Die Beeinträchtigung des Flugbetriebes durch die Aktionen der Aktivistengruppe “Letzte Generation” auf deutschen Flughäfen zieht mögliche Schadensersatzklagen durch Lufthansa und den Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) nach sich. Vor solchen möglichen Konsequenzen warnte bereits der Bundesjustizminister, wobei die Frage aufkommt, ob die Aktivisten tatsächlich haften müssen.
Zuletzt haben die Aktivitäten der “Letzten Generation”, besonders die Blockade von Rollfeldern auf dem BER, die zur Streichung von 14 Lufthansa-Flügen führte, für gesellschaftliche Diskussionen gesorgt. In München gelang es den Aktivisten sogar, sich auf ein Rollfeld zu kleben, obwohl dies nicht zu Flugausfällen führte.
Die Hauptdiskussionen in der Rechtsprechung drehten sich bisher um strafrechtliche Verantwortlichkeiten und den Präventivgewahrsam nach Polizeirecht. Dabei scheint die “Letzte Generation” wenig beeindruckt von den strafrechtlichen Maßnahmen.
Das Zivilrecht bringt jedoch das Thema Schadensersatzansprüche auf den Plan. Im Gegensatz zu Geld- oder Freiheitsstrafen können diese erhebliche persönliche Auswirkungen haben. Das Deliktsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bietet im Unterschied zu den “verhältnismäßigen Lösungen” des Öffentlichen Rechts einen rigorosen Ansatz: Wenn ein Delikt gemäß §§ 823 ff. BGB begangen wurde, folgen daraus volle Schadensersatzpflichten gemäß §§ 249 ff. BGB. Dies könnte auch den entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) in Form von Betriebsausfallsschäden beinhalten, was bei einem stillgelegten Flughafen Millionen kosten kann.
Hierbei wird die Strenge des Deliktsrechts noch verstärkt durch die Tatsache, dass Forderungen aufgrund vorsätzlicher unerlaubter Handlungen nicht zur Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) gehören. Wie Buschmann bemerkt, könnten solche Schulden einen Schuldner tatsächlich lebenslang belasten.
Allerdings sollte zunächst überhaupt geklärt werden, ob ein Delikt gemäß §§ 823 ff. BGB begangen wurde, bevor über den Umfang der Haftung diskutiert wird. Dabei könnten Eigentumsverletzungen, Schutzgesetzverletzungen, vorsätzlich sittenwidrige Schädigungen und Störungen im eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb infrage kommen.
Eigentum und berechtigter Besitz gehören zu den Rechtsgütern, die unter Schutz stehen. Eine Verletzung dieser Rechtsgüter kann Schadensersatzverpflichtungen gemäß § 823 I BGB auslösen.
Die Nutzungsfunktion, die dem Inhaber durch das Eigentum gemäß § 903 BGB gewährt wird, kann bei bloßer Beeinträchtigung des Sachgebrauchs nach § 100 BGB typischerweise einen Vermögensschaden hervorrufen. Eine Eigentumsverletzung wird dabei nur unter qualifizierten Voraussetzungen anerkannt, wie der Bundesgerichtshof (BGH) insbesondere prüft, ob der Gebrauch der Sache vollständig unmöglich gemacht wurde und ob eine direkte Einwirkung auf die Sache vorlag.
Seit dem Urteil im Fleet-Fall (Urt. v. 21.12.1970, Az. II ZR 133/68) hat der BGH anerkannt, dass nicht nur eine Beeinträchtigung der Substanz, sondern auch eine vollständige Nutzungsaufhebung eine Eigentumsverletzung begründen kann. Wobei der BGH erst kürzlich in einem Urteil vom 27.09.2022 (Az. VI ZR 336/21) bestätigt hat, dass die Intensität und nicht die Dauer der Nutzungsaufhebung entscheidend ist. So kann auch eine kurzzeitige vollständige Nutzungsaufhebung ausreichend sein, wie im Fall einer durch einen Unfall blockierten Straßenbahnstrecke, die zu einem Schadensersatzanspruch des Straßenbahnbetreibers führte, der Eigentümer der Gleise war.
Die Rechtsprechung sieht es als logisch an, den Schutz auch auf den berechtigten Besitz einer Sache auszudehnen, beispielsweise infolge eines Miet- oder Pachtverhältnisses. Dies ist insbesondere relevant, wenn der Geschädigte nicht Eigentümer der blockierten Sache ist, wie es beispielsweise bei einer (angemieteten) Rollbahn der Fall sein kann, wenn aufgrund einer Konzernaufspaltung zwischen Betriebs- und Immobiliengesellschaften besteht. Um Widersprüche zwischen dem Schutz von Besitz und Eigentum zu vermeiden, sollten laut BGH jedoch die gleichen hohen Verletzungsanforderungen gelten.
