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Falsa demonstratio non nocet BGB – Bedeutung, Historie, Fallbeispiel

Falsa demonstratio non nocet – ein Grundsatz, der Klarheit ins Chaos der Worte bringt. Übersetzt bedeutet er: „Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.“ Dieser prägnante Rechtsgrundsatz bewahrt Verträge vor der Auflösung durch sprachliche Missgeschicke und rückt den wahren Willen der Parteien in den Mittelpunkt. Entscheidend ist nicht, was gesagt oder geschrieben wurde, sondern was die Vertragsparteien tatsächlich meinten. Ob im berühmten Haakjöringsköd-Fall oder bei alltäglichen Rechtsgeschäften – die „Falsa demonstratio“ zeigt, wie das deutsche Zivilrecht mit §§ 133, 157 BGB Verständigung über Worte stellt. Im Folgenden beleuchten wir ihre Bedeutung, historische Entwicklung und vielseitige Anwendung.



I. Falsa demonstratio non nocet Bedeutung und Rechtsgrundlagen

Der Grundsatz der „Falsa demonstratio non nocet“ ist ein Sonderfall der Auslegung von Willenserklärungen. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung nicht am buchstäblichen Sinn der Worte zu haften, sondern der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Ergänzend bestimmt § 157 BGB, dass Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 133 Auslegung einer Willenserklärung

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

§ 157 Auslegung von Verträgen

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Beide Normen bilden die Grundlage dafür, dass eine falsche Bezeichnung unschädlich ist, wenn der wahre Wille der Parteien übereinstimmt.

Dieser Grundsatz findet Anwendung bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen und zweiseitigen Rechtsgeschäften. Die Anwendung der Falsa demonstratio non nocet beschränkt sich jedoch nicht auf eine bloße Fehlertoleranz. Jene Falschbezeichnung darf nicht vorsätzlich erfolgen. Der Gesetzgeber unterscheidet daher hier klar zwischen Irrtum und Täuschung. Wenn beispielsweise ein Grundstück bewusst falsch bezeichnet wird, um die notarielle Form zu umgehen (§ 117 BGB), zerstört dieses rechtsmissbräuchliche Scheingeschäft die Gültigkeit des Vertrages. Auch bei formbedürftigen Geschäften, wie Grundstückskaufverträgen (§ 311b BGB), ist die „Falsa demonstratio“ nur dann wirksam, wenn die Formalien der wahren Vereinbarung genügen.

 

II. Historische Entwicklung

Die Ursprünge der „Falsa demonstratio non nocet“ liegen im römischen Recht. Bereits die frühklassischen Juristen Gaius und Ulpian beschrieben den Grundsatz, der zunächst nur im Erbrecht Anwendung fand. Die Sentenz „Falsa demonstratio non peremit legatum“ („Eine falsche Bezeichnung zerstört das Vermächtnis nicht“) war ausschließlich auf Testamente beschränkt. Erst mit der Rezeption im ius commune wurde der Grundsatz auf andere Rechtsbereiche übertragen, darunter auch formbedürftige Geschäfte wie die Stipulation.

In Deutschland fand die Regel mit dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 Eingang in das moderne Zivilrecht. Heute wird sie als Ausdruck der Grundentscheidung des Irrtumsrechts verstanden: Der Wille der Parteien soll Vorrang vor rein objektiven Auslegungsansätzen haben.

 

III. Falsa demonstratio non nocet Fall und Anwendungsbeispiele

Der Grundsatz der „Falsa demonstratio non nocet“ findet in zahlreichen Bereichen des Zivilrechts Anwendung, sei es bei Kaufverträgen, Grundstücksgeschäften, im Arbeitsrecht oder sogar im gewerblichen Rechtsschutz – überall dort, wo Willenserklärungen und deren Auslegung eine Rolle spielen, entfaltet der Grundsatz seine Wirkung.

 

1. Der Haakjöringsköd-Fall: Ein Klassiker der Rechtsgeschichte

Der berühmte Haakjöringsköd-Fall (RGZ 99, 147) aus dem Jahr 1920 ist wohl das Paradebeispiel für die „Falsa demonstratio non nocet“. Zwei Parteien einigten sich auf den Kauf von „Haakjöringsköd“, einem Begriff, den beide für das norwegische Wort für Walfleisch hielten. Tatsächlich bedeutet „Haakjöringsköd“ jedoch Haifischfleisch.

Das Reichsgericht entschied dennoch, dass ein gültiger Kaufvertrag über Walfleisch zustande kam. Die Begründung: Beide Parteien waren sich einig, dass Walfleisch der Vertragsgegenstand sein sollte, und unterlagen lediglich demselben Irrtum über die Bezeichnung.

