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Arbeitskampf – Ihre Rechte als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber im kollektiven Arbeitsrecht

Arbeitskampf Definition: Der Begriff Arbeitskampf beschreibt im kollektiven Arbeitsrecht die gezielte Störung des Arbeitsfriedens durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber zur Durchsetzung tarifvertraglicher Forderungen. Diese Maßnahmen umfassen Streiks, Aussperrungen und Boykotte, die darauf abzielen, wirtschaftlichen Druck auszuüben und Verhandlungsziele zu erreichen. Nach Hans Carl Nipperdey (Jurist im 20. Jahrhundert) ist ein Arbeitskampf „die von den Parteien des Arbeitslebens vorgenommene Störung des Arbeitsfriedens, um durch Druck ein bestimmtes Ziel oder Fernziel zu erreichen.“

I. Arbeitskampf in der historischen Betrachtung 

Der erste dokumentierte Arbeitskampf fand vor über 3000 Jahren in den Totenstädten der Pharaonen statt, als die Löhne nicht gezahlt wurden. Die Arbeiter, die an den Grabstätten der Pharaonen arbeiteten, erhielten ihren Lohn nicht und traten daraufhin in den Streik.

Im Mittelalter waren die Arbeitsverhältnisse durch Zunftordnungen geregelt. Diese Zünfte schlossen Meister, Gesellen und Lehrlinge in einer organisierten Struktur zusammen. Gesellen und Knechte begannen, sich zu Gesellenschaften zu formieren, um ihre Rechte und Interessen zu vertreten. Ein bemerkenswertes Beispiel aus dieser Zeit ist der Beschluss der Breslauer Gürtler aus dem Jahr 1329, bei keinem Breslauer Gürtlermeister Dienste zu erbringen, was einem organisierten Arbeitskampf gleichkam. Die Meister antworteten daraufhin mit dem Beschluss, keinen der beteiligten Gesellen wieder einzustellen.

Im 19. Jahrhundert nahm die Industrialisierung Fahrt auf, was zu erheblichen sozialen Spannungen führte. Eines der bekanntesten Beispiele für die sozialen Arbeitskämpfe dieser Zeit ist der Schlesische Weberaufstand von 1844. Die Weber in Schlesien erhoben sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und die niedrigen Löhne. Der Aufstand wurde gewaltsam niedergeschlagen, doch er markierte einen wichtigen Punkt in der Geschichte der Arbeiterbewegung und führte zu einem wachsenden Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit.

Parallel dazu entwickelte sich in England eine Bewegung der Maschinenstürmer, bekannt als Luddismus. Diese Bewegung, benannt nach dem fiktiven Anführer Ned Ludd, entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die zunehmende Mechanisierung der Arbeitswelt, die viele Handwerker und Arbeiter um ihre Existenzgrundlage brachte. Die Maschinenstürmer zerstörten Maschinen und Fabriken, um gegen den Verlust ihrer Arbeitsplätze zu protestieren.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts gründeten sich vermehrt Gewerkschaften, die organisierte Arbeitskämpfe führten. Ein historisch bedeutendes Ereignis war der Streik am 1. Mai 1886 in Chicago, bekannt als Haymarket Riot. Dieser Streik forderte die Reduzierung der täglichen Arbeitszeit auf acht Stunden. Der Haymarket Riot, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen, ist bis heute ein bedeutendes Symbol in der Geschichte der Arbeiterbewegung und führte zur Etablierung des 1. Mai als Tag der Arbeit.

