Startseite » Rechtslexikon » E » Erfüllungsgehilfe gemäß § 278 BGB – Definition, Haftung, Schema

Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) – Definition, Haftung, Beispiel, Schema, Unterschiede zum Verrichtungsgehilfen

Die Begriffe Erfüllungsgehilfe und Verrichtungsgehilfe werden dann relevant, wenn es um die Zurechnung des Verhaltens Dritter geht, die im Auftrag einer anderen Person tätig werden. Beide Begriffe sind eng mit der Frage verknüpft, inwieweit eine Person für das Handeln eines anderen haftet, wenn dieser in ihrem Interesse tätig wird.

Erfüllungsgehilfe Definition: Ein Erfüllungsgehilfe ist eine Person, die vom Schuldner mit dessen Willen zur Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um eine Hilfsperson, die rein tatsächlich im Pflichtenkreis des Schuldners tätig wird. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet § 278 Satz 1 Var. 2 BGB. Im Unterschied zum Verrichtungsgehilfen ist der Erfüllungsgehilfe nicht zwingend weisungsgebunden, sondern handelt eigenständig im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben.

Verrichtungsgehilfe Definition: Ein Verrichtungsgehilfe ist hingegen eine Person, die mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und dabei weisungsgebunden ist. Der Verrichtungsgehilfe handelt im Auftrag des Geschäftsherrn und führt die ihm übertragenen Aufgaben nach dessen Anweisungen aus. Die Haftung für das Verschulden eines Verrichtungsgehilfen wird durch § 831 Absatz 1 Satz 1 BGB geregelt. Der Geschäftsherr kann jedoch die Haftung vermeiden, wenn er nachweist, dass er den Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt und überwacht hat, eine sogenannte Exkulpation gemäß § 831 Absatz 1 Satz 2 BGB.

Diese beiden Gehilfenformen unterscheiden sich in ihren rechtlichen Implikationen erheblich. Während der Schuldner für das Verhalten eines Erfüllungsgehilfen in gleicher Weise haftet wie für eigenes Verschulden, bietet § 831 BGB dem Geschäftsherrn die Möglichkeit, sich von der Haftung für das Verschulden eines Verrichtungsgehilfen zu befreien, wenn er nachweisen kann, dass er den Verrichtungsgehilfen ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht hat.

Die folgenden Ausführungen werden detailliert auf die Unterschiede und die jeweiligen Haftungskonsequenzen eingehen. Dabei wird die Abgrenzung zwischen einem Erfüllungsgehilfen und einem Verrichtungsgehilfen verdeutlicht und ihre Bedeutung im Zivilrecht erörtert.

I. Erfüllungsgehilfe BGB – § 278 BGB als Rechtsgrundlage

Was ist ein Erfüllungsgehilfe? Ein Erfüllungsgehilfe ist eine Person, die der Schuldner einsetzt, um seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Dies geschieht mit dem Wissen und Wollen des Schuldners, der für das Handeln des Erfüllungsgehilfen haftet, als wäre es sein eigenes Handeln. Im Gegensatz dazu steht der Verrichtungsgehilfe, der zwar ebenfalls im Interesse eines Geschäftsherrn handelt, jedoch weisungsgebunden ist und für dessen Verschulden der Geschäftsherr nur unter bestimmten Voraussetzungen haftet.

Die Haftung des Schuldners für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen ist in § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt.

§ 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Diese Vorschrift stellt eine Zurechnungsnorm dar und legt fest, dass der Schuldner für das Verhalten von Personen, die er zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten einsetzt, in gleichem Umfang haftet wie für eigenes Verschulden.

