufrecht. Neben der allgemeinen Regelung des Gefahrübergangs nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es spezifische Bestimmungen, die im Kaufvertrag, Werkvertrag und im Verbrauchsgüterkauf zur Anwendung kommen. Im Folgenden wird der Begriff des Gefahrübergangs in seinen unterschiedlichen Anwendungsbereichen ausführlich erläutert.

I. Gefahrübergang im Kaufrecht

Im Kaufrecht bestimmt der Gefahrübergang den Zeitpunkt, ab dem das Risiko für den zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Kaufsache auf den Käufer übergeht. Dies bedeutet, dass der Verkäufer ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für die Unversehrtheit der Sache verantwortlich ist. Die gesetzlichen Regelungen zum Gefahrübergang im Kaufrecht sind im Wesentlichen in den §§ 446 und 447 BGB verankert. Es gibt jedoch zusätzlich spezielle Vorschriften, die den Verbrauchsgüterkauf betreffen und die den Verbraucher vor einem ungünstigen Risikoübergang schützen.

 

1. Gefahrübergang nach § 446 BGB – Übergabe der Kaufsache

Gemäß § 446 Satz 1 BGB geht die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung einer Kaufsache grundsätzlich mit der Übergabe auf den Käufer über.

§ 446 Gefahr- und Lastenübergang

Mit der Übergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Von der Übergabe an gebühren dem Käufer die Nutzungen und trägt er die Lasten der Sache. Der Übergabe steht es gleich, wenn der Käufer im Verzug der Annahme ist.

Mit der Übergabe erhält der Käufer nicht nur den Besitz an der Sache, sondern trägt ab diesem Zeitpunkt auch das Risiko, dass die Kaufsache durch zufällige Ereignisse, wie z.B. Unfälle, Feuer oder Naturkatastrophen, beschädigt wird oder gar untergeht. Diese Regelung gilt selbst dann, wenn der Eigentumserwerb noch unter einem Vorbehalt steht, etwa bei einem Eigentumsvorbehalt. In diesen Fällen bleibt der Verkäufer zwar formell Eigentümer, das Risiko für den zufälligen Untergang oder die Verschlechterung trägt jedoch bereits der Käufer.

Ein typisches Beispiel für die praktische Relevanz dieser Regelung ist der Kauf von Gegenständen, die der Käufer erst nach der Übergabe vollständig bezahlt. Auch wenn der Käufer noch nicht Eigentümer der Sache geworden ist, liegt das Risiko eines zufälligen Schadens bereits bei ihm.

 

2. Gefahrübergang beim Versendungskauf (§ 447 BGB)

Besonders praxisrelevant ist der Versendungskauf, der in § 447 BGB geregelt ist.

§ 447 Gefahrübergang beim Versendungskauf

(1) Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat.
(2) Hat der Käufer eine besondere Anweisung über die Art der Versendung erteilt und weicht der Verkäufer ohne dringenden Grund von der Anweisung ab, so ist der Verkäufer dem Käufer für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich.

Beim Versendungskauf geht die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Kaufsache bereits in dem Moment auf den Käufer über, in dem der Verkäufer die Ware an den Spediteur, Frachtführer oder eine andere zur Ausführung der Versendung bestimmte Person übergibt. Dies bedeutet, dass der Käufer das Risiko trägt, sobald die Ware auf dem Weg zu ihm ist – und zwar auch dann, wenn er die Ware noch gar nicht erhalten hat.

Dieser frühe Gefahrübergang stellt für den Käufer ein erhebliches Risiko dar, insbesondere da er für etwaige Schäden, die während des Transports entstehen, haftet. Falls die Ware beispielsweise durch ein Transportunternehmen beschädigt oder verloren geht, hat der Käufer keine Möglichkeit, den Verkäufer in die Verantwortung zu ziehen. Dies zeigt, dass der Käufer beim Versendungskauf einer besonderen Gefahr ausgesetzt ist, da er den Zustand der Ware nicht kontrollieren kann, bevor diese an ihn ausgeliefert wird.

 

3. Verbrauchsgüterkauf – Sonderregelung nach § 474 BGB

Infolge der Risikoerhöhung zulasten des Käufers sieht das BGB bestimmte Abweichungen von dieser Gefahrtragungsregelung beim Verbrauchsgüterkauf vor. Ein solcher Verbrauchsgüterkauf liegt gemäß § 474 Absatz 1 BGB vor, wenn ein Verbraucher eine bewegliche Sache von einem Unternehmer kauft. Hier sieht das Gesetz in § 475 Absatz 2 BGB vor, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Sache bei einem Verbrauchsgüterkauf erst dann auf den Käufer übergeht, wenn er die Ware tatsächlich erhalten hat. Damit unterscheidet sich der Verbrauchsgüterkauf grundlegend vom Versendungskauf nach § 447 BGB, bei dem die Gefahr bereits mit der Übergabe an das Transportunternehmen auf den Käufer übergeht.

