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Elektive Konkurrenz: Definition, Abgrenzung zur Wahlschuld, Anwendungsbereiche, Ausschluss, Fallbeispiele

Die “elektive Konkurrenz” ist in Abgrenzung zur Wahlschuld ein rechtlicher Begriff, der in verschiedenen Kontexten eine Rolle spielt. Besondere Bedeutung hat er im Kauf- und Werkvertragsrecht, wo er das Wahlrecht des Gläubigers zwischen mehreren rechtlichen Möglichkeiten beschreibt, auf einen Sachmangel zu reagieren.

I. Elektive Konkurrenz – Definition, Streitstand und Abgrenzung zur Wahlschuld

Definition: Die elektive Konkurrenz beschreibt eine Rechtssituation, bei der ein Rechtsträger mehrere Handlungsalternativen oder Rechtsbehelfe zur Verfügung hat, zwischen denen er wählen kann (sog. ius variandi). Dieses Rechtswahlkonzept ermöglicht eine flexible Anpassung an geänderte Umstände oder neue Informationen, ohne dass der Rechtsträger durch seine ursprüngliche Wahl festgelegt wird.

Merkmale der Elektiven Konkurrenz: Im Kern der elektiven Konkurrenz steht die Möglichkeit des Rechtsträgers, seine Entscheidung anzupassen oder zu ändern. Diese Flexibilität ist insbesondere relevant, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach der ersten Wahlentscheidung verändert. Die elektive Konkurrenz ist somit durch folgende Merkmale charakterisiert:

  • Wahlfreiheit: Der Berechtigte kann unter verschiedenen Rechtsbehelfen auswählen.
  • Flexibilität: Die Wahl ist nicht endgültig, sondern kann im Laufe des rechtlichen Prozesses geändert werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind.
  • Unverbindlichkeit: Die ursprüngliche Auswahl hat keine bindende Wirkung auf den weiteren Verlauf des Rechtsverhältnisses.

Abgrenzung zur Wahlschuld: Die Wahlschuld unterscheidet sich von der elektiven Konkurrenz primär durch die rechtliche Bindung an die getroffene Entscheidung. Nachstehend werden die Unterschiede detailliert betrachtet:

  • Rechtsgrundlage und Definition:
    • Wahlschuld: Gemäß §§ 262 ff. BGB kann bei einer Wahlschuld der Schuldner oder der Gläubiger aus mehreren Leistungsmöglichkeiten wählen. Sobald die Wahl getroffen ist, gilt die ausgewählte Leistung als von Anfang an geschuldet (§ 263 Absatz 2 BGB).
    • Elektive Konkurrenz: Im Gegensatz dazu ist die elektive Konkurrenz gesetzlich nicht explizit geregelt, wird aber durch Rechtsprechung und Lehre anerkannt. Sie erlaubt eine flexible Handhabung verschiedener Rechtsbehelfe ohne präjudizierende Wirkung.

Rechtswirkungen:

  • Bindende Wirkung bei der Wahlschuld: Die einmal getroffene Wahl hat gestaltende Wirkung auf das Schuldverhältnis. Das bedeutet, dass die Wahl die Leistungspflicht endgültig festlegt und alternative Leistungen ausschließt, vgl. § 263 Absatz 2 BGB.
  • Nicht-bindende Wirkung bei der elektiven Konkurrenz: Die Wahl eines Rechtsbehelfs hat keine gestaltende Wirkung auf das Schuldverhältnis. Der Berechtigte bleibt frei, zu einem späteren Zeitpunkt einen anderen, gleichfalls zulässigen Rechtsbehelf zu wählen.

Streitstand:

Fallskizze: Ein Bauherr B fordert vom Bauunternehmer zunächst die Nachbesserung eines Mangels und später einen Kostenvorschuss.

Möglicherweise liegt in dem Vorschussverlangen des B die bindende Ausübung eines dem B zustehenden Wahlrechts i.S.v § 263 II BGB mit der Folge, dass es B nunmehr verwehrt wäre, zu einem Nacherfüllungsanspruch zurückzukehren. Dies würde voraussetzen, dass das Nacherfüllungsverlangen und das Verlangen auf Kostenvorschuss in einem Verhältnis der Wahlschuld zueinanderstehen. Zum Teil wird vertreten, dass eine Wahlschuld mit grundsätzlicher Bindung an die Wahl dann anzunehmen sei, wenn der Gläubiger dazu verpflichtet sei, sein Wahlrecht auszuüben, was wiederum immer dann gegeben sei, wenn der Regelungskomplex, welcher das Wahlrecht gewähre, nicht auf eine einseitige Bevorzugung des Gläubigers gerichtet sei. Eine einseitige Bevorzugung des Bestellers kann mit Blick darauf, dass § 634 BGB dem Unternehmer ein Andienungsrecht gewähre und das Werkgewährleistungsrecht somit auch den Unternehmer schützt, nicht angenommen werden. In Folge dessen wäre nach dieser Ansicht eine Wahlschuld zwischen Nacherfüllungsverlangen und Kostenvorschuss anzunehmen.

