Die Debatte um den richtigen Kurs für die Industriepolitik am Standort Deutschland hat zu bedeutsamen Äußerungen in der politischen Landschaft geführt. Eine davon stammt von Ulla Plötzer (MdB Die Linke) aus dem Jahr 2012: „Statt Bekenntnisse zum freien Markt braucht es endlich wieder den gestaltenden Staat und eine Erneuerung von Demokratie.“ (Quelle: Das Parlament. Debattendokumentation S. 9)
Die Frage, die sich in diesem Kontext stellt, ist: Wie kann die Demokratie erneuert werden? Eine Antwort darauf ist die E-Demokratie, die sich als relativ neues Instrument in Deutschland immer mehr durchsetzt.
Seit der Jahrtausendwende ist in Deutschland ein klarer Trend zu beobachten: Die Bürgerbeteiligung über das Internet nimmt zu, und die Tendenz ist weiterhin steigend. Eines der Beispiele hierfür sind die sogenannten Bürgerhaushalte, die in verschiedenen Kommunen eingeführt wurden. Hierbei haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, online über die Verteilung eines Teils der Haushaltsmittel zu entscheiden. Dieser Trend zeigt, wie Bürger das Internet nutzen, um politische Anliegen zu fördern, ihre Meinungen zu äußern und Entscheidungen zu beeinflussen.
Parallel dazu nutzen auch staatliche Institutionen verstärkt das Internet, um Bürgern Verwaltungs-, Kommunikations-, Konsultations- und Entscheidungsprozesse näher zu bringen. Dies verdeutlicht die entscheidende Rolle, die die E-Demokratie in der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft spielt.
Das Wort “Digitalisierung” stammt aus dem Lateinischen „digitus“, was “Finger” bedeutet, und dem Englischen „digit“, was “Ziffer” oder “Stelle in der Anzeige eines elektronischen Gerätes” meint. Die Digitalisierung, wie wir sie heute kennen, bezieht sich auf Prozesse und Informationen, die in Zahlenform oder mit Hilfe elektronischer Geräte dargestellt werden.
Mit der Digitalisierung haben sich auch die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung verändert. Der Zugang zum Internet ist eine zentrale Voraussetzung für die Teilhabe an dieser neuen Form der Demokratie. 2011 waren laut (N)Onliner Atlas bereits etwa 75 % der Deutschen regelmäßig online. Doch obwohl diese Zahl beeindruckend ist, dürfen wir nicht vergessen, dass es auch eine digitale Spaltung gibt.
Nicht alle Bürger haben gleichermaßen Zugang zum Internet, und es gibt deutliche Unterschiede in der Nutzung des Internets zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Dies zeigt sich besonders in Bezug auf Alter, Bildung und sozialen Status. Während das Internet viele Möglichkeiten für erweiterte demokratische Teilhabe bietet, profitieren nicht alle Bürger in gleichem Maße davon.
In diesem digitalen Zeitalter wurden auch neue Begriffe geprägt, die das Verhältnis von Bürger und Staat im Kontext des Internets beschreiben: E-Demokratie, E-Government und E-Partizipation.
Laut dem Politikwissenschaftler Daniel Roleff ist die E-Demokratie ein Abbild von demokratischen Prozessen und Strukturen zwischen Bürgern und dem Staat im digitalen Raum. Sie bietet eine Plattform, auf der Bürger und staatliche Institutionen interagieren und miteinander kommunizieren können.
Hierbei handelt es sich um eine Unterkategorie der E-Demokratie. E-Government bezieht sich auf die elektronische Abwicklung von Geschäftsprozessen zwischen Verwaltung und Regierung, einschließlich der sogenannten E-Administration, die sich auf die elektronische Verwaltung konzentriert.
Dies ist die zweite Unterkategorie der E-Demokratie. E-Partizipation umfasst alle Formen der Bürgerbeteiligung über das Internet, von einfachen Online-Umfragen bis hin zu komplexen Diskussionsforen und Entscheidungsplattformen.
Eines der Hauptanliegen der E-Demokratie ist es, Offenheit in der Regierungsentscheidungsfindung und -umsetzung (Transparenz) sowie die Beteiligung der Bürger (Partizipation) sicherzustellen. E-Demokratie kann als Ergänzung und Erweiterung der Beziehungen zwischen Bürgern und Staat auf digitaler Ebene betrachtet werden.
Hier lassen sich zwei Hauptströme in der E-Demokratie identifizieren: Die Aktionen und Einflüsse der Bürger “von unten” und die Initiativen und Angebote des Staates “von oben”. Letzteres wird oft als Open Government bezeichnet. Dieses Konzept umfasst nicht nur die elektronische Verwaltung, sondern auch die digitale Konsultation, um Verwaltungsprozesse zu vereinfachen und den Bürgern hochwertige Dienstleistungen zu bieten.
In Bezug auf die E-Demokratie spielt auch die Piratenpartei, oft als “Internet-Partei” bezeichnet, eine bedeutende Rolle. Ein zentrales Anliegen der Partei ist die informationelle Selbstbestimmung, wobei sie sich inhaltlich stark auf digitale Kommunikationstechnologien konzentriert. Ein besonderes Merkmal der Partei ist ihr Engagement für das Konzept der Liquid Democracy – eine innovative Form der demokratischen Entscheidungsfindung.
Liquid Democracy, so Roleff, kann als Mischform von repräsentativer und direkter Demokratie betrachtet werden. Es ermöglicht Bürgern, ihre Stimme je nach Situation entweder zu delegieren oder selbst abzugeben. Die Piratenpartei verwendet die Software “Liquid Feedback”, um Netzentscheidungen in der Partei zu treffen.
Ein Hauptproblem, das der E-Demokratie im Weg steht, ist die digitale Spaltung. Wie bereits erwähnt, sind nicht alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen online. Ältere Generationen, Menschen mit geringerem Bildungsstand oder Einkommen sind weniger wahrscheinlich im Internet aktiv. Dies schafft eine Diskrepanz zwischen denen, die von den Vorteilen der E-Demokratie profitieren können, und denen, die ausgeschlossen sind. Somit besteht die Gefahr, dass der demokratische Prozess weiterhin von jenen dominiert wird, die digital aktiver sind.
Trotz der genannten Herausforderungen bietet die E-Demokratie immense Chancen:
Die Zukunft der E-Demokratie in Deutschland und weltweit sieht vielversprechend aus. Mit der weiteren Digitalisierung der Gesellschaft und der Entwicklung neuer Technologien werden auch die Möglichkeiten der E-Demokratie wachsen. Dabei sollte jedoch stets darauf geachtet werden, dass die Technologie zum Wohl der Bürger und nicht zu ihrer Marginalisierung eingesetzt wird.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die E-Demokratie in den kommenden Jahren entwickelt und welche neuen Möglichkeiten und Herausforderungen sich daraus ergeben. Ein Ding ist sicher: Die Digitalisierung wird die Art und Weise, wie wir Demokratie verstehen und leben, nachhaltig verändern.
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