Laut der neuesten BGH-Entscheidung setzt eine Verletzung des Eigentums oder des berechtigten Besitzes immer noch eine vollständige Nutzungsaufhebung der gesamten Sache voraus. Eine vorübergehende Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit oder das Ausschließen der Mehrzahl der Verwendungsmodalitäten oder -zwecke, die das Einsatzpotenzial der Sache nicht vollständig erschöpfen, sind nicht ausreichend.
Die Flugzeuge wurden zwar für anderthalb Stunden stillgelegt, jedoch erfolgte dies nicht durch direkte Einwirkung der Aktivisten (sie klebten sich nicht an die Flugzeuge).
Was die Rollbahn betrifft, haben die Aktivisten zwar direkt auf Besitz und Eigentum der Rollbahn eingewirkt, indem sie sich daran befestigten und dadurch das Starten und Landen von Flugzeugen – und damit die Hauptnutzung der Rollbahn – vorübergehend unmöglich machten. Allerdings konnten die nicht mit Aktivisten belegten Teile der Rollbahn noch problemlos für das Parken, Betanken und Manövrieren von Flugzeugen sowie für den Transport von Passagieren, Gepäck und Treibstoff genutzt werden. Daher kann auch bei der Rollbahn nicht von einer vollständigen Nutzungsaufhebung gesprochen werden.
Aus diesem Grund kann eine Haftung der Aktivisten wegen Verletzung von Eigentum oder berechtigtem Besitz ausgeschlossen werden.
Es ist nicht erkennbar, dass ein Vermögensschutzgesetz verletzt wurde. Im Deliktsrecht kann eine Schadensersatzpflicht auch entstehen, wenn ein sogenanntes Schutzgesetz verletzt wird (§ 823 Abs. 2 BGB). Typische Beispiele hierfür sind das Kündigungsschutzgesetz oder auch Strafgesetze.
Im konkreten Fall könnte an einen Eingriff in den Luftverkehr nach § 315 Abs. 1 StGB gedacht werden. Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Blockade zu einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder fremde Sachen (“Beinahe-Unfall”) geführt hätte. Die Aktivistengruppe “Letzte Generation” hatte jedoch die Polizei vor der Blockade informiert, sodass dies vermieden wurde.
Eine verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und eine Ordnungswidrigkeit nach § 108 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 46 Abs. 4 Luftverkehrszulassungsordnung (LuftVZO) könnten aufgrund des unbefugten Betretens des Geländes zwar bejaht werden. Diese Tatbestände schützen jedoch ausschließlich das Besitz- und Hausrecht und nicht etwaige Vermögensinteressen.
Eine Nötigung (§ 240 StGB) lässt sich bei der Blockade eines Flughafens nicht so leicht bejahen wie bei der Blockade von Straßen. Bei Straßenblockaden werden die Autofahrer ab der “zweiten Reihe” durch Gewalt genötigt (durch die vorderen Autos). Während der Aktion erhielten die Flugzeuge zwar keine Starterlaubnis, waren jedoch nicht in gleicher Weise physisch blockiert. Darüber hinaus wäre es unzureichend, wenn jemand im Tower oder Cockpit genötigt worden wäre, da es für den Betriebsausfallschaden auf die juristischen Personen ankommt.
Bezüglich einer vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB scheint in der Abwägung unwahrscheinlich, obwohl eine Haftung in Betracht kommt. Obwohl die Aktion aufgrund des Hausfriedensbruchs rechtswidrig war und ein Betriebsausfallschaden wohl bewusst in Kauf genommen wurde (dolus eventualis), müsste dennoch die höhere Schwelle zur Sittenwidrigkeit überschritten sein. Der direkte Zweck der Aktion – die Störung des Flugbetriebs – und das Mittel – die Blockade – könnten in Anbetracht des erheblichen wirtschaftlichen Schadens und des unberechtigten Betretens des Sicherheitsbereichs des Flughafens als unverhältnismäßig angesehen werden. Jedoch ist das langfristige Ziel – der Klimaschutz (Art. 20a GG) – lobenswert.
Die Frage ist, wie das Mittel – die Blockade – zu beurteilen ist. Verstößt es gegen das “Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden” oder wird es – abhängig von der befragten Bevölkerungsgruppe – als “coole Aktion” angesehen? Die empirische Mehrheitsmeinung ist allerdings nicht entscheidend, ausschlaggebend ist eine normative Wertung.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Flughafenblockade und dem Klimaschutz. Eine konkrete Gefährdung Dritter konnte durch eine Vorabinformation der Polizei vermieden werden. Die Blockade war zeitlich begrenzt. Kommunikationsgrundrechte müssen ebenfalls in die Abwägung einbezogen werden. Es gibt eine Parallele zu rechtswidrigen Flughafenstreiks: Diese sind trotz vergleichbarer Schadensfolgen nicht von vornherein sittenwidrig. Im Gegensatz zu Streiks wird den Aktivisten ein altruistisches Motiv zugeschrieben. Letztlich ist es eine Frage der Abwägung, und die stärkeren Argumente sprechen eindeutig gegen eine Sittenwidrigkeit.
