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Essentialia Negotii – Woraus bestehen die wesentlichen Vertragsbestandteile?

Ein Vertrag ist das Fundament rechtlicher Beziehungen. Ob Kaufvertrag, Mietvertrag oder Werkvertrag – die Frage, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, hängt von der Einhaltung bestimmter Grundvoraussetzungen ab. Die sogenannten essentialia negotii, also die „wesentlichen Vertragsbestandteile“, spielen hierbei eine zentrale Rolle. Ohne sie ist ein Vertrag nichtig, eine bloße Willenserklärung ohne bindende Wirkung.


 

 


I. Was sind die essentialia negotii?

Die essentialia negotii bilden den notwendigen Kern eines Vertrags. Ohne sie ist ein Vertrag juristisch nicht existent, da er keine bindende Wirkung entfalten kann. Dieser Kern unterscheidet sich je nach Vertragsart, doch seine Bedeutung ist stets gleich: die Sicherstellung der Rechtssicherheit und der Durchsetzbarkeit des Vertrags.


Rechtsgrundlagen und Funktion

Die gesetzliche Verankerung der essentialia negotii findet sich in den §§ 145 ff. BGB, die das Zustandekommen eines Vertrags durch Angebot und Annahme regeln. Dabei müssen sowohl das Angebot als auch die Annahme die essentialia negotii beinhalten. Dies garantiert, dass sich die Parteien über die wesentlichen Punkte des Vertrags geeinigt haben. Ohne diese Einigung fehlt es an einem Konsens, und der Vertrag kommt nicht zustande.

Das zentrale Prinzip hierbei ist die Bestimmtheit: Ein Angebot muss so klar formuliert sein, dass der Empfänger es durch ein einfaches „Ja“ annehmen kann.


Die drei unverzichtbaren Bestandteile der essentialia negotii

  1. Parteien des VertragsDie Vertragsparteien müssen eindeutig bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Dies bedeutet, dass die Identität der Beteiligten klar erkennbar sein muss. Bei natürlichen Personen genügen Namen oder andere identifizierende Merkmale. Bei juristischen Personen oder Organisationen sind deren Bezeichnungen erforderlich.Auch die Vertretung spielt hierbei eine Rolle. Handelt eine Partei durch einen Vertreter, muss klar erkennbar sein, dass der Vertreter im Namen eines Dritten handelt (§ 164 BGB). Fehlt eine solche Offenlegung, kann es zu einem Haftungsfall kommen, da der Vertreter womöglich sonst selbst Vertragspartner wird.

  1. VertragsgegenstandDer Vertragsgegenstand beschreibt die Hauptleistung, um die es im Vertrag geht. Diese Leistung muss klar definiert sein, sei es eine Kaufsache, eine Dienstleistung, ein Werk oder ein Nutzungsrecht. Je nach Vertragsart variiert der Grad der Bestimmtheit, der erforderlich ist.

  1. GegenleistungBei entgeltlichen Verträgen ist die Festlegung der Gegenleistung unverzichtbar. Sie gibt an, was die andere Vertragspartei im Austausch für die Hauptleistung erbringen muss. Diese Gegenleistung kann ein Geldbetrag, eine andere Sache oder eine spezifische Handlung sein.

Fehlt die Gegenleistung oder bleibt sie völlig unbestimmt, kann der Vertrag unwirksam sein. Allerdings erlaubt das BGB in einigen Fällen, dass die Gegenleistung durch gesetzliche Vorschriften bestimmt wird (§ 612 Absatz 2 BGB, § 632 Absatz 2 BGB).


Konsequenzen bei fehlenden essentialia negotii

Wenn eines der essentialia negotii fehlt, entsteht kein Vertrag. Ein Vertrag, dem wesentliche Bestandteile fehlen, wird rechtlich als „Nicht-Rechtsgeschäft“ angesehen. Es fehlt nicht nur an der Wirksamkeit, sondern bereits an der Existenz eines Vertrags.

Beispiel: Ein Mietvertrag ohne Benennung der Mietsache ist nichtig. Ein Kaufvertrag ohne Preisangabe kann hingegen wirksam sein, wenn sich der Preis aus objektiven Kriterien ergibt (z. B. dem Marktwert).

 

II. Anwendung bei verschiedenen Vertragstypen

1. Essentialia Negotii beim Kaufvertrag

Der Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) ist wohl die gängigste Vertragsform und begegnet uns im Alltag ständig – sei es beim Kauf eines Brötchens oder eines Hauses. Die essentialia negotii eines Kaufvertrags umfassen:

  • Vertragsparteien: Käufer und Verkäufer,
  • Kaufsache: Die Ware oder das Recht, das Gegenstand des Vertrags ist,
  • Kaufpreis: Der zu zahlende Betrag.

Beispiel: Wenn Sie ein Auto kaufen, müssen die Vertragsparteien (Käufer und Verkäufer), das Fahrzeug (Kaufsache) sowie der Kaufpreis schriftlich oder mündlich festgelegt werden. Ohne diese drei Punkte gibt es keinen Kaufvertrag.


2. Essentialia Negotii beim Mietvertrag

Ein Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) regelt die Überlassung einer Sache gegen Zahlung einer Miete. Auch hier müssen die wesentlichen Vertragsbestandteile bestimmt sein:

  • Vertragsparteien: Vermieter und Mieter,
  • Mietsache: Die Wohnung, das Auto oder ein anderes mietbares Gut,
  • Miete: Der Mietzins, der zu entrichten ist.

