Der Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) ist Bestandteil des Staatshaftungsrechts und zielt auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nach einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme ab. Er unterscheidet sich grundlegend von Schadensersatzansprüchen, da nicht die Kompensation des Schadens im Vordergrund steht, sondern die tatsächliche Beseitigung der eingetretenen Folgen.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) basiert auf der Idee, dass der Staat nicht nur für rechtswidriges Handeln in Form von Schadensersatz aufkommen muss, sondern auch die durch rechtswidriges hoheitliches Handeln geschaffenen Zustände aktiv beseitigen muss. Der FBA ist also ein Anspruch auf Realrestitution, der die Wiederherstellung des ursprünglichen, rechtmäßigen Zustands zum Ziel hat.
Die dogmatischen Grundlagen des FBA sind in der Rechtswissenschaft nicht vollständig geklärt, was zu verschiedenen Herleitungsansätzen geführt hat. Im Kern geht es um die Frage, auf welche Normen oder Prinzipien sich dieser Anspruch stützen lässt. Hier sind die wichtigsten Ansätze zur dogmatischen Herleitung des FBA:
Ein weitverbreiteter Ansatz sieht die Grundlage des FBA im Rechtsstaatsprinzip, das in Artikel 20 Absatz 3 GG verankert ist. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass die öffentliche Gewalt nur im Rahmen der Gesetze handelt. Ein rechtswidrig herbeigeführter Zustand widerspricht diesem Prinzip und erfordert folglich dessen Beseitigung, um die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wiederherzustellen. Der Staat ist daher verpflichtet, rechtswidrige Folgen seines Handelns zu beseitigen, sobald diese erkannt werden. Die Durchsetzung der Gesetzesbindung der Verwaltung findet im FBA eine konkrete Ausprägung.
Ein weiterer Ansatz leitet den FBA aus den Abwehrrechten der Grundrechte ab. Grundrechte, insbesondere Eigentumsrechte (Artikel 14 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Absatz 1 GG i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 GG), schützen den Bürger vor rechtswidrigen Eingriffen des Staates. In diesem Sinne können Grundrechte nicht nur als Schutz vor zukünftigen Eingriffen verstanden werden (präventiver Rechtsschutz), sondern auch als Grundlage dafür dienen, dass der Staat bereits eingetretene, rechtswidrige Folgen rückgängig machen muss (reparativer Rechtsschutz). Der Folgenbeseitigungsanspruch ergänzt somit den Schutzbereich der Grundrechte, indem er eine aktive Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands ermöglicht.
In der Rechtsprechung und Literatur wird der FBA oftmals auch als gewohnheitsrechtlich anerkannt beschrieben. Zwar findet sich keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für den allgemeinen FBA, doch hat sich dieser Anspruch durch ständige Rechtsprechung als Gewohnheitsrecht etabliert. Insbesondere das Bundesverwaltungsgericht hat den FBA anerkannt und in verschiedenen Entscheidungen weiterentwickelt. Dieser richterrechtliche Ansatz spiegelt sich auch darin wider, dass der FBA in zahlreichen Fällen – ohne gesetzliche Normierung – von den Gerichten gewährt wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Ein weiterer dogmatischer Ansatz zur Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs sieht eine Analogie zu den § 1004 BGB und § 862 BGB, die das Abwehrrecht im zivilrechtlichen Nachbar- und Besitzschutz regeln. Die Vorschriften schützen den Eigentümer oder Besitzer vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter und ermöglichen die Beseitigung von Störungen. Über eine entsprechende Anwendung dieser zivilrechtlichen Regelungen auf das öffentliche Recht kann der Folgenbeseitigungsanspruch abgeleitet werden.
Für den speziellen Fall des Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs, der die Beseitigung der Folgen des Vollzugs eines rechtswidrigen Verwaltungsakts zum Gegenstand hat, findet sich in § 113 Absatz 1 Satz 2 VwGO eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Kläger, im Rahmen der Anfechtungsklage nicht nur die Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts zu erreichen, sondern auch die Rückgängigmachung der durch den Vollzug des Verwaltungsakts entstandenen Folgen zu verlangen.
Das Prüfungsschema des Folgenbeseitigungsanspruchs (FBA) ist ein wichtiges Werkzeug, um in Klausuren eine saubere Argumentationsstruktur zu gewährleisten. Es gibt klare Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Anspruch auf Folgenbeseitigung erfolgreich geltend gemacht werden kann. Dieses Schema kann Schritt für Schritt angewendet werden, um den Klausurfall systematisch zu prüfen.
Der Folgenbeseitigungsanspruch kann, ähnlich wie der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, durch jede hoheitliche Maßnahme / Amtshandlung ausgelöst werden. Dabei umfasst der Begriff der hoheitlichen Maßnahme sowohl Verwaltungsakte als auch Realakte, also tatsächliche Handlungen der öffentlichen Gewalt.
Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive öffentliche Rechte voraus. Diese Rechte ermöglichen es dem Einzelnen, vom Staat ein bestimmtes Verhalten zu verlangen – sei es aktives Handeln, Dulden oder Unterlassen.
Es muss ein rechtswidriger Zustand durch die hoheitliche Maßnahme geschaffen worden sein. Entscheidend ist, dass nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme selbst relevant ist, sondern die des durch die Maßnahme hervorgerufenen Zustands. Beispielsweise kann eine Maßnahme zunächst rechtmäßig erscheinen, aber durch ihre Folgen einen rechtswidrigen Zustand herbeiführen, der den Folgenbeseitigungsanspruch auslöst. Es darf zudem keine Duldungspflicht des Betroffenen bestehen. Eine Duldungspflicht kann sich beispielsweise aus besonderen gesetzlichen Bestimmungen ergeben, wie § 906 BGB analog oder spezialgesetzlichen Regelungen wie dem Bundes-Immissionsschutzgesetz.