 

2. Falsa demonstratio non nocet Grundstück

Im Immobilienrecht bietet die „Falsa demonstratio non nocet“ Schutz vor den weitreichenden Konsequenzen formeller Fehler. Ein Beispiel hierfür ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2023 (V ZR 89/22). In diesem Fall wurde ein Grundstück verkauft, doch die vertraglich genannte Flurnummer entsprach nicht dem tatsächlich gemeinten Grundstück.

Der BGH stellte klar, dass der Grundsatz auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften gilt, etwa bei Grundstückskaufverträgen (§ 311b BGB). Entscheidend ist, dass der wahre Wille der Parteien zweifelsfrei erkennbar bleibt. Selbst wenn die notarielle Urkunde formal einen anderen Gegenstand bezeichnet, bleibt der Vertrag wirksam, wenn sich aus den Umständen ergibt, welches Grundstück tatsächlich gemeint war.

 

3. Arbeitsrecht: Aufhebungs- vs. Abwicklungsvertrag

Auch im Arbeitsrecht sorgt der “Falsa-demonstratio-Grundsatz” für Klarheit. Ein Aufhebungsvertrag, der fälschlicherweise als Abwicklungsvertrag bezeichnet wurde, bleibt dennoch gültig, sofern die Vertragsparteien denselben Inhalt wollten. Das Bundessozialgericht (Urteil vom 09.11.1995 – Az. 11 Rar 27/95) entschied in einem solchen Fall, dass die Bezeichnung des Vertrags unerheblich ist, solange die Parteien übereinstimmend dieselbe Vereinbarung wollten.

 

4. Weitere Beispiele: Von Schrauben, Bolzen und Patenten

Auch der gewerbliche Rechtsschutz illustriert die Vielseitigkeit des Grundsatzes. So bleibt beispielsweise ein Patent wirksam, auch wenn ein Bauteil im Patenttext falsch bezeichnet wird – etwa eine Schraube, die tatsächlich als Stehbolzen zu verstehen ist. Hier greift der Grundsatz besonders im technischen Kontext: Entscheidend ist, dass ein fachkundiger Leser erkennen kann, was gemeint ist, unabhängig von der gewählten Bezeichnung.

Ähnlich verhält es sich bei Vertragsgegenständen in Kaufverträgen. Wenn beide Parteien übereinstimmend dasselbe Produkt meinen, ist eine fehlerhafte Beschreibung – sei es durch falsche Modellnummern, Größenangaben oder technische Bezeichnungen – für die Gültigkeit des Vertrages unschädlich.

IV. Rechtsfolgen und Einschränkungen

Die Anwendung der „Falsa demonstratio non nocet“ steht für die Priorität der Auslegung über die Anfechtung und schützt so den wahren Willen der Vertragsparteien vor formalen Fallstricken. Dennoch kennt auch dieser Grundsatz Grenzen, die sorgfältig beachtet werden müssen.

 

1. Rechtsfolgen: Auslegung vor Anfechtung

Die wohl wichtigste Konsequenz, dass eine Falschbezeichnung nicht schadet, ist der Ausschluss einer Anfechtung nach § 119 BGB. Ein relevanter Irrtum, der zur Anfechtung berechtigen könnte, liegt nicht vor, da sich die Parteien einig waren, jedoch nur eine ungenaue Ausdrucksweise gewählt haben. Es gilt: Die Auslegung geht der Anfechtung vor.

 

2. Einschränkungen: Bewusste Täuschung und Dissens

Trotz dieser Flexibilität stößt der Grundsatz an seine Grenzen, wenn die Bezeichnung bewusst falsch erfolgt, wie bei einem Scheingeschäft gemäß § 117 BGB oder einer arglistigen Täuschung. Solche Fälle verlassen den Schutzbereich der „Falsa demonstratio non nocet“ und führen zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.

Ähnlich verhält es sich bei einem Dissens, wenn keine Einigung über die „essentialia negotii“ – die wesentlichen Vertragsinhalte – besteht. Fehlt der Konsens, kann auch die „Falsa demonstratio“ keinen gültigen Vertrag herbeiführen.

V. Zusammenfassung und Fazit zur Falsa demonstratio non nocet

Der Grundsatz der „Falsa demonstratio non nocet“ zeigt, wie wichtig die Erforschung des wahren Willens der Parteien ist. Ob im Haakjöringsköd-Fall, bei Grundstücksgeschäften oder im Arbeitsrecht – der Grundsatz gewährleistet, dass sprachliche Ungenauigkeiten nicht zur Ungültigkeit eines Vertrags führen, solange Konsens besteht.

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