Eine Besonderheit ergibt sich bei der Festlegung der Miete. Nach § 535 BGB kann die genaue Höhe der Miete auch später bestimmt werden, wenn sich die Parteien auf ein geeignetes Kriterium geeinigt haben. Beispiel: „Die Miete beträgt den ortsüblichen Vergleichsmietpreis gemäß § 558 BGB.“


3. Essentialia Negotii beim Werkvertrag

Der Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) unterscheidet sich vom Kauf- oder Mietvertrag durch die Verpflichtung zur Herstellung eines bestimmten Werks. Die essentialia negotii lauten:

  • Vertragsparteien: Unternehmer und Besteller,
  • Werkleistung: Das herzustellende Werk oder die auszuführende Dienstleistung,
  • Vergütung: Die Gegenleistung, die der Unternehmer erhält.

Beispiel: Ein Maler wird beauftragt, eine Wand zu streichen. Die Parteien (Maler und Auftraggeber), die zu streichende Wand (Werkleistung) und der vereinbarte Preis (Vergütung) müssen festgelegt sein.


4. Essentialia Negotii beim Dienst- und Arbeitsvertrag

Im Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) verpflichtet sich der Dienstverpflichtete zur Erbringung einer Tätigkeit. Der Arbeitsvertrag, eine Unterform des Dienstvertrags, hat ähnliche Anforderungen:

  • Vertragsparteien: Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
  • Dienstleistung/Tätigkeit: Die zu erbringende Arbeitsleistung,
  • Vergütung: Das Gehalt.

Besonders im Arbeitsrecht sind detaillierte Regelungen üblich, doch für das Zustandekommen genügt die Festlegung dieser drei Punkte.

 

III. Die Rolle von Accidentalia Negotii

Während die essentialia negotii die unverzichtbaren Kernbestandteile eines Vertrags darstellen, erweitern die accidentalia negotii dessen Regelungsumfang um zusätzliche Vereinbarungen. Sie sind jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Vertrags. Ihre Bedeutung liegt in der Flexibilisierung und individuellen Anpassung eines Vertrags an die Bedürfnisse der Vertragsparteien.

Was sind accidentalia negotii?

Der Begriff accidentalia negotii stammt ebenfalls aus dem Lateinischen und bedeutet „zufällige Punkte eines Geschäfts“. Anders als die essentialia negotii betreffen sie keine unverzichtbaren Bestandteile des Vertrags, sondern stellen fakultative Regelungen dar, die durch die Parteien individuell vereinbart werden können. Ihre Funktion liegt darin, den Vertrag über die gesetzlichen Regelungen hinaus zu präzisieren oder zu ergänzen.

Diese Nebenabreden können auf die konkrete Ausgestaltung des Vertrags Einfluss nehmen, haben jedoch keinen Einfluss auf dessen Zustandekommen. Fehlen sie, bleibt der Vertrag dennoch gültig, solange die essentialia negotii erfüllt sind.


Beispiele für accidentalia negotii

  1. Vertragsdauer
    • Die Vertragsparteien können sich darauf einigen, den Vertrag für eine bestimmte Zeit abzuschließen oder ihn unbefristet zu gestalten.
    • Beispiel: Ein Mietvertrag kann auf fünf Jahre befristet sein oder unbefristet mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten gemäß den gesetzlichen Vorgaben.
  2. Eigentumsvorbehalte
    • Im Kaufrecht können Parteien vereinbaren, dass der Verkäufer bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises Eigentümer der Kaufsache bleibt (§ 449 BGB).
    • Beispiel: Beim Kauf eines Autos kann der Verkäufer den Eigentumsvorbehalt als Sicherheit für die vollständige Kaufpreiszahlung nutzen.
  3. Vertragsstrafen
    • Die Parteien können eine Vertragsstrafe vereinbaren, um die Erfüllung bestimmter vertraglicher Pflichten zu sichern (§ 339 BGB).
    • Beispiel: Ein Bauunternehmer verpflichtet sich, ein Gebäude bis zu einem bestimmten Datum fertigzustellen. Für jeden Verzugstag wird eine Vertragsstrafe von 500 Euro vereinbart.
  4. Widerrufs- oder Rücktrittsrechte
    • Neben den gesetzlich vorgesehenen Rechten können die Parteien zusätzliche vertragliche Rücktrittsrechte oder ein erweitertes Widerrufsrecht vereinbaren.
    • Beispiel: Ein Käufer darf die Ware innerhalb von 30 Tagen zurückgeben, auch wenn kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht.
  5. Regelungen zur Gewährleistung
    • Die Parteien können von den gesetzlichen Regelungen zur Gewährleistung abweichen, soweit dies rechtlich zulässig ist (§§ 437 ff. BGB).
    • Beispiel: In einem Kaufvertrag wird die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr verkürzt, sofern keine Verbraucherschutzrechte betroffen sind.

 

IV. Zusammenfassung und Fazit

Die essentialia negotii sind das Herzstück jedes Vertrags und garantieren, dass aus bloßen Willenserklärungen eine rechtlich bindende Vereinbarung wird. Ob beim Kauf eines Brötchens oder beim Abschluss eines Millionenprojekts – die Parteien, der Gegenstand und die Gegenleistung müssen festgelegt sein. Nur so wird ein Vertrag rechtlich wirksam und erfüllt die Anforderungen der §§ 145 ff. BGB.

Bitte unbedingt folgenden Haftungsausschluss bzgl. des Rechtslexikons beachten.