Im Fall der Lufthansa war nur fremde Infrastruktur betroffen. Es könnte jedoch eine Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs vorliegen, der als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist. Geschützt ist die gesamte Unternehmung, ihr Funktionieren und ihre wirtschaftliche Aktivität. Eine Fallgruppe betrifft Betriebsblockaden.
Jedoch ist die Beeinträchtigung des Betriebs aufgrund der Nichtnutzbarkeit fremder Infrastruktur (Straßen, Schienen, Wasserwege) nicht vom Schutzbereich abgedeckt. Es liegt kein Eingriff in den Transportbetrieb vor, wenn eine Elektrolok durch beschädigte Gleise an einer geplanten Fahrt für elf Stunden gehindert wird. Im Hinblick auf die Flugzeuge der Lufthansa bedeutet dies: Sie sind auf fremde Infrastruktur angewiesen, um sich fortzubewegen, aber aufgrund der relativ kurzen Stilllegung wird die Eingriffsschwelle nicht erreicht.
Der Schutz darf auch nicht zu einem allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausarten. Daher gilt er nur für unmittelbare betriebsbezogene Eingriffe, die den Gewerbebetrieb als solchen treffen, und nicht für Beeinträchtigungen, die lediglich ablösbare Rechte und Rechtsgüter berühren. Wenn nur einzelne Arbeitskräfte, Maschinen oder Fahrzeuge betroffen sind, liegt kein betriebsbezogener Eingriff vor.
Eine Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten Gewerbebetrieb des BER-Betreibers, der FBB GmbH, durch die Rollbahnblockade scheint auszuscheiden. Während Boykottaufrufe sich gegen das gesamte Unternehmen richten, betrifft die Blockade der Rollbahn nur einen – wenn auch wesentlichen – Teil des Gesamtbetriebs “Flughafen”, und nicht den gesamten Betrieb als solchen. Der Terminalbetrieb war zum Beispiel nicht betroffen. Dennoch könnte der betroffene Teil so essentiell sein, dass er nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern Auswirkungen auf den Gesamtbetrieb hat.
Es spricht jedoch entscheidend dagegen, dass die Rollbahn selbst bereits durch das Eigentum unabhängig geschützt ist. Dies unterscheidet sie von Eingriffen in den Kundenstamm, den Goodwill oder das Knowhow, die durch die absoluten Rechte in § 823 Abs. 1 BGB nicht eigenständig und daher über den Gewerbebetrieb erfasst werden. Wenn nun im Rahmen des spezielleren Schutztatbestandes “Eigentum” aufgrund unzureichender Nutzungsaufhebung keine Verletzung bejaht werden kann (wie oben erwähnt), kann derselbe Sachverhalt unserer Meinung nach erst recht nicht den – im Vergleich zum Eigentumsschutz subsidiären – Gewerbebetriebstatbestand erfüllen. Die Bewertung, dass bei Sachen, in deren Substanz nicht eingegriffen wurde, nur die vollständige Aufhebung der bestimmungsgemäßen Nutzung deliktsrelevant ist, muss auch beim Gewerbebetrieb berücksichtigt werden, sofern dieser nicht in seiner Gesamtheit, sondern nur in einem Eigentumsteil betroffen ist.
Die zusätzliche Problematik im konkreten Fall des BER, dass der Betreiber (FBB GmbH) zwar Muttergesellschaft des Flughafenkonzerns ist, aber nicht gleichzeitig Eigentümer der Flughafengrundstücke ist, ist daher nicht mehr relevant. Nur zur Vollständigkeit sollte erwähnt werden, dass in Fällen der Aufspaltung des Gewerbebetriebs die Konzernmutter keine Schäden der Tochtergesellschaften geltend machen kann, da sie umgekehrt auch nicht für deren Verhalten haftet.
Zusammenfassend ist die Haftung der Aktivisten für Schadensersatz unwahrscheinlich. Obwohl die Blockade des Flughafens Berlin-Brandenburg rechtswidrig war und strafrechtlich geahndet werden kann, löst dies noch keine deliktische Haftung für Betriebsausfallschäden aus. Ob die Schwelle zur Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB überschritten wurde, ist eine Frage der Abwägung, die angesichts der Kürze des Eingriffs und der Ziele der Organisation, insbesondere im Vergleich zu selbstsüchtigen Blockaden durch Streiks, nicht überzeugend bejaht werden kann. Eine deliktisch relevante Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Lufthansa AG oder der FBB GmbH nach § 823 Abs. 1 BGB kann ebenfalls nicht begründet werden.
Die angekündigten Schadensersatzklagen von Lufthansa und dem Flughafenbetreiber haben daher wahrscheinlich wenig Aussicht auf Erfolg. In diesem Sinne hält auch die Warnung des Bundesjustizministers, dass die Aktivisten möglicherