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Außergerichtliche Einigung – Rechtliche Grundlagen, Muster, Vergleich anbieten

 

 

I. Was ist eine außergerichtliche Einigung?

Eine außergerichtliche Einigung ist ein Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten ohne Einschaltung eines Gerichts. Es handelt sich um einen gütlichen Vergleich, bei dem sich die beteiligten Parteien darauf einigen, den Konflikt eigenständig zu lösen. Diese Methode wird häufig in unterschiedlichen Bereichen des Rechts angewendet, einschließlich Schuldner-Gläubiger-Verhältnissen, Arbeitsrecht und Familienrecht.

Der Beitrag erläutert den typischen Ablauf einer außergerichtlichen Einigung, einschließlich der Schritte Erstkontakt und Kommunikation, Sammlung von Informationen, Entwicklung von Lösungsvorschlägen, Verhandlungen, Vereinbarung und Dokumentation sowie Umsetzung und Nachverfolgung.

Welche Wege führen zu einer Einigung?

II. Gesetzliche Grundlage der außergerichtlichen Einigung

Der Begriff des Vergleichs, also der außergerichtlichen Einigung, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter § 779 Absatz 1 BGB definiert. Demnach ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den Streit oder Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Ein Vergleich setzt also die Kompromissbereitschaft beider Seiten voraus. Die Wirksamkeit eines Vergleichs hängt davon ab, ob der zugrunde liegende Sachverhalt der Realität entspricht. Falls sich später herausstellt, dass die Streitigkeit auf einem Irrtum beruhte, ist der Vergleich allerdings unwirksam.

 

III. Vorteile einer außergerichtlichen Einigung

Die außergerichtliche Einigung bietet den beteiligten Parteien zahlreiche Vorteile gegenüber einem langwierigen und kostenintensiven gerichtlichen Verfahren:

  1. Kosteneffizienz: Durch den Verzicht auf ein Gerichtsverfahren werden erhebliche Kosten gespart, da weder Gerichtskosten noch die hohen Anwaltskosten eines Prozesses anfallen.
  2. Zeitersparnis: Ein Gerichtsprozess kann sich über Monate oder Jahre hinziehen, während eine außergerichtliche Einigung in der Regel wesentlich schneller erzielt werden kann.
  3. Stressreduktion: Der psychische Stress und die Ungewissheit eines Gerichtsverfahrens entfallen.
  4. Wahrung der Beziehungen: Da beide Seiten zu einem Kompromiss bereit sein müssen, wird das Verhältnis zwischen den Parteien weniger belastet.
  5. Flexibilität: Die Parteien können individuell zugeschnittene Lösungen finden, die ihren spezifischen Bedürfnissen besser entsprechen als ein Gerichtsurteil.

 

IV. Ist eine außergerichtliche Einigung ohne Anwalt möglich?

Es ist möglich, eine außergerichtliche Einigung ohne Anwalt zu erreichen, insbesondere bei weniger komplexen Fällen oder wenn die Parteien bereits ein hohes Maß an Vertrauen und Kommunikationsbereitschaft haben. Dabei kann die Einigung ohne Anwalt die Beziehung zwischen den Parteien stärken, da sie gemeinsam und kooperativ eine Lösung finden. Dennoch kann im Einzelfall die Unterstützung eines Anwalts oder Mediators ebenso von Vorteil sein, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Aspekte berücksichtigt und dokumentiert werden.

Was ist ein Mediator? Ein Mediator ist ein neutraler Dritter, der die Parteien bei der Lösungsfindung unterstützt und sicherstellt, dass die Verhandlungen fair und ausgewogen ablaufen.

 

V. Außergerichtliche Einigung vor Güteverhandlung

Ebendem besteht vor einer gerichtlichen Güteverhandlung oft die Möglichkeit, eine außergerichtliche Einigung anzustreben. Diese vorgerichtliche Einigung kann erheblich dazu beitragen, die Kosten und den Aufwand eines gerichtlichen Prozesses zu vermeiden. Der Versuch einer außergerichtlichen Einigung ist in bestimmten Rechtsbereichen, besonders im Nachbarschaftsrecht und bei Verbraucherinsolvenzen, sogar gesetzlich vorgeschrieben.

