Notar in Hamburg: Interview mit Dr. Oke Johannsen

Dr. Oke Johannsen ist Notar in der Mönckebergstraße – mitten im Herzen Hamburgs, wo sich historische Architektur und modernes Wirtschaftsleben begegnen. Von seinem Büro aus hat er den Puls der Hansestadt stets im Blick: die Nähe zu Gerichten, Kanzleien und Unternehmen prägt seinen Berufsalltag ebenso wie die Vielfalt der Menschen, die hier zusammenkommen.

Im Gespräch mit unserer Redaktion gibt er Einblicke in seine persönliche Verbindung zu Hamburg, seinen Weg ins Notariat und die besonderen Herausforderungen, die dieser Beruf mit sich bringt. Er spricht über die Bandbreite der Anliegen, die ihn täglich erreichen – von komplexen Immobilientransaktionen über gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen bis hin zu sehr persönlichen Angelegenheiten wie dem Ehevertrag oder Testamenten. Dabei wird deutlich, wie sehr sich juristische Präzision, menschliches Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich zu vermitteln, in der Arbeit eines Notars verbinden.

Hamburg

„Insgesamt geht es darum, rechtliche Anliegen im Austausch mit den Mandanten richtig und interessengerecht zu erfassen, …

Dr. Oke Johannsen

Dr. Oke Johannsen (Jg. 1988) ist seit 2021 Notar in Hamburg.

Er studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg, absolvierte dort, in Speyer und Berlin sein Referendariat und promovierte zu einem strafrechtlichen Thema.

2018 wurde er zum Notarassessor in Hamburg ernannt und war bis 2019 als Referent am Deutschen Notarinstitut für Immobilien- und Gesellschaftsrecht tätig.

Er ist Mitglied der Hamburgischen Notarkammer, verheiratet und beurkundet in Deutsch und Englisch.

Notar in Hamburg: Dr. Oke Johannsen
  • Herr Dr. Oke Johannsen, Sie leben und arbeiten in Hamburg. Welche Bedeutung hat die Stadt für Sie – beruflich wie privat?

Ich bin zwar nicht in Hamburg geboren, habe aber die letzten 10 Jahre hier verbracht, meine Ehefrau kennen gelernt und geheiratet, den Berufseinstieg und den Eintritt in meine Sozietät hier erlebt. Die Stadt ist deshalb für mich zur Heimat geworden. Beruflich schätze ich die Ballung vieler Ansprechpartner (Unternehmen, Kanzleien, Mandanten) auf engem Raum – dass mein Arbeitsalltag durch längere Fahrten unterbrochen wird, ist so die absolute Ausnahme.

  • Wie kam es dazu, dass Sie Notar geworden sind? Gab es einen Schlüsselmoment oder war das immer Ihr Ziel?

Weder noch. Ein guter Freund wies mich auf die Stellenanzeige der Justizbehörde hin. Das klang interessant und ich habe es dann einfach mal versucht. Vorher hatte ich das Berufsbild ehrlicherweise nicht „auf dem Schirm“.

  • Was sind typische Anliegen, mit denen Mandantinnen und Mandanten in Ihre Kanzlei kommen? Welche Rolle spielt dabei das Thema Immobilien in Hamburg – z. B. Kaufverträge, Grundschulden oder Erbbaurechte?

Fachlich betreuen wir Anliegen aus allen Bereichen, in denen der Gesetzgeber die Beteiligung eines Notars vorgeschrieben hat. Faktisch liegt unser Schwerpunkt aber in der Tat auf dem Immobilien- und Gesellschaftsrecht. In der Regel geht es bei uns also um Kaufverträge über Immobilien (Grundstücke, Wohnungseigentum, Erbbaurechte), Grundschuldbestellungen zu deren Finanzierung und um Gesellschaftsgründungen, Kaufverträge über Gesellschaftsanteile, Kapitalmaßnahmen von Gesellschaften (bspw. im Wege von Finanzierungsrunden) sowie Umwandlungsmaßnahmen wie z.B. Verschmelzungen oder Ausgliederungen (meist zwecks konzerninterner Restrukturierung).

  • Viele denken bei einem Notar vor allem an „Beurkunden“. Wie würden Sie den Beruf einem Laien beschreiben?

Das Verlesen der notariellen Urkunde ist sicher der Teil meiner Arbeit, der dem Laien sofort ins Auge springt – dies schon deshalb, weil er dabei mit am Tisch sitzt. Der Beruf umfasst aber natürlich viel mehr. Insgesamt geht es darum, rechtliche Anliegen im Austausch mit den Mandanten richtig und interessengerecht zu erfassen, bei gegenläufigen Interessen einen fairen Ausgleich zu finden und Rechtssicherheit dadurch zu schaffen, dass all das in die Form einer notariellen Urkunde gegossen wird – die am Ende dann vorgelesen wird.

  • Wie stellen Sie sicher, dass auch juristisch unerfahrene Mandanten den Vorgang verstehen?

Das ist eine der großen Herausforderungen meines Berufes. Ich versuche, dem gerecht zu werden, indem ich den Erfahrungsstand abklopfe: Dem Vorstand einer Aktiengesellschaft muss ich Sachen entweder gar nicht oder zumindest anders erklären als dem jungen Gründer, der zum ersten Mal bei einem Notar sitzt. Dann geht es darum, gewissermaßen als Dolmetscher zwischen der formalisierten Gesetzessprache und dem Alltagsdeutsch zu wirken: Was bedeutet das Wort „Vormerkung“, wieso werden Geschäftsanteile „aufschiebend bedingt auf Kaufpreiszahlung“ abgetreten, usw. usf. Ich betone außerdem in jeder Beurkundung, dass mich die Mandanten jederzeit im Redefluss unterbrechen können (und dies auch sollen), wenn etwas nicht verstanden wurde. Ich verstehe es als meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mandanten das Beurkundungszimmer am Ende nicht mit offenen Fragezeichen im Kopf verlassen.

  • Gibt es notarielle Besonderheiten, die für Hamburg typisch sind – etwa durch den engen Wohnungsmarkt oder die vielen Unternehmensgründungen?

Damit sprechen Sie schon die wesentlichen Punkte an. Aufgrund der urbanen Verdichtung der Wohnverhältnisse werden in Hamburg häufiger Wohnungseigentumseinheiten als „ganze“ Grundstücke verkauft – wobei auch dies natürlich vorkommt. Gründungen von Gesellschaften (in der Regel UGs und GmbHs, seltener Aktiengesellschaften oder SEs, bei anderen Gesellschaften besteht keine Beurkundungspflicht) haben wir auch viele, hier hat sich der 2023/2024 vernommene negative Trend nach meiner Wahrnehmung wieder umgekehrt.

  • Welche Entwicklungen in der Stadt wirken sich besonders auf Ihre notarielle Arbeit aus?

Wenn es der Wirtschaft und den Menschen gut geht, finden Transaktionen und Gründungen statt – insoweit machen sich wirtschaftliche Entwicklungen generell bei uns im Büro bemerkbar. Eine spezifisch hamburgische Entwicklung war daneben jüngst der Erlass einer „Umwandlungsverordnung“, die die Aufteilung von Bestandsgebäuden in Wohnungseigentum in vielen Fällen unmöglich gemacht hat. Seitdem ist das „Aufteilungsgeschäft“ – der Ankauf von Bestandsgebäuden, deren Sanierung, Aufteilung in WEG und anschließender Weiterverkauf – annähernd zum Erliegen gekommen.

  • Die Neutralität eines Notars ist gesetzlich verankert. Wie erleben Sie diesen Anspruch in der Praxis?

Wenn die Frage dahin geht, wie ich diesen Anspruch umsetze, dann kann ich darauf nur sehr simpel antworten: Indem ich mich neutral verhalte. Es ist insbesondere nicht meine Aufgabe, eine Partei in einer Streitsituation einseitig zu beraten. Dieses Ansinnen wird mir immer wieder einmal angetragen – ich muss es dann auch immer wieder zurück- und auf einen Rechtsanwalt verweisen.

  • Wie gehen Sie mit Fällen um, in denen Mandanten sehr unterschiedliche Vorstellungen haben, z. B. bei Eheverträgen oder Erbangelegenheiten?

In solchen Fällen führe ich in aller Regel erst einmal ein Beratungsgespräch durch, um die evtl. gegenläufigen Interessen herauszuarbeiten. Stellt sich dann heraus, dass tatsächlich unterschiedliche Vorstellungen darüber bestehen, was wie geregelt werden soll, lege ich dar, welche Gestaltungsmöglichkeiten ich im Köcher habe. Die Einigung zwischen den Parteien selbst kann ich aber weder herbeiführen noch ist das meine Aufgabe.

  • Die notarielle Arbeit gilt als besonders formgebunden – wie sehr verändert die Digitalisierung bereits Ihre tägliche Arbeit?

Schon aus Kosten- und Effizienzgründen versuchen wir, unsere Abläufe soweit als möglich zu digitalisieren, Stichwort „Digitale Akte“. An einigen Punkte ist das aber (noch) nicht möglich: Etliche Behörden kommunizieren immer noch ausschließlich per Brief und auch unsere Urkunden müssen wir zwingend als papierne Urschrift errichten – wobei sich dies demnächst ändern soll, eine entsprechende Gesetzesvorlage ist auf den Weg gebracht.

  • Welche Entwicklungen erwarten Sie für das Notariat in den nächsten Jahren?

Ich erwarte vor allem, dass meinen Mitarbeitern und mir abseits des direkten Mandantenkontaktes zunehmend Arbeit durch KI abgenommen wird.

  • Gibt es ein Erlebnis oder einen Moment aus Ihrer Berufslaufbahn, an den Sie besonders gern zurückdenken?

Eine meiner ersten Beurkundungen fand auswärts im Pflegeheimzimmer einer alten Dame statt. Sie war während der Beurkundung sehr aufgeregt, was ich zunächst nicht verstand, da die Angelegenheit klar war. Es ging um ein inhaltlich einfach gestricktes Testament, mit dem eine Person zum Alleinerben eingesetzt wurde. Die Erklärung gab es hinterher: Sie habe befürchtet, ich käme womöglich nicht mehr rechtzeitig. Wenige Tage später ist sie tatsächlich gestorben. Mir hat das vor Augen geführt, welche Bedeutung mein Beruf hat und welches Privileg es ist, ihn ausüben zu dürfen.

  • Vielen Dank für das Gespräch.
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