Eine wichtige Ausnahme von der beschriebenen Regel im Verbrauchsgüterkauf besteht allerdings dann, wenn der Käufer selbst den Transport organisiert. Dies ist der Fall, wenn der Verbraucher das Transportunternehmen eigenständig beauftragt, ohne dass der Verkäufer ihm hierzu Vorschläge gemacht hat. In einer solchen Konstellation greift wieder die allgemeine Regelung des § 447 BGB, sodass der Käufer das Risiko ab der Übergabe der Ware an das Transportunternehmen trägt. Dies gilt auch dann, wenn die Sache noch nicht bei ihm angekommen ist. Der Gesetzgeber wollte hier verhindern, dass der Käufer durch eine eigene Auswahl des Transportunternehmens Einfluss auf den Transportvorgang nimmt und gleichzeitig von einem umfassenden Schutz profitiert.

 

4. Gefahrübergang beim Werkvertrag

Auch im Werkvertragsrecht ist der Gefahrübergang von erheblicher Bedeutung. Gemäß § 644 BGB trägt der Unternehmer die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des herzustellenden Werkes bis zur Abnahme durch den Besteller. Dies bedeutet, dass der Unternehmer bis zur Abnahme für die ordnungsgemäße Herstellung des Werkes haftet und bei einem zufälligen Untergang grundsätzlich neu leisten muss. Der Gefahrübergang tritt jedoch auch dann ein, wenn der Besteller in Annahmeverzug gerät. In diesem Fall geht die Gefahr auf den Besteller über, obwohl die Abnahme noch nicht erfolgt ist.

Im Rahmen des Werkvertrages ist zudem geregelt, dass der Unternehmer nicht für den Untergang von Stoffen verantwortlich ist, die der Besteller zur Verfügung gestellt hat. Dies ist insbesondere in Bauverträgen von Bedeutung, bei denen der Besteller Baumaterialien bereitstellt.

 

II. Die Unterscheidung zwischen Leistungsgefahr und Gegenleistungsgefahr

Der Gefahrübergang im Kauf- und Werkvertragsrecht hängt eng mit den Konzepten der Leistungsgefahr und Gegenleistungsgefahr zusammen. Die Leistungsgefahr beschreibt das Risiko, dass der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit wird, wenn die geschuldete Sache durch einen zufälligen Umstand untergeht. Nach dem Grundsatz impossibilium nulla est obligatio (eine Verpflichtung zum Unmöglichen gibt es nicht) entfällt die Leistungspflicht des Schuldners, wenn die Leistung unmöglich geworden ist. Dies ist typischerweise bei einer Stückschuld der Fall, da eine individuell bestimmte Sache nicht ersetzt werden kann. Bei einer Gattungsschuld hingegen kann der Schuldner eine andere, gleichartige Sache liefern, sofern die gesamte Gattung nicht untergegangen ist.

Die Gegenleistungsgefahr oder Preisgefahr hingegen betrifft die Frage, ob der Gläubiger der Hauptleistung weiterhin zur Erbringung der Gegenleistung, in der Regel zur Zahlung des Kaufpreises, verpflichtet bleibt, auch wenn die Hauptleistung unmöglich geworden ist. Grundsätzlich gilt im Schuldrecht der Satz quid pro quo – ohne Leistung keine Gegenleistung (§ 326 Absatz 1 BGB). Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen die Gegenleistungsgefahr auf den Gläubiger übergeht, beispielsweise wenn dieser die Unmöglichkeit der Leistung verursacht hat oder sich im Annahmeverzug befindet (§ 326 Absatz 2 BGB).

 

III. Gefahrübergang und die Mängelgewährleistung

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gefahrübergangs ist dessen Bedeutung für die Sachmängelhaftung. Nach § 434 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Tritt ein Sachmangel erst nach dem Gefahrübergang auf, so hat der Käufer grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche mehr. Dies verdeutlicht, warum der Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Kaufrecht von so großer Bedeutung ist.

Für den Verbrauchsgüterkauf gilt hier die besondere Beweislastregel des § 477 BGB, die eine Vermutung zugunsten des Verbrauchers festlegt: Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten (seit 2022: innerhalb eines Jahres) nach Gefahrübergang ein Mangel, wird vermutet, dass dieser bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war. Der Verkäufer kann diese Vermutung widerlegen, indem er beweist, dass der Mangel erst nach dem Gefahrübergang entstanden ist.

Bitte unbedingt folgenden Haftungsausschluss bzgl. des Rechtslexikons beachten.