Hingegen erachtet die wohl überwiegende Ansicht die Bestellerrechte des § 634 BGB als in elektiver Konkurrenz zueinander stehend. Hiernach stehen dem Besteller mehrere Rechte zu, zwischen denen er wählen kann, wobei die Wahl nicht bindend ist. Für die Annahme einer elektiven Konkurrenz streitet, dass – anders als bei einer Wahlschuld – die Handlungsmöglichkeiten nicht auf einer vertraglichen Ausgestaltung beruhen, sondern gesetzlich angeordnet sind. Der Gesetzgeber hat bereits durch § 325 BGB erkenntlich gemacht, dass er die Gewährleistungsansprüche nicht in einem Exklusivitätsverhältnis sieht. Soweit die Entscheidung für ein Gewährleistungsrecht Folgen für den Primäranspruch auslösen soll, beantwortet das BGB diese Frage zudem regelmäßig explizit, vgl. etwa § 281 Absatz 4 BGB. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung für das Verlangen auf Kostenvorschuss lässt sich der gesetzgeberische Wille ableiten, dass eine Gestaltungswirkung hiermit nicht erzeugt werden soll. Anders als bei der Wahlschuld besteht zudem kein anfängliches Alternativverhältnis zwischen Nacherfüllungsanspruch und Kostenvorschuss, da letzterer den Ablauf einer gesetzten Frist voraussetzt. Die besseren Gründe streiten hiernach gegen die (grundsätzliche) Annahme einer Bindungswirkung nach § 263 II BGB. (a.A. vertretbar)

 

II. Anwendungsbereiche der elektiven Wahlkonkurrenz

Die elektive Konkurrenz findet in verschiedenen Rechtsbereichen des Zivilrechts Anwendung, insbesondere dort, wo flexible rechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf geänderte Umstände eine Rolle spielen. Im Folgenden werden spezifische Anwendungsbereiche detaillierter betrachtet, um das breite Spektrum und die Bedeutung dieser Rechtsfigur zu verdeutlichen.

 

1. Kaufrecht

Im Kaufrecht erlaubt die elektive Konkurrenz dem Käufer, flexibel auf Mängel der Kaufsache zu reagieren. Nach § 437 BGB stehen ihm mehrere Optionen offen, die er je nach Einzelfall und sich ändernden Umständen anwenden kann:

  1. Nacherfüllung (§ 439 BGB): Der Käufer kann die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Diese Wahlmöglichkeit ermöglicht eine unmittelbare Korrektur des Problems.
  2. Rücktritt (§§ 440, 323, 326 Absatz 5 BGB): Bei Nichterfüllung oder unzureichender Nacherfüllung kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten.
  3. Minderung (§ 441 BGB): Der Käufer darf den Kaufpreis mindern, wenn er sich für die Beibehaltung der mangelbehafteten Sache entscheidet.
  4. Schadensersatz (§ 437 Nr. 3 BGB): Bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen kann der Käufer Schadensersatz wegen des Mangels verlangen.
  5. Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB): Falls der Käufer Aufwendungen (freiwillige Vermögensopfer) gemacht hat, die durch den Mangel zunichte gemacht wurden, kann er Ersatz dieser Kosten verlangen.

Diese Optionen stehen nach h.M. in elektiver Konkurrenz zueinander, was bedeutet, dass der Käufer seine Strategie im Umgang mit dem Mangel flexibel anpassen kann, ohne sich sofort endgültig festlegen zu müssen.

 

2. Werkvertragsrecht

Ähnlich wie im Kaufrecht bietet die elektive Konkurrenz auch im Werkvertragsrecht dem Besteller vielfältige Handlungsoptionen, um auf Mängel am Werk zu reagieren. Die relevanten Vorschriften sind hier § 634 BGB und folgende, die dem Besteller unter anderem ermöglichen:

  1. Nacherfüllung (§ 635 BGB): Der Besteller kann die Beseitigung des Mangels oder die Herstellung eines neuen Werkes verlangen.
  2. Rücktritt (§ 634 Nr. 3, § 323 BGB): Bei erheblichen Mängeln kann der Besteller vom Vertrag zurücktreten.
  3. Minderung (§ 638 BGB): Der Besteller hat die Möglichkeit, eine Herabsetzung der Vergütung zu verlangen.
  4. Schadensersatz (§ 634 Nr. 4 BGB): Unter bestimmten Umständen kann auch hier Schadensersatz gefordert werden.
  5. Ersatz der Aufwendungen für die Selbstvornahme (§ 637 BGB): Wenn der Besteller den Mangel selbst beseitigt, kann er Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen verlangen.

Die Wahl zwischen diesen Rechtsbehelfen unterliegt nach h.M. der elektiven Konkurrenz und ermöglicht eine an den jeweiligen Einzelfall angepasste Reaktion.

