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Ergänzungspfleger nach § 1809 BGB – Anwendungsfälle, Bedeutung, Vergütung

Die Ergänzungspflegschaft regelt die gerichtliche Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge für einen Minderjährigen auf eine andere Person regelt. Dies erfolgt gemäß § 1809 BGB und wird oft notwendig, wenn die Hürden für einen vollständigen Entzug der elterlichen Sorge zu hoch sind. Stattdessen wird nur ein Teilbereich der elterlichen Sorge entzogen und ein Ergänzungspfleger bestellt, der diese Aufgabe übernimmt. Insofern kann die Ergänzungspflegschaft unterschiedliche Bereiche betreffen, wie beispielsweise die Gesundheitsfürsorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die Vermögenssorge.

Was ist ein Ergänzungspfleger? Ein Ergänzungspfleger wird bestellt, wenn die Eltern oder der Vormund an der Besorgung bestimmter Angelegenheiten verhindert sind. Diese Verhinderung kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bestehen. Typische Fälle sind Kindeswohlgefährdung, Vaterschaftsanfechtungen oder erbrechtliche Angelegenheiten. Die Ergänzungspflegschaft hat das Ziel, das Wohl des Kindes zu sichern und es in einer förderlichen Umgebung aufwachsen zu lassen.

I. Ergänzungspfleger BGB – Rechtliche Grundlagen und Unterschiede zur Vormundschaft

Die Ergänzungspflegschaft wird durch das Familiengericht angeordnet, wenn die Eltern oder der Vormund eines Kindes nicht in der Lage sind, bestimmte Teilbereiche der elterlichen Sorge eigenmächtig auszuüben. Dies kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein, z. B. aufgrund von tatsächlichen oder rechtlichen Hinderungsgründen. Gemäß § 1909 BGB erhält der Minderjährige für die Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Ergänzungspfleger.

§ 1809 Ergänzungspflegschaft

(1) Wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Der Pfleger hat die Pflicht und das Recht, die ihm übertragenen Angelegenheiten im Interesse des Pfleglings zu dessen Wohl zu besorgen und diesen zu vertreten.
(2) Wird eine Pflegschaft erforderlich, so haben die Eltern oder der Vormund dies dem Familiengericht unverzüglich anzuzeigen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Ergänzungspflegschaft und Vormundschaft besteht im Umfang der übertragenen Rechte und Pflichten. Während bei der Vormundschaft das gesamte Sorgerecht auf den Vormund übertragen wird, verbleibt bei der Ergänzungspflegschaft ein großer Teil der elterlichen Sorge bei den Eltern oder dem Vormund.

 

II. Anwendungsfälle für einen Ergänzungspfleger

Eine Ergänzungspflegschaft wird in verschiedenen Situationen angeordnet, um das Wohl des Kindes zu sichern und spezifische Aufgaben der elterlichen Sorge auf eine andere Person zu übertragen. Im Folgenden werden die typischen Anwendungsfälle detailliert erläutert.

 

1. Kindeswohlgefährdung

Ein häufiges Szenario für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist die Kindeswohlgefährdung. Gemäß § 1666 BGB kann das Familiengericht Maßnahmen ergreifen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist. Hierzu gehört auch die Bestellung eines Ergänzungspflegers, der sodann bestimmte Bereiche der elterlichen Sorge übernimmt, um das Wohl des Kindes zu schützen. Typische Fälle umfassen:

  • Vernachlässigung oder Misshandlung: Wenn Eltern ihre Pflichten gegenüber dem Kind erheblich verletzen, kann das Familiengericht einen Ergänzungspfleger einsetzen, um sicherzustellen, dass das Kind angemessen betreut wird.
  • Erziehungsgewalt: Bei nachgewiesener physischer oder psychischer Gewalt gegen das Kind kann eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet werden, um die notwendigen Schutzmaßnahmen zu gewährleisten.

 

2. Vaterschaftsanfechtungen

In Fällen, in denen die Vaterschaft eines Kindes angefochten wird, kann es notwendig sein, einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Dies ist besonders relevant, wenn die Mutter von der Vertretung des Kindes vor Gericht ausgeschlossen ist.

 

3. Erbrechtliche Angelegenheiten

Die Übertragung von Vermögen an ein minderjähriges Kind kann komplexe rechtliche Fragen aufwerfen, die eine Ergänzungspflegschaft erforderlich machen. Insbesondere, wenn es um die Verwaltung und Verwendung des geerbten Vermögens geht, ist ein Ergänzungspfleger notwendig, um sicherzustellen, dass das Erbe im besten Interesse des Kindes verwaltet wird.

 

4. Aussageverweigerungsrecht

In Strafverfahren, bei denen Kinder als Zeugen auftreten, können Ergänzungspfleger bestellt werden, um deren Rechte zu vertreten. Dies ist besonders wichtig, wenn die Eltern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen sind. Gemäß § 52 Absatz 2 Satz 2 StPO dürfen Eltern ihre Kinder in solchen Fällen nicht vertreten. Ein Ergänzungspfleger wird dann bestellt, um das Zeugnisverweigerungsrecht oder andere relevante Rechte des Kindes wahrzunehmen.

 

5. Weitere Anwendungsfälle

Neben den oben genannten Hauptanwendungsfällen gibt es weitere spezifische Situationen, in denen eine Ergänzungspflegschaft angeordnet werden kann:

  • Genetische Untersuchungen: Gemäß § 1598a Absatz 2 BGB kann ein Ergänzungspfleger bestellt werden, wenn es um die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung geht.
  • Sorgerechtskonflikte: Bei schweren Konflikten zwischen den Eltern bezüglich der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge kann das Familiengericht Teile des Sorgerechts auf einen Ergänzungspfleger übertragen, um Eskalationen zu vermeiden und das Wohl des Kindes zu schützen.
  • Vertretungsausschluss bei Rechtsgeschäften: Nach § 1629 Absatz 2 BGB in Verbindung mit §§ 1795, 1796 BGB ist eine Ergänzungspflegschaft erforderlich, wenn Eltern von der Vertretung ihres Kindes bei bestimmten Rechtsgeschäften ausgeschlossen sind.

 

III. Wer kann Ergänzungspfleger werden?

Die Anforderungen an Ergänzungspfleger sind hoch. Sie müssen juristisch, pädagogisch oder psychosozial ausgebildet sein und Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben. Personen mit Straftaten gegen Kinder oder psychischen Erkrankungen sind von der Ergänzungspflegschaft ausgeschlossen.

 

IV. Vergütung eines Ergänzungspflegers

Die Vergütung von Ergänzungspflegern richtet sich nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Beruflich tätige Ergänzungspfleger werden je nach Qualifikation mit einem Stundensatz von 23,00 Euro, 29,50 Euro oder 39,00 Euro vergütet. Ehrenamtliche Ergänzungspfleger erhalten eine Pauschale für ihre Aufwendungen. In beiden Fällen trägt die Staatskasse die Kosten, wobei das Jugendamt oder die Eltern zur Erstattung herangezogen werden können, wenn das Jugendamt als Ergänzungspfleger bestellt wird.

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