Sie gehört zu den Gestaltungsklagen, deren Erfolg dazu führt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rückwirkend aufgehoben wird. Im Folgenden wird ein umfassendes Schema für die Anfechtungsklage dargestellt, das sich in die zwei großen Prüfungskomplexe „Zulässigkeit“ und „Begründetheit“ gliedert.
A. Zulässigkeit der Anfechtungsklage
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ist der erste Prüfungspunkt und entscheidend dafür, ob das Gericht inhaltlich über die Klage entscheidet. Sie umfasst verschiedene Voraussetzungen, die sicherstellen, dass die Klage prozessual korrekt erhoben wurde und inhaltlich geprüft werden kann. Dies setzt voraus, dass die notwendigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind.
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Absatz 1 VwGO)
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist eine zentrale Voraussetzung der Zulässigkeit. Gemäß § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg dann eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art handelt und keine abdrängende Sonderzuweisung vorliegt. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Maßgeblich ist hier die modifizierte Subjektstheorie, wonach eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit besteht, wenn die Normen einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.
- Tipp: Die Abgrenzung von privatrechtlichen zu öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten erfolgt über Theorien wie die Interessen-, Subordinations- und modifizierte Subjektstheorie. Besonders relevant wird diese Prüfung bei gemischten Rechtsverhältnissen, z.B. bei Handlungen im Polizei- und Ordnungsrecht. Hierbei kann es notwendig sein, zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen zu differenzieren, um die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu klären.
Eine abdrängende Sonderzuweisung liegt vor, wenn der Gesetzgeber eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit explizit einem anderen Gerichtszweig, wie z.B. den Finanz- oder Sozialgerichten, zugewiesen hat.
II. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (§ 42 Absatz Var. 1 VwGO)
Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage bestimmt sich nach dem klägerischen Begehren. Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsaktes anstrebt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 35 Satz 1 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme einer Behörde, die zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird und eine unmittelbare Außenwirkung entfaltet.
- Prüfungspunkt: Ein Verwaltungsakt muss eine konkrete Regelung eines Einzelfalls beinhalten und nach außen gerichtet sein, d.h., er muss Rechte und Pflichten des Betroffenen unmittelbar verändern. Typische Beispiele sind Baugenehmigungen, Abrissverfügungen oder Gebührenbescheide. Abzugrenzen sind Verwaltungsakte von Realakten, die keine Verwaltungsakte darstellen.
Besonders wichtig ist hierbei, ob der Verwaltungsakt belastend ist. Nur in diesem Fall kommt eine Anfechtungsklage in Betracht.
III. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
Nach der Möglichkeitstheorie ist klagebefugt, wer möglicherweise in seinen eigenen Rechten verletzt ist. Dies bedeutet, dass der Kläger geltend machen muss, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt zu sein. Diese Möglichkeit besteht, jedenfalls im Polizeirecht, insbesondere dann, wenn der Kläger Adressat des Verwaltungsaktes ist (Adressatentheorie). Schwieriger gestaltet sich die Prüfung, wenn ein Dritter den Verwaltungsakt anficht, der nicht Adressat ist. Hier muss der Kläger darlegen, dass der Verwaltungsakt gegen eine Schutznorm verstößt, die auch seinen Interessen dient. Ein Beispiel hierfür ist der Nachbar, der eine Baugenehmigung anficht, weil Abstandsflächen missachtet wurden.
- Wichtig: Die Möglichkeit der Verletzung muss nicht sicher feststehen, sie darf lediglich nicht von vornherein ausgeschlossen sein.
IV. Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO)
Vor der Erhebung einer Anfechtungsklage ist grundsätzlich ein Vorverfahren erforderlich, in dessen Rahmen die Behörde die Recht- und Zweckmäßigkeit ihres eigenen Handelns nochmals überprüfen kann. Das Vorverfahren, meist in Form eines Widerspruchsverfahrens, ist in §§ 68 ff. VwGO geregelt.
- Prüfungspunkt: Ein Widerspruchsverfahren ist durchzuführen, wenn keine Ausnahme nach § 68 Absatz 1 Satz 2 VwGO besteht. In einigen Bundesländern, z.B. Bayern, wurde das Vorverfahren durch Ausführungsgesetze zur VwGO abgeschafft oder stark eingeschränkt. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Wenn das Vorverfahren erforderlich ist, muss es korrekt durchgeführt werden und innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes abgeschlossen sein.
V. Klagefrist (§ 74 I VwGO)
Die Anfechtungsklage muss fristgerecht erhoben werden. Die Klagefrist beträgt gemäß § 74 Absatz 1 VwGO grundsätzlich einen Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides. Falls kein Widerspruchsverfahren erforderlich ist, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Wird keine oder eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, verlängert sich die Frist auf ein Jahr gemäß § 58 II VwGO.