 

1. Nachbarschaftsrecht

Die verschiedenen Landesgesetze sehen vor, dass bei Nachbarschaftsstreitigkeiten zunächst ein Schlichtungsversuch unternommen werden muss. Diese Regelung zielt darauf ab, die Gerichte zu entlasten und gleichzeitig eine gütliche Einigung zwischen den Nachbarn zu fördern. Dies ist besonders wichtig, da nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnisse oft emotionale und langwierige Auseinandersetzungen sind, die durch eine gerichtliche Entscheidung nicht immer zufriedenstellend gelöst werden können.

 

2. Verbraucherinsolvenzen

Auch im Bereich der Verbraucherinsolvenzen schreibt die Insolvenzordnung (InsO) vor, dass ein außergerichtlicher Einigungsversuch unternommen werden muss, bevor ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden kann. Gemäß § 305 InsO müssen Schuldner vor dem Eröffnungsantrag versuchen, sich mit ihren Gläubigern außergerichtlich zu einigen, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Erst wenn dieser Versuch scheitert, kann ein gerichtliches Verbraucherinsolvenzverfahren eingeleitet werden.

 

VI. Schuldenvergleich anbieten: Wie viel Prozent?

Wenn Sie eine außergerichtliche Einigung im Rahmen eines Schuldenvergleichs anstreben, stellt sich die Frage, wie viel Prozent der Schulden man im Rahmen eines Schuldenvergleichs anbieten sollt Hier gibt es keine festen Regeln, aber typische Angebote liegen häufig zwischen 20 und 30 Prozent der Gesamtschuld. Der genaue Prozentsatz hängt von mehreren Faktoren ab, einschließlich der finanziellen Situation des Schuldners und der Anzahl der Gläubiger.

Einflussfaktor/Strategie Beschreibung Beispiel/Anmerkung
Finanzielle Situation des Schuldners
Einkommen und Ausgaben Detaillierte Analyse der monatlichen Einnahmen und Ausgaben Überblick über alle regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben
Vermögenswerte Bewertung verwertbarer Vermögenswerte Immobilien, Fahrzeuge, Wertgegenstände
Anzahl und Art der Gläubiger
Zahl der Gläubiger Anzahl der Gläubiger, mit denen verhandelt werden muss Individuelle Verhandlungen bei vielen Gläubigern erforderlich
Art der Gläubiger Unterschiedliche Verhandlungstaktiken je nach Art des Gläubigers Institutionelle Gläubiger vs. private Gläubiger
Vergleich mit Insolvenzverfahren
Besserstellung der Gläubiger Vergleichsangebot sollte besser sein als das, was Gläubiger im Insolvenzverfahren erhalten würden Gläubiger sollen durch den Vergleich mehr bekommen als im Falle einer Insolvenz
Strategien zur Festlegung des Vergleichsangebots
Einmalzahlung Sofortige Liquidität für Gläubiger, oft akzeptabler für niedrigere Prozentsätze Einmalzahlung von 20-30% der Gesamtschuld
Ratenzahlung Vereinbarung realistischer und pünktlicher Ratenzahlungen Ratenzahlungen über einen bestimmten Zeitraum, z.B. monatliche Zahlungen
Verhandlungstaktik
Transparenz Offene und ehrliche Kommunikation über die finanzielle Situation Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Gläubigern aufbauen
Professionelle Unterstützung Einbindung von Schuldnerberatungen oder Anwälten zur Unterstützung bei den Verhandlungen Fachleute können den Prozess erleichtern und sicherstellen, dass alle rechtlichen Aspekte berücksichtigt werden
Erfolgsfaktoren
Realistische Planung Gut durchdachter Plan, der die finanzielle Lage realistisch darstellt Überzeugt die Gläubiger von der Ernsthaftigkeit des Angebots
Glaubwürdigkeit Transparente und glaubwürdige Darstellung der Situation Wichtig für die Akzeptanz des Angebots durch die Gläubiger
Kompetente Beratung Unterstützung durch Fachleute zur professionellen Führung der Verhandlungen und Erzielung bestmöglicher Ergebnisse Fachleute sorgen für rechtliche und finanzielle Absicherung des Schuldners

Beispielhafter Prozentsatz des Vergleichsangebots:

Prozentsatz Beschreibung
20-30% Typischer Ausgangspunkt für Angebote
<20% Möglich bei besonders überzeugenden Umständen oder hoher Liquidität der Einmalzahlung
>30% Bei besonders schwierigen Verhandlungen oder um Gläubigern eine deutlich bessere Position als in einer Insolvenz zu bieten

 

VII. Schritt-für-Schritt-Ablauf einer außergerichtlichen Einigung

Eine erfolgreiche außergerichtliche Einigung erfordert eine sorgfältige Planung und systematische Vorgehensweise. Nachfolgend befindet sich eine detaillierte Roadmap, die Ihnen hilft, diesen Prozess strukturiert und effektiv zu durchlaufen:

Schritt 1: Unterlagen sortieren

Ziel: Sammeln und organisieren Sie alle relevanten Dokumente für die außergerichtliche Einigung.

Schritte:

  • Rechnungen und Mahnungen: Stellen Sie sicher, dass Sie alle aktuellen Rechnungen und Mahnungen vorliegen haben.
  • Kontoauszüge: Besorgen Sie sich Kontoauszüge der letzten Monate, um Ihre finanzielle Lage genau darzustellen.
  • Verträge und Vereinbarungen: Suchen Sie alle relevanten Verträge und Vereinbarungen heraus, die Ihre Schulden betreffen könnten.

Schritt 2: Gläubiger anschreiben

Ziel: Kontaktieren Sie Ihre Gläubiger, um die ausstehenden Forderungen zu bestätigen.

Schritte:

  • Briefvorlagen nutzen: Verwenden Sie Musterbriefe, um die Gläubiger formell anzuschreiben.
  • Forderungsbestätigung: Bitten Sie die Gläubiger, die Höhe der ausstehenden Forderungen einschließlich Zinsen und Mahnkosten zu bestätigen.
  • Kommunikation dokumentieren: Halten Sie alle Korrespondenz schriftlich fest, um den Prozess nachvollziehbar zu machen.

Schritt 3: Übersicht erstellen

Ziel: Erstellen Sie eine klare Übersicht über Ihre finanzielle Situation und die Forderungen der Gläubiger.

Schritte:

  • Gläubigerverzeichnis: Erstellen Sie ein Verzeichnis aller Gläubiger und deren Forderungen.
  • Liquiditätsplanung: Erstellen Sie eine Übersicht über Ihre monatlichen Einnahmen und Ausgaben.
  • Vermögensübersicht: Listen Sie Ihre Vermögenswerte auf, die zur Tilgung der Schulden verwendet werden könnten.

Schritt 4: Rückzahlungsplan entwickeln

Ziel: Entwickeln Sie einen realistischen Plan zur Rückzahlung der Schulden.

Schritte:

  • Plan erstellen: Entwickeln Sie einen Rückzahlungsplan, der die Schulden in machbaren Raten oder als Einmalzahlung abdeckt.
  • Angebot formulieren: Bestimmen Sie den Prozentsatz der Schulden, den Sie anbieten können (typischerweise 20-30% der Gesamtschuld).
  • Dokumentation: Dokumentieren Sie den Rückzahlungsplan detailliert, um ihn den Gläubigern vorzulegen.

Schritt 5: Verhandlungen führen
Ziel: Verhandeln Sie mit den Gläubigern über die Details des Vergleichs.

Schritte:

  • Vorbereitung: Bereiten Sie sich gut auf die Verhandlungen vor, indem Sie Ihre Argumente und Angebote klar formulieren.
  • Verhandlungsgespräche: Führen Sie Gespräche mit den Gläubigern, entweder persönlich, telefonisch oder schriftlich.
  • Flexibilität zeigen: Seien Sie bereit, Kompromisse einzugehen und verschiedene Zahlungsmodalitäten zu diskutieren.

Schritt 6: Vereinbarung festhalten

Ziel: Halten Sie die außergerichtliche Einigung schriftlich fest und setzen Sie den Zahlungsplan um.

Schritte:

  • Vertragsentwurf: Erstellen Sie einen schriftlichen Vertrag, der die Vereinbarung detailliert festhält.
  • Unterschriften einholen: Lassen Sie den Vertrag von allen Parteien unterschreiben.
  • Umsetzung: Beginnen Sie mit der Umsetzung des Zahlungsplans gemäß den vereinbarten Bedingungen.
  • Nachverfolgung: Überwachen Sie die Einhaltung der Vereinbarung und passen Sie den Plan bei Bedarf an.