 

II. Formen des Arbeitskampfes

Arbeitskampfmaßnahmen variieren in ihrer Form und Intensität, abhängig von den Zielen und Strategien der beteiligten Parteien. Nachfolgend sind die wichtigsten Formen des Arbeitskampfes, die sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern genutzt werden können, unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen aufgelistet:

 

1. Bekannteste Streikformen für Arbeitnehmer

  • Erzwingungsstreik: Dieser Streiktyp wird eingesetzt, um nach gescheiterten Tarifverhandlungen Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und tarifvertragliche Forderungen durchzusetzen. Er kann als Vollstreik (alle Betriebe eines Wirtschaftszweiges werden bestreikt) oder Teilstreik (nur bestimmte Abteilungen oder Schlüsselbetriebe) durchgeführt werden. Ein Erzwingungsstreik folgt oft einer Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder und wird von den zuständigen Organen der Gewerkschaft beschlossen. Rechtsgrundlage hierfür ist die Koalitionsfreiheit gemäß Absatz 9 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG).
  • Warnstreik: Ein Warnstreik ist eine kurzfristige und zeitlich begrenzte Arbeitsniederlegung, die in engem Zusammenhang mit laufenden Tarifverhandlungen steht. Ziel ist es, den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen, ohne in einen längeren Erzwingungsstreik zu treten. Warnstreiks erfordern keine Urabstimmung und sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zulässig, sofern sie verhältnismäßig sind (BAG, Urteil vom 21. Juni 1988 – 1 AZR 651/86).
  • Unterstützungsstreik (Solidaritätsstreik): Diese Streikform dient der Unterstützung von Arbeitnehmern, die sich bereits im Hauptarbeitskampf befinden. Der Unterstützungsstreik zeigt Solidarität und verstärkt den Druck auf die Arbeitgeberseite. Auch diese Form des Streiks ist durch Art. 9 Absatz 3 GG geschützt, solange sie verhältnismäßig ist und rechtmäßig durchgeführt wird (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06).

 

2. Maßnahmen der Arbeitgeber

  • Aussperrung: Dies ist das Pendant zum Streik auf Arbeitgeberseite. Dabei werden Arbeitnehmer von der Arbeit ausgeschlossen, mit dem Ziel, den wirtschaftlichen Druck auf die Streikenden zu erhöhen und sie zur Aufgabe ihrer Forderungen zu bewegen. Eine Aussperrung muss verhältnismäßig sein, d.h., sie darf einen begrenzten Streik nicht mit einer Totalaussperrung beantworten. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG und in der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85).
  • Kalte Aussperrung: Arbeitgeber können Arbeitnehmer zeitweilig entlassen, wenn ausbleibende Zulieferungen aus bestreikten Unternehmen die Produktion stilllegen. Diese Maßnahme trifft Arbeitnehmer indirekt, wenn sie zwar nicht direkt streiken, aber aufgrund des Streiks in anderen Unternehmen nicht beschäftigt werden können. Unter bestimmten Bedingungen haben diese Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld gemäß § 160 SGB III.
  • Streikbruchprämien: Arbeitgeber können Prämien an Arbeitnehmer zahlen, die trotz eines Streiks weiterarbeiten. Diese Prämien sollen Anreize schaffen, um die Streikfront zu durchbrechen und die Produktion aufrechtzuerhalten. Streikbruchprämien sind rechtlich zulässig, solange sie nicht gegen Treu und Glauben verstoßen (§ 242 BGB).

 

3. Erweiterte Arbeitskampfmaßnahmen

  • Blockade und Boykott: Arbeitnehmer können versuchen, nicht bestreikte Betriebe zu blockieren oder zum Boykott aufzurufen, um den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen. Demonstrationen und öffentliche Aktionen sind weitere Mittel, um Aufmerksamkeit auf die eigenen Forderungen zu lenken. Diese Maßnahmen sind grundsätzlich durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützt, müssen jedoch im Einzelfall verhältnismäßig sein.
  • Flashmob-Aktionen: Diese streikbegleitenden Maßnahmen beinhalten spontane und kurzfristig organisierte Aktionen, die betriebliche Abläufe stören sollen. Beispiele sind das plötzliche Befüllen und Stehenlassen von Einkaufswagen in einem Supermarkt oder der Kauf von geringwertigen Waren. Das Bundesarbeitsgericht hat solche Maßnahmen als zulässig angesehen, sofern sie verhältnismäßig und im Rahmen der Koalitionsfreiheit erfolgen (BAG, Urteil vom 22. September 2009 – 1 AZR 972/08).

