2. Falsa demonstratio non nocet Grundstück
Im Immobilienrecht bietet die „Falsa demonstratio non nocet“ Schutz vor den weitreichenden Konsequenzen formeller Fehler. Ein Beispiel hierfür ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2023 (V ZR 89/22). In diesem Fall wurde ein Grundstück verkauft, doch die vertraglich genannte Flurnummer entsprach nicht dem tatsächlich gemeinten Grundstück.
Der BGH stellte klar, dass der Grundsatz auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften gilt, etwa bei Grundstückskaufverträgen (§ 311b BGB). Entscheidend ist, dass der wahre Wille der Parteien zweifelsfrei erkennbar bleibt. Selbst wenn die notarielle Urkunde formal einen anderen Gegenstand bezeichnet, bleibt der Vertrag wirksam, wenn sich aus den Umständen ergibt, welches Grundstück tatsächlich gemeint war.
3. Arbeitsrecht: Aufhebungs- vs. Abwicklungsvertrag
Auch im Arbeitsrecht sorgt der “Falsa-demonstratio-Grundsatz” für Klarheit. Ein Aufhebungsvertrag, der fälschlicherweise als Abwicklungsvertrag bezeichnet wurde, bleibt dennoch gültig, sofern die Vertragsparteien denselben Inhalt wollten. Das Bundessozialgericht (Urteil vom 09.11.1995 – Az. 11 Rar 27/95) entschied in einem solchen Fall, dass die Bezeichnung des Vertrags unerheblich ist, solange die Parteien übereinstimmend dieselbe Vereinbarung wollten.
4. Weitere Beispiele: Von Schrauben, Bolzen und Patenten
Auch der gewerbliche Rechtsschutz illustriert die Vielseitigkeit des Grundsatzes. So bleibt beispielsweise ein Patent wirksam, auch wenn ein Bauteil im Patenttext falsch bezeichnet wird – etwa eine Schraube, die tatsächlich als Stehbolzen zu verstehen ist. Hier greift der Grundsatz besonders im technischen Kontext: Entscheidend ist, dass ein fachkundiger Leser erkennen kann, was gemeint ist, unabhängig von der gewählten Bezeichnung.
Ähnlich verhält es sich bei Vertragsgegenständen in Kaufverträgen. Wenn beide Parteien übereinstimmend dasselbe Produkt meinen, ist eine fehlerhafte Beschreibung – sei es durch falsche Modellnummern, Größenangaben oder technische Bezeichnungen – für die Gültigkeit des Vertrages unschädlich.
IV. Rechtsfolgen und Einschränkungen
Die Anwendung der „Falsa demonstratio non nocet“ steht für die Priorität der Auslegung über die Anfechtung und schützt so den wahren Willen der Vertragsparteien vor formalen Fallstricken. Dennoch kennt auch dieser Grundsatz Grenzen, die sorgfältig beachtet werden müssen.
1. Rechtsfolgen: Auslegung vor Anfechtung
Die wohl wichtigste Konsequenz, dass eine Falschbezeichnung nicht schadet, ist der Ausschluss einer Anfechtung nach § 119 BGB. Ein relevanter Irrtum, der zur Anfechtung berechtigen könnte, liegt nicht vor, da sich die Parteien einig waren, jedoch nur eine ungenaue Ausdrucksweise gewählt haben. Es gilt: Die Auslegung geht der Anfechtung vor.
2. Einschränkungen: Bewusste Täuschung und Dissens
Trotz dieser Flexibilität stößt der Grundsatz an seine Grenzen, wenn die Bezeichnung bewusst falsch erfolgt, wie bei einem Scheingeschäft gemäß § 117 BGB oder einer arglistigen Täuschung. Solche Fälle verlassen den Schutzbereich der „Falsa demonstratio non nocet“ und führen zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.
Ähnlich verhält es sich bei einem Dissens, wenn keine Einigung über die „essentialia negotii“ – die wesentlichen Vertragsinhalte – besteht. Fehlt der Konsens, kann auch die „Falsa demonstratio“ keinen gültigen Vertrag herbeiführen.
V. Zusammenfassung und Fazit zur Falsa demonstratio non nocet
Der Grundsatz der „Falsa demonstratio non nocet“ zeigt, wie wichtig die Erforschung des wahren Willens der Parteien ist. Ob im Haakjöringsköd-Fall, bei Grundstücksgeschäften oder im Arbeitsrecht – der Grundsatz gewährleistet, dass sprachliche Ungenauigkeiten nicht zur Ungültigkeit eines Vertrags führen, solange Konsens besteht.