 

3. Mietrecht

Auch im Mietrecht kann die elektive Konkurrenz relevant werden, insbesondere bei Mängeln der Mietsache. Der Mieter hat das Recht, unter bestimmten Umständen die Miete zu mindern (§ 536 BGB), Schadensersatz zu fordern oder unter schwerwiegenden Umständen sogar den Mietvertrag zu kündigen. Diese Rechte stehen ihm neben der Forderung nach Mängelbeseitigung zur Verfügung und können je nach Situation und Veränderung der Umstände angepasst werden.

 

III. Elektive Konkurrenz – Rechtliche Rahmenbedingungen

1. Gesetzliche Verankerung der elektiven Konkurrenz und Rechtsprechung

Die elektive Konkurrenz ist im deutschen Recht nicht explizit in den Gesetzestexten verankert. Sie entwickelte sich vielmehr durch Rechtsprechung und wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert. Ihre Anerkennung und Anwendung basieren auf der Notwendigkeit, Rechtsträgern Flexibilität in der Handhabung ihrer Rechtsbeziehungen zu ermöglichen, besonders wenn mehrere Handlungsoptionen rechtlich zulässig und praktisch sinnvoll sind.

 

2. Prinzipien und Rechtsgrundsätze der elektiven Wahlkonkonkurrenz

Die Anwendung der elektiven Konkurrenz basiert auf mehreren grundlegenden Prinzipien des deutschen Rechtssystems:

  1. Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB): Dieser Grundsatz ist zentral für die Ausübung rechtlicher Wahlmöglichkeiten unter der elektiven Konkurrenz. Die Wahl und der Wechsel zwischen verschiedenen Rechtsbehelfen müssen in einer Weise erfolgen, die den Prinzipien von Redlichkeit und Fairness entspricht, ohne den Vertragspartner unnötig zu benachteiligen.
  2. Verhältnismäßigkeitsprinzip: Die Entscheidung für einen bestimmten Rechtsbehelf unter anderen verfügbaren Optionen muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass die gewählte Handlung geeignet, erforderlich und angemessen in Bezug auf die verfolgten Ziele sein muss.
  3. Flexibilität und Adaptivität: Die elektive Konkurrenz spiegelt das Bedürfnis wider, auf dynamische und oft unvorhersehbare rechtliche und tatsächliche Entwicklungen angemessen reagieren zu können. Dies unterstützt die Effektivität rechtlicher Regelungen und die Gerechtigkeit im Einzelfall.

 

3. Rechtsdoktrin und Literatur zur elektiven Wahlkonkonkurrenz

In der juristischen Fachliteratur wird die elektive Konkurrenz häufig im Kontext der Diskussion um Wahlrechte und Gestaltungsfreiheiten im Vertragsrecht behandelt. Sie wird oft als Instrument gesehen, das die Rechtsautonomie erhöht und den Parteien ermöglicht, ihre Rechte flexibel und situationsangepasst auszuüben.

Anwendungsbeschränkungen und Grenzen

Die Anwendung der elektiven Konkurrenz ist nicht unbegrenzt und unterliegt bestimmten rechtlichen Beschränkungen:

  1. Gesetzliche Ausschlüsse: In einigen Rechtsbereichen schließen spezifische gesetzliche Regelungen die Möglichkeit der elektiven Konkurrenz aus, indem sie eine feste Wahl vorschreiben oder die Rechtsfolgen einer einmal getroffenen Wahl bindend festlegen.
  2. Richterliche Kontrolle: Gerichte können die Ausübung von Wahlrechten überprüfen, insbesondere wenn der Verdacht besteht, dass diese missbräuchlich oder treuwidrig erfolgt, um den Vertragspartner zu schädigen oder gesetzliche Regelungen zu umgehen.
  3. Zeitliche Grenzen: Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Rechtsbehelfen zu wechseln, kann durch zeitliche Fristen eingeschränkt sein, besonders wenn durch die Wahlentscheidung Rechtspositionen Dritter oder irreversible Zustände geschaffen werden.

 

IV. Fallbeispiele zur elektiven Wahlkonkonkurrenz

1. Fallbeispiel im Kaufrecht

Ein Käufer erwirbt ein Fahrzeug, bei dem kurz nach der Übergabe ein schwerer Motordefekt auftritt. Der Käufer verlangt zunächst die Reparatur des Fahrzeugs, entscheidet sich aber später, aufgrund der hohen zu erwartenden Reparaturkosten und des Zeitverlustes, stattdessen die Lieferung eines Ersatzfahrzeugs zu verlangen. Diese Möglichkeit, seine ursprüngliche Wahl zu ändern, steht ihm dank der elektiven Konkurrenz offen.

 

2. Fallbeispiel im Werkvertragsrecht

Ein Bauunternehmer hat bei einem Bauvorhaben minderwertiges Material verwendet, was zu Mängeln am Bau führt. Der Bauherr verlangt zunächst die Beseitigung der Mängel, entscheidet sich aber nach weiterer Überlegung, stattdessen eine Minderung des Werklohns zu fordern, da eine Nachbesserung zu umfangreich und störend wäre. Auch hier ermöglicht die elektive Konkurrenz eine Anpassung der gewählten Rechtsbehelfe.

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