 

III. Arbeitskampf Ablauf und Spielregeln für den Arbeitskampf

Ein Arbeitskampf, insbesondere in Form eines Streiks, folgt einem strukturierten und planmäßigen Ablauf und stellt ein wesentliches Instrument der Gewerkschaften zur Durchsetzung tarifvertraglicher Forderungen dar.

 

1. Initiierung und Planung des Streiks

Ein Streik beginnt in der Regel mit dem Scheitern von Tarifverhandlungen zwischen den Tarifparteien (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften). Nach dem Scheitern der Verhandlungen sind folgende Schritte für einen rechtmäßigen Streik notwendig:

  • Friedenspflicht: Während der Laufzeit eines Tarifvertrags besteht eine Friedenspflicht, die es den Tarifparteien untersagt, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. Diese Pflicht endet mit dem Ablauf des Tarifvertrags oder dem Scheitern von Tarifverhandlungen (BAG, Urteil vom 21. Juni 1988 – 1 AZR 651/86).
  • Ultima Ratio-Prinzip: Ein Streik darf nur als letztes Mittel (ultima ratio) durchgeführt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Verständigung ausgeschöpft sind. Dies bedeutet, dass vorhergehende Verhandlungen, Schlichtungsverfahren oder andere Maßnahmen ohne Erfolg geblieben sein müssen (BAG, Urteil vom 21. April 1971 – GS 1/68).

 

2. Ablauf eines Streiks

  • Beschluss der Gewerkschaft: Der Streik muss von den zuständigen Organen der Gewerkschaft ordnungsgemäß beschlossen werden. Dies erfolgt meist durch den Vorstand oder ein anderes befugtes Gremium innerhalb der Gewerkschaft.
  • Urabstimmung: Vor der Durchführung eines unbefristeten Erzwingungsstreiks ist in vielen Gewerkschaften eine Urabstimmung der Mitglieder erforderlich. Hierbei müssen in der Regel eine bestimmte Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder für den Streik stimmen.
  • Streikaufruf: Nach erfolgreicher Urabstimmung und dem offiziellen Beschluss der Gewerkschaft wird der Streik ausgerufen. Dies erfolgt durch öffentliche Ankündigungen, Pressemitteilungen und direkte Kommunikation mit den Mitgliedern und betroffenen Arbeitnehmern.
  • Durchführung des Streiks: Mit dem Streikaufruf beginnen die Arbeitnehmer planmäßig und gemeinschaftlich ihre Arbeit niederzulegen. Während des Streiks ruhen die beiderseitigen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, d.h., die Arbeitnehmer sind nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet und der Arbeitgeber schuldet keinen Lohn (BAG, Urteil vom 17. Juli 2012 – 1 AZR 563/11).
  • Streikleitung und Streikposten: Die Gewerkschaft organisiert Streikposten und die Streikleitung, um den Streik zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Streikenden informiert und unterstützt werden. Streikposten sollen zudem den Zutritt zu bestreikten Betrieben überwachen und über den Streik informieren.

 

3. Rechtsgrundlagen und Bedingungen

  • Rechtmäßigkeit: Ein Streik ist nur rechtmäßig, wenn er von einer Gewerkschaft organisiert und durchgeführt wird. Wilde Streiks, die ohne Gewerkschaftsbeteiligung stattfinden, sind rechtswidrig und können zu Schadensersatzforderungen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen (BAG, Urteil vom 5. März 1985 – 1 AZR 468/83).
  • Zulässigkeitskriterien: Ein Streik muss bestimmte rechtliche Kriterien erfüllen, um als zulässig zu gelten. Er muss sich gegen einen Tarifpartner richten und darf nur zur Durchsetzung tariflicher Regelungen eingesetzt werden. Politische Streiks, die sich an staatliche Organe wenden, sind unzulässig (BAG, Urteil vom 5. März 1985 – 1 AZR 468/83).
  • Friedenspflichtverletzung: Ein Streik, der gegen die Friedenspflicht verstößt, ist rechtswidrig. Die Friedenspflicht ist die vertragliche Pflicht der Tarifvertragsparteien, während der Laufzeit eines Tarifvertrags auf Kampfmaßnahmen zu verzichten. Verstöße gegen die Friedenspflicht können Schadensersatzansprüche auslösen (§ 280 Absatz 1 BGB).