Der Folgenbeseitigungsanspruch greift nur, wenn die rechtswidrige Beeinträchtigung fortbesteht. Dies bedeutet, dass der geschaffene Zustand zum Zeitpunkt der Entscheidung noch andauert und nicht zwischenzeitlich beseitigt oder legalisiert wurde. Eine nachträgliche Legalisierung, etwa durch den Erlass eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, kann den Anspruch gegenstandslos machen. Sollte der Zustand jedoch noch andauern, kann der Betroffene dessen Beseitigung verlangen.
Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands muss möglich, rechtlich zulässig und dem Hoheitsträger zumutbar sein. Unzumutbarkeit liegt vor, wenn der Aufwand, der mit der Wiederherstellung verbunden ist, im Verhältnis zum angestrebten Erfolg als unverhältnismäßig anzusehen ist. Hierbei wird häufig auf eine entsprechende Anwendung des § 275 Absatz 2 BGB verwiesen. Ein Beispiel wäre, wenn zur Beseitigung eines geringfügigen Überbaus aufwendige Abbrucharbeiten nötig wären.
Im Falle einer Unmöglichkeit der Wiederherstellung kann sich der FBA in einen Folgenentschädigungsanspruch umwandeln. Dieser Anspruch ist jedoch nach herrschender Meinung nur unter strengen Voraussetzungen möglich und zielt auf eine monetäre Entschädigung ab, wenn eine tatsächliche Beseitigung der rechtswidrigen Folgen nicht durchführbar ist.
Besteht ein Folgenbeseitigungsanspruch, so ist der Hoheitsträger verpflichtet, den Zustand wiederherzustellen, der vor dem Eingriff bestand. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Rückabwicklung der Vergangenheit verlangt werden kann. Es reicht aus, wenn ein Zustand hergestellt wird, der dem ursprünglichen Zustand gleichwertig ist.
Obwohl der Folgenbeseitigungsanspruch verschuldensunabhängig entsteht, wird ein Mitverschulden des Geschädigten analog § 254 BGB berücksichtigt.
Prozessuales: Der Verwaltungsrechtsweg ist für den Folgenbeseitigungsanspruch stets eröffnet (§ 40 Absatz 1 VwGO). Die allgemeine Leistungsklage ist in der Regel der richtige Rechtsbehelf. Handelt es sich um den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch, kann dieser auch als Annex zur Anfechtungsklage gemäß § 113 Absatz 1 Satz 2 VwGO geltend gemacht werden.
Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch stellt eine besondere Form des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs dar. Er wird dann relevant, wenn die rechtswidrigen Folgen nicht durch eine einfache staatliche Handlung (Realakt), sondern durch den Vollzug eines Verwaltungsakts verursacht wurden. Diese Konstellation tritt in der Praxis häufig auf, insbesondere in Fällen, in denen der Staat im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen hoheitlichen Eingriffen tätig wird.
Der entscheidende Unterschied zum allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch liegt darin, dass der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch nur dann greift, wenn ein Verwaltungsakt vollzogen wurde, der die rechtswidrigen Folgen nach sich zieht. Beim allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch hingegen entstehen die Folgen typischerweise durch tatsächliches Verwaltungshandeln, also durch sogenannte Realakte, wie beispielsweise physische Maßnahmen der Polizei oder behördliche Äußerungen.
Beispielhaft für den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch sind Fälle, in denen die Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts zu einem Zustand führt, der beseitigt werden muss. Ein solcher Verwaltungsakt wird durch die Behörde zunächst erlassen und sodann vollzogen, z.B. durch eine Zwangsmaßnahme, wie die Einweisung eines Obdachlosen in eine Wohnung. Der Verwaltungsakt selbst bildet hier die Grundlage für die Maßnahme, während die Beseitigung der durch die Vollziehung entstandenen Folgen den Gegenstand des Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs darstellt.
Typische Konstellationen, in denen der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch relevant wird, sind etwa:
Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch tritt prozessual betrachtet häufig als Annex zu einer Anfechtungsklage auf. Wenn der Betroffene einen Verwaltungsakt anficht, der bereits vollzogen wurde, kann er gemäß § 113 Absatz 1 Satz 2 VwGO nicht nur die Aufhebung des Verwaltungsakts verlangen, sondern auch die Beseitigung der durch den Vollzug des Verwaltungsakts entstandenen Folgen.
Wichtig zu beachten ist, dass der Verwaltungsakt selbst nicht zwingend nichtig sein muss, um den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch zu begründen. Es genügt, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die durch seinen Vollzug entstandenen Folgen rechtswidrig bleiben, selbst wenn der Verwaltungsakt zunächst formell Bestand hatte.
Das Verhältnis zwischen Anfechtungsklage und Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch ist eng verzahnt. Die Anfechtungsklage zielt primär auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts ab. Wenn dieser Verwaltungsakt jedoch bereits vollzogen wurde, reicht die bloße Aufhebung nicht aus, um den Betroffenen vollständig zu schützen. In diesem Fall tritt der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch hinzu, der die Rückgängigmachung der durch den Vollzug geschaffenen rechtswidrigen Folgen verlangt. Dies macht den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch zu einem wichtigen Ergänzungsanspruch zur Anfechtungsklage.
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