 

1. Zurechnung fremden Verschuldens

§ 278 Satz 1 Var. 2 BGB macht deutlich, dass der Schuldner das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen in gleichem Maße zu vertreten hat wie eigenes Verschulden. Dies bedeutet, dass der Schuldner nicht nur für eigene Handlungen und Unterlassungen verantwortlich ist, sondern auch für die Handlungen derjenigen, die er zur Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Gläubiger einsetzt. Diese Zurechnung fremden Verschuldens ist unabhängig davon, ob der Erfüllungsgehilfe selbst ein Schuldverhältnis mit dem Gläubiger hat oder ob ihm das volle Bewusstsein seiner Rolle als Erfüllungsgehilfe des Schuldners überhaupt bewusst ist. Der entscheidende Punkt ist, dass der Erfüllungsgehilfe mit Wissen und Wollen des Schuldners handelt und dabei im Rahmen der Erfüllung einer dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit in seinem Pflichtenkreis tätig wird.

 

2. Anwendungsbereich von § 278 BGB

Der Anwendungsbereich von § 278 BGB ist weit gefasst. Er umfasst sowohl vertragliche als auch vorvertragliche Schuldverhältnisse. Das bedeutet, dass der Schuldner für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen nicht nur haftet, wenn dieser im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses tätig wird, sondern auch, wenn der Erfüllungsgehilfe vor Vertragsschluss handelt, beispielsweise im Rahmen von Vertragsverhandlungen. Ein praktisches Beispiel hierfür ist die Verletzung von Pflichten bei der Vertragsanbahnung, die als „Verschulden bei Vertragsschluss“ (§ 311 Absatz 2 Nr. 2 BGB) gilt.

Für die Haftung des Schuldners ist entscheidend, dass das Verschulden des Erfüllungsgehilfen im sachlichen Zusammenhang mit der zu erfüllenden Verbindlichkeit steht. Dieser sachliche Zusammenhang bedeutet, dass die Handlung des Erfüllungsgehilfen direkt im Rahmen der Erfüllung der Pflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger erfolgt. Es genügt, dass die Handlung des Erfüllungsgehilfen Teil der Leistungserbringung ist, die der Schuldner dem Gläubiger schuldet.

Ein klassisches Beispiel ist das Handwerksunternehmen, das beauftragt wurde, eine Schönheitsreparatur durchzuführen. Wenn der Erfüllungsgehilfe, beispielsweise ein Angestellter des Handwerksunternehmens, bei der Reparatur einen Schaden verursacht, haftet der Schuldner, also das beauftragte Handwerksunternehmen, für diesen Schaden. Der Schaden steht in direktem Zusammenhang mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung – nämlich der Reparatur. Würde der Erfüllungsgehilfe nach der erfolgten Reparatur zurückkehren, um eine private Straftat zu begehen, beispielsweise einen Raub, so wäre dies nicht mehr im sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Verbindlichkeit und würde daher nicht zur Haftung des Schuldners führen.

 

3. Haftungsumfang

Die Haftung des Schuldners nach § 278 BGB ist umfassend und erstreckt sich auf alle Schäden, die durch das Verschulden des Erfüllungsgehilfen entstehen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Schaden durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten des Erfüllungsgehilfen verursacht wurde (vgl. § 276 Absatz 1 Satz 1 BGB). § 278 BGB stellt klar, dass der Schuldner für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen in demselben Umfang haftet, als hätte er selbst schuldhaft gehandelt. Dies bedeutet auch, dass eventuelle Haftungsmilderungen oder Ausschlussgründe, die für den Schuldner selbst gelten, auch für den Erfüllungsgehilfen gelten.

 

4. Keine Exkulpation

Im Gegensatz zur Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB bietet § 278 BGB dem Schuldner keine Möglichkeit, sich von der Haftung zu befreien (Exkulpation). Während der Geschäftsherr bei der Haftung für Verrichtungsgehilfen darlegen kann, dass er den Gehilfen sorgfältig ausgewählt und überwacht hat, und somit seine Haftung abwenden kann, sieht § 278 BGB eine solche Möglichkeit nicht vor. Der Schuldner kann sich daher nicht auf mangelnde Kenntnis oder die sorgfältige Auswahl des Erfüllungsgehilfen berufen, um seine Haftung zu vermeiden. Die Haftung ist vielmehr strikt und umfassend, was den hohen Schutz des Gläubigers unterstreicht.