 

4. Beendigung des Streiks

  • Verhandlungen und Einigung: Ein Streik endet in der Regel, wenn sich die Tarifparteien auf einen neuen Tarifvertrag einigen. Die Verhandlungen können direkt zwischen den Parteien oder unter Vermittlung eines Schlichters stattfinden.
  • Streikabbruch: Die Gewerkschaft kann den Streik auch abbrechen, wenn sie dies für strategisch sinnvoll hält oder wenn eine Einigung in greifbare Nähe rückt.
  • Rückkehr zur Arbeit: Nach dem Ende des Streiks kehren die Arbeitnehmer an ihre Arbeitsplätze zurück. Die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag leben wieder auf, und die Arbeitgeber sind zur Zahlung des vereinbarten Lohns verpflichtet.

 

IV. Neutralität des Staates und der Bundesagentur für Arbeit

Der Staat muss im Arbeitskampf neutral bleiben und darf keine finanzielle Unterstützung, wie Arbeitslosengeld, an Streikende oder ausgesperrte Arbeitnehmer leisten.

 

1. Grundsatz der staatlichen Neutralität

Der Staat ist verpflichtet, sich in Arbeitskämpfe nicht einzumischen und weder die eine noch die andere Seite zu unterstützen. Diese Neutralität basiert auf der Idee der Tarifautonomie, die den Tarifparteien – Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden – das Recht zusichert, ihre Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eigenständig zu regeln. Jegliche staatliche Einflussnahme würde dieses Prinzip untergraben und die Chancengleichheit der Tarifparteien beeinträchtigen.

 

2. Neutralität der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) muss im Arbeitskampf ebenfalls neutral bleiben. Dies bedeutet, dass die BA während eines Arbeitskampfes keine finanziellen Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld an streikende oder ausgesperrte Arbeitnehmer zahlen darf.

  • § 160 SGB III: Hier wird festgelegt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn die Arbeitslosigkeit auf einem Arbeitskampf beruht.

 

    V. Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Arbeitskampf

    Auch während eines Arbeitskampfs bleibt das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich anwendbar. Der Betriebsrat muss jedoch neutral bleiben und darf nicht in das Kampfgeschehen eingreifen. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats werden eingeschränkt, soweit sie die Kampffähigkeit einer Tarifvertragspartei beeinträchtigen könnten.

     

    VI. Streikgeld und finanzielle Unterstützung im Arbeitskampf

    Während eines Streiks erhalten Gewerkschaftsmitglieder finanzielle Unterstützung in Form von Streikgeld, das aus den Streikkassen der Gewerkschaften bereitgestellt wird. Diese Zahlungen dienen dazu, den Verdienstausfall der streikenden Arbeitnehmer zumindest teilweise auszugleichen, da während eines Streiks der Anspruch auf regulären Arbeitslohn ausgesetzt ist. Die Höhe des Streikgeldes variiert je nach Gewerkschaft und kann abhängig von der Dauer und Intensität des Streiks angepasst werden.

    Das Streikgeld ermöglicht den Arbeitnehmern, trotz des finanziellen Drucks, den ein Streik verursacht, an den Arbeitskampfmaßnahmen teilzunehmen und ihre Forderungen zu unterstützen.  Für die Gewerkschaften selbst stellt die Verwaltung und Bereitstellung von Streikgeldern eine bedeutende organisatorische Aufgabe dar, die sorgfältige Planung und finanzielle Ressourcen erfordert. Die Existenz von Streikkassen und die Höhe des Streikgeldes können auch ein Signal an die Arbeitgeber senden, dass die Gewerkschaft gut vorbereitet ist und einen langen Arbeitskampf durchstehen kann.

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