Nius ist ein Online-Nachrichtenportal, das in jüngster Zeit zunehmend für Schlagzeilen sorgt. Geleitet von Julian Reichelt, dem ehemaligen Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, hat das Nachrichtenportal durch seine provokative Berichterstattung und scharfe Kritik an politischen und gesellschaftlichen Themen rasant eine polarisierende Wirkung erzielt. Was das Portal besonders brisant macht, ist die finanzielle Unterstützung durch den Milliardär Frank Gotthardt sowie die Beteiligung ehemaliger “Bild”-Redakteure. Dieser Beitrag nimmt sich daher zum Anlass, die verschiedenen Facetten von Nius zu betrachten: Was steckt hinter diesem polarisierenden Medienphänomen, wer finanziert es und welche Auswirkungen hat es auf die deutsche Medienlandschaft?
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I. Was ist Nius?
“Nius” ist ein Online-Nachrichtenportal, das im Jahr 2023 gegründet wurde und sich seitdem als prominenter Akteur im Medienspektrum etabliert hat. Die Entstehung von Nius ist eng mit der Person Julian Reichelt verbunden, der zuvor als Chefredakteur der “Bild”-Zeitung tätig war. Reichelt musste 2021 seinen Posten bei der “Bild” verlassen, nachdem Vorwürfe des Machtmissbrauchs und unangemessenen Verhaltens gegenüber Mitarbeiterinnen laut wurden. Diese Vorwürfe führten zu seiner Entlassung, und Julian Reichelt suchte nach in der Konsequenz neuen Wegen, um weiterhin im Mediengeschäft aktiv zu bleiben.
Im digitalen Medienportal Nius fand Reichelt eine neue Plattform, die ihm die Möglichkeit bot, seine journalistischen und politischen Visionen weiterzuverfolgen. Seither fungiert Reichelt bei Nius als geschäftsführender Direktor der hinter dem Portal stehenden Vius Management SE & Co. KGaA und wird im Impressum als “Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes (V.i.S.d.P.)” genannt. Aufgrund der Popularität von Julian Reichelt hat sich Nius unter seiner Leitung rasch einen Ruf für provokative und oft polarisierende Berichterstattung erarbeitet. Die Themenwahl des Portals umfasst eine breite Palette von gesellschaftlichen und politischen Themen, wobei ein starker Fokus auf Kritik an den Grünen und der Ampel-Koalition liegt. Diese Kritik wird häufig in scharfen und zugespitzten Formulierungen geäußert, die darauf abzielen, Aufmerksamkeit zu erregen und Debatten zu entfachen.
Hierbei ist die Nutzung von Schlagzeilen und Artikel, die stark polarisieren und emotionalisieren, ein zentrales Merkmal von Nius. Jenes Medienportal ist gleichwohl kein Einzelfall: Die polarisierende Herangehensweise spiegelt sich ebenfalls in anderen Formaten wider. Eines der prominentesten Formate ist “Achtung, Reichelt!”, ein YouTube-Format, in dem Julian Reichelt seine Sichtweisen und Kommentare zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen präsentiert.
Nius sieht sich selbst als “die Stimme der Mehrheit” und behauptet, unabhängigen, unbestechlichen und unbeugsamen Journalismus zu liefern. Diese Selbstwahrnehmung steht jedoch im Gegensatz zu der Kritik, die von verschiedenen Seiten geäußert wird. Kritiker werfen Nius vor, weniger Journalismus zu betreiben und stattdessen Wut und Spaltung zu fördern. Stefan Niggemeier von “Übermedien” beschreibt Nius als “rechtes Wutportal” und betont, dass das Portal eher darauf abzielt, Emotionen zu schüren, als objektiv zu berichten.
II. Wer finanziert Nius?
Das Nachrichtenportal Nius wurde maßgeblich durch den Unternehmer Frank Gotthardt finanziert, der als Gründer der Compugroup Medical SE & Co KGaA und erfolgreicher Informatiker einen herausragenden Ruf genießt. Gotthardt begründete seine Entscheidung, Nius zu unterstützen, mit staatsbürgerlicher Verantwortung. Er betrachtete die deutsche Medienlandschaft als stark linksorientiert und hielt eine konservative Ergänzung für notwendig. Dabei machte Gotthardt deutlich, dass Nius gerade nicht in der politischen Mitte stehe.
Der Erfolg lässt sich nicht leugnen: Dank der Finanzspritze von Gotthardt konnte Nius schnell wachsen und sich im deutschen Medienmarkt etablieren. In einem Podcast erklärte Gotthardt, dass es nur wenige Menschen gäbe, die eine gute Einordnung in ein Gefüge hätten, sich verlässlich zeigen würden und gleichzeitig enorme Motivation, Energieüberschuss und Charisma besäßen. Diese Eigenschaften schrieb er Julian Reichelt zu und entschied sich deshalb, Reichelt bei der Etablierung von Nius mit dem notwendigen Kapital zu unterstützen.
Neben der finanziellen Unterstützung von Gotthardt spielt auch die journalistische Besetzung eine wichtige Rolle. Mit ehemaligen “Bild”-Redakteuren wie Ralf Schuler und Judith Sevinç Basad hat Nius erfahrene Journalisten an Bord, die das Profil des Portals weiter schärfen.
III. Erfolg für Nius: Kammergericht weist Antrag der Antidiskriminierungsstelle Berlin ab
1. Ferda Ataman unterliegt vor Gericht gegen Nius
Jüngst stand Nius in einem Rechtsstreit vor dem Kammergericht Berlin. Ausgangspunkt war die Berichterstattung über den Fall einer trans* Frau, die von einem Frauen-Fitnessstudio abgelehnt wurde. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), unter der Leitung von Ferda Ataman, schlug eine Entschädigung von 1.000 Euro vor, um die Diskriminierung auszugleichen. Diese Maßnahme wurde von Nius scharf kritisiert und führte zu reißerischen Überschriften wie “Regierung will 1000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, weil es einen Mann nicht in Dusche lassen will”. Diese Berichterstattung sorgte für erhebliche Empörung und führte letztlich zu einem Rechtsstreit.
Das Kammergericht Berlin (Beschl. v. 15.07.2024 – 10 W 56/24) entschied zugunsten von Nius. Es erkannte die Überschriften als polemische Zuspitzungen an, die im Kontext der Meinungsfreiheit jedoch zulässig seien. Die ADS konnte ihren Antrag auf Unterlassung nicht durchsetzen, da die Äußerungen im weiteren Kontext als rechtmäßige Meinungsäußerungen betrachtet wurden.
Die ADS hatte zuvor schon vor dem Landgericht (LG) Berlin eine Niederlage erlitten (Beschl. v. 18.06.2024 – 27 O 157/24). Auch die sofortige Beschwerde beim Kammergericht blieb erfolglos.
2. Hintergrund der Nius-Artikel
Der Streit begann, als eine Inhaberin eines Frauen-Fitnessstudios in Erlangen es ablehnte, eine trans* Frau mit männlichen Geschlechtsmerkmalen dort trainieren zu lassen. Die ADS sah hierin eine Diskriminierung und schlug eine Entschädigung von 1.000 Euro vor. Nius berichtete über diesen Fall und formulierte dabei Überschriften, die von der ADS als irreführend und skandalisierend eingestuft wurden.
Spezifischer betrachtet waren es drei Aussagen, deren Unterlassung die ADS vor Gericht beantragte:
- “Regierung will 1000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, weil es einen Mann nicht in Dusche lassen will” Die ADS argumentierte, dass sie nicht Teil der “Regierung” sei und kein “Bußgeld” im juristischen Sinne gefordert habe. Das LG Berlin wies darauf hin, dass die ADS dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingegliedert sei. Das Kammergericht befand, dass die Verwendung des Begriffs “Bußgeld” im Artikel ausreiche, um den Kontext als “Entschädigung” klarzustellen. Die Meinungsfreiheit erlaube es Medien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Rechtsbegriffe auch laienhaft zu verwenden, solange die Fakten im Kontext deutlich werden.
- “Der Trans-Wahnsinn geht schon los: Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen” Laut ADS sollten nicht die Frauen die Strafe zahlen, sondern das Fitnessstudio. Das LG Berlin und das Kammergericht entschieden hingegen, dass die skandalisierenden und auf den ersten Blick irreführenden Überschriften isoliert betrachtet rechtlich keine maßgebliche Rolle spielen. Der weitere Kontext mache deutlich, dass die Entschädigung nur der Inhaberin des Fitnessstudios empfohlen wurde.
- “In einem normalen Land müsste die Frauenministerin Lisa Paus […] ihre eigene Mitarbeiterin sogar wegen Kompetenzüberschreitung abmahnen, denn die Antidiskriminierungsbeauftragte ist ihrem Ministerium direkt unterstellt” Die ADS hielt diese Aussage mit Verweis auf ihre Unabhängigkeit für falsch. Das LG Berlin verwies darauf, dass die ADS nach § 26a Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterstellt sei. Das Kammergericht sah hierin eine zulässige Meinungsäußerung.
3. Entscheidungen im Einklang mit dem Bundesverfassungsgericht
Das Landgericht und das Kammergericht Berlin verwiesen in ihren Beschlüssen immer wieder auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom April 2024 in einem ähnlich gelagerten Fall. Damals betonte das Bundesverfassungsgericht die herausragende Bedeutung der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG und der Machtkritik, als es eine Klage der Bundesministerin Svenja Schulze gegen Julian Reichelt abwies. Das Kammergericht und das LG Berlin hoben hervor, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit besonders hoch zu veranschlagen sei, insbesondere wegen des generellen Schutzbedürfnisses der Machtkritik (BVerfG, Beschl. v. 11.04.2024, 1 BvR 2290/23 Tz. 29).
“Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten”, so das Kammergericht mit Verweis auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 11. April 2024 – 1 BvR 2290/23 Tz. 28).
Ferner betonte das Kammergericht, dass ein Ehrenschutz des Staates nur dann geltend gemacht werden kann, wenn die konkrete Äußerung geeignet ist, die juristische Person des öffentlichen Rechts schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung war im Fall der ADS gegen Nius nicht erfüllt.