 

II. Erfüllungsgehilfe Beispiel und Schema

Schema für Schadensersatzanspruch nach § 280 Absatz 1 BGB bei Erfüllungsgehilfen:

  1. Vorliegen eines Schuldverhältnisses
    • Ein wirksames Schuldverhältnis muss bestehen (z.B. Kaufvertrag gemäß § 433 BGB).
    • Auch ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach § 311 Absatz 2 BGB kann ausreichend sein.
  2. Pflichtverletzung
    • Es muss eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt worden sein.
    • Dies kann eine Leistungsstörung oder eine Verletzung von Schutzpflichten (§ 241 Absatz 2 BGB) sein.
  3. Vertretenmüssen (§ 276 BGB)
    • Der Schuldner muss die Pflichtverletzung zu vertreten haben.
    • Das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen wird dem Schuldner gemäß § 278 Satz 1 Var. 2 BGB zugerechnet.
  4. Schaden
    • Es muss ein Schaden beim Gläubiger entstanden sein, der auf der Pflichtverletzung beruht.
    • Der Schaden umfasst Vermögensschäden und gegebenenfalls auch immaterielle Schäden wie Schmerzensgeld (§ 253 Absatz 2 BGB).
  5. Kausalität
    • Die Pflichtverletzung muss kausal für den eingetretenen Schaden sein.

Beispiel:

Ein Kunde kauft in einem Fahrradgeschäft ein Rennrad. Während der Übergabe stößt der Verkäufer (Erfüllungsgehilfe) unachtsam ein anderes Fahrrad um, das auf den Kunden fällt und ihn verletzt. Der Kunde hat Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Geschäftsinhaber, da der Verkäufer als Erfüllungsgehilfe des Geschäftsinhabers gehandelt hat und dieser gemäß § 278 BGB für das Verschulden des Verkäufers haftet.

 

III. Unterschiede zwischen Erfüllungsgehilfe und Verrichtungsgehilfe

Die folgende Tabelle zeigt die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Erfüllungsgehilfen und einem Verrichtungsgehilfen:

Merkmal Erfüllungsgehilfe Verrichtungsgehilfe
Rechtsgrundlage § 278 BGB § 831 BGB
Weisungsgebundenheit Nicht zwingend Weisungsgebunden
Haftung des Schuldners Haftung für eigenes und fremdes Verschulden Haftung für fremdes Verschulden mit Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn
Schuldverhältnis Bestehendes Schuldverhältnis notwendig Kein bestehendes Schuldverhältnis erforderlich
Beispiele Handwerker führt Arbeiten im Auftrag aus Angestellter verletzt Dritten bei Ausführung von Aufgaben
Haftungsausschluss Möglicher Ausschluss durch individuelle Vereinbarung (nicht in AGB) Exkulpation möglich, wenn der Geschäftsherr nachweist, dass er den Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt hat

 

IV. Zusammenfassung

Die Begriffe Erfüllungsgehilfe und Verrichtungsgehilfe werden in der Klausur oder der Rechtspraxis dann relevant, wenn es um die Zurechnung des Verhaltens Dritter geht, die im Auftrag eines Schuldners oder Geschäftsherrn tätig werden. Der Erfüllungsgehilfe handelt im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses und wird nach § 278 Satz 1 Var. 2 BGB dem Schuldner zugerechnet, der für dessen Verschulden wie für eigenes Verschulden haftet. Im Gegensatz dazu ist der Verrichtungsgehilfe gemäß § 831 Absatz 1 BGB weisungsgebunden und der Geschäftsherr haftet nur unter bestimmten Bedingungen für dessen Handeln, wobei er sich exkulpieren kann.

Bitte unbedingt folgenden Haftungsausschluss bzgl. des Rechtslexikons beachten.