- Hinweis: Die Klagefrist ist zwingend zu beachten. Bei Versäumnis der Klagefrist kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) beantragt werden, wenn der Kläger die Frist schuldlos versäumt hat. Gründe hierfür könnten z.B. unverschuldete Krankheit oder verspätete Zustellung des Bescheids sein. Die Wiedereinsetzung muss unverzüglich beantragt werden, sobald der Hinderungsgrund wegfällt.
VI. Beklagter und Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
Der richtige Beklagte in der Anfechtungsklage ergibt sich aus dem Rechtsträgerprinzip (§ 78 Absatz 1 Nr. 1 VwGO). Beklagter ist der Rechtsträger der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Das bedeutet, dass Klagen gegen Verwaltungsakte nicht direkt gegen die Behörde, sondern gegen den Rechtsträger (z.B. Bund, Länder, Gemeinden) erhoben werden müssen.
- Praxisrelevanz: Der Kläger muss darauf achten, die Klage gegen den richtigen Rechtsträger zu richten. Falsch adressierte Klagen können zu unnötigen Verzögerungen oder gar zur Abweisung der Klage führen. In einigen Fällen regelt Landesrecht, dass auch die Behörde selbst verklagt werden kann (siehe § 78 Absatz 1 Nr. 2 VwGO). Dies ist jedoch die Ausnahme.
VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)
Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit sind notwendige Voraussetzungen für jede Prozessführung. Nach § 61 VwGO sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Vereinigungen beteiligtenfähig, das heißt, sie können als Partei an einem Verwaltungsgerichtsverfahren teilnehmen. Prozessfähig ist gemäß § 62 VwGO, wer sich vor Gericht selbst vertreten oder einen Bevollmächtigten bestellen kann. Minderjährige und Geschäftsunfähige benötigen einen gesetzlichen Vertreter.
- Prüfungspunkt: Die Prozessfähigkeit ist in der Praxis meist unproblematisch. Probleme können auftreten, wenn z.B. bei juristischen Personen wie Vereinen oder Gesellschaften nicht klar ist, wer vertretungsberechtigt ist.
- Wichtig: Achten Sie darauf, die genauen Varianten in der Prüfung zu zitieren!
VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis verlangt, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Überprüfung des Verwaltungsaktes hat. Es fehlt, wenn der Kläger sein Ziel auf einfachere Weise erreichen könnte oder wenn das Gericht überflüssig in Anspruch genommen wird, etwa wenn der Verwaltungsakt bereits aufgehoben wurde oder sich erledigt hat.
- Beispiel: Das Rechtsschutzbedürfnis könnte entfallen, wenn der Kläger denselben Erfolg bereits durch einen formlosen Antrag bei der Behörde erzielen könnte, ohne ein Gerichtsverfahren anzustrengen. Ebenso ist kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, wenn der Kläger aus rein schikanösen Gründen Klage erhebt, etwa um die Behörde zu belasten.
B. Begründetheit der Anfechtungsklage
Ist die Anfechtungsklage zulässig, ist im nächsten Schritt ihre Begründetheit zu prüfen. Gemäß § 113 Absatz 1 VwGO ist die Anfechtungsklage begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird.
Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er entweder formelle oder materielle Mängel aufweist.
I. Ermächtigungsgrundlage
Zunächst muss für den Verwaltungsakt eine Rechtsgrundlage bestehen. Dies ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG), wonach jede belastende hoheitliche Maßnahme einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Ermächtigungsgrundlage kann spezialgesetzlicher oder allgemeiner Natur sein.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die formelle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes umfasst:
- Zuständigkeit: Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlässt, muss sachlich und örtlich zuständig sein.
- Verfahren: Die einschlägigen Verfahrensvorschriften, insbesondere Anhörungspflichten nach § 28 VwVfG, müssen eingehalten worden sein.
- Form: Der Verwaltungsakt muss die formalen Anforderungen, etwa an die Begründung gemäß § 39 VwVfG, erfüllen.
III. Materielle Rechtmäßigkeit
Ein Verwaltungsakt ist materiell rechtmäßig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind und die Behörde fehlerfrei über die Rechtsfolgen entschieden hat.
- Subsumtion der Rechtsgrundlage: Der Sachverhalt muss korrekt unter die Tatbestandsmerkmale der Rechtsnorm subsumiert werden.
- Rechtsfolgenentscheidung: Wenn die Norm der Behörde Ermessen einräumt, ist zu prüfen, ob dieses pflichtgemäß ausgeübt wurde (§ 114 VwGO). Fehler wie Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensmissbrauch führen zur Rechtswidrigkeit.
C. Ergebnis
Zusammengefasst ist die Anfechtungsklage erfolgreich, wenn sie zulässig und begründet ist. Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Die Prüfung endet mit dem Ergebnis, ob die Anfechtungsklage Erfolg hat oder nicht.