     

    VIII. Außergerichtliche Einigung im Arbeitsrecht

    Auch im Arbeitsrecht ist die außergerichtliche Einigung eine gängige Praxis. Sie kann in Form eines Aufhebungsvertrags oder Abwicklungsvertrags erfolgen. Diese Verträge ermöglichen es, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden und die Folgen einer Kündigung zu regeln. Ein großer Vorteil dieser Methode ist die Flexibilität und die Möglichkeit, hohe Anwalts- und Gerichtskosten zu vermeiden.

     

    IX. Kosten und Dauer einer außergerichtlichen Einigung

    Die Kosten für eine außergerichtliche Einigung sind in der Regel deutlich niedriger als die Kosten eines Gerichtsverfahrens. Es fallen keine Gerichtskosten an, und die etwaigen Anwaltskosten sind vorhersehbar und meist geringer. Die Dauer der außergerichtlichen Einigung hängt von der Komplexität des Falls und der Anzahl der beteiligten Gläubiger ab. In der Regel kann eine Einigung innerhalb weniger Wochen bis Monate erzielt werden.

     

    X. Außergerichtliche Einigung Muster

    Vergleich

    zwischen

    (Name und Anschrift des Gläubigers),

    und

    (Name und Anschrift des Schuldners).


    Vorbemerkungen

    Die Parteien vertreten unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich (umschreiben Sie hier die Art der Streitigkeit, z.B. “eines Kaufvertrags vom …”). Um diese Angelegenheit abschließend zu beseitigen und einen Rechtsstreit zu vermeiden, schließen die Parteien den folgenden Vergleich:


    1. Leistungen des Schuldners

    Frau/Herr (Schuldner) leistet eine Zahlung in Höhe von EUR xxx an Frau/Herr (Gläubiger). Diese Zahlung erfolgt durch Überweisung auf das folgende Konto:

    • Kontonummer: xxx
    • BLZ: xxx
    • Name der Bank: xxx

    Die Zahlung ist bis zum xx.xx.xxxx fällig und wird ab diesem Zeitpunkt zu einem Zinssatz von xx % p.a. verzinst. Alternativ wird Frau/Herr (Schuldner) die Möglichkeit eingeräumt, die fällige Summe in monatlichen Raten in Höhe von EUR xxx zu bezahlen. Die Raten werden jeweils zum xx. eines Monats fällig, beginnend ab dem xx.xx.xxxx.


    2. Leistungen des Gläubigers

    Sofern Frau/Herr (Schuldner) bis zum xx.xx.xxxx einen Gesamtbetrag von EUR xxx entrichtet hat, verzichtet Frau/Herr (Gläubiger) auf die Zahlung des verbliebenen Betrages. Frau/Herr (Schuldner) nimmt diesen Verzicht bereits zum jetzigen Zeitpunkt an.


    3. Weitere Bestimmungen

    • Über den Inhalt dieses Vergleichs wird Stillschweigen vereinbart.
    • Kommt Frau/Herr (Schuldner) in einem Zeitraum von xxx Monaten mit den Zahlungen in Rückstand und entspricht der rückständige Betrag der Höhe einer Rate, wird der gesamte Restbetrag unmittelbar fällig. Der unter Punkt 2 vereinbarte Verzicht entfällt ebenfalls.
    • Für Streitigkeiten aus diesem Vergleich vereinbaren die Parteien den Gerichtsstand (Ort einfügen). Zwingende gesetzliche Gerichtsstandsvorschriften bleiben unberührt.
    • Dieser Vergleich wird ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgeschlossen.
    • Mit dem Vollzug dieses Vergleichs erklären sich die beiden Parteien per Saldo sämtlicher Ansprüche in dieser Streitsache als auseinandergesetzt.

    4. Schlussbestimmungen

    • Dieser Vertrag wird in zwei (2) Exemplaren ausgefertigt. Jede Partei erhält ein Exemplar.
    • Die Kosten und Auslagen des Vergleichs tragen die Parteien jeweils selbst.

    Ort, Name, Datum

    Unterschrift Unterschrift

    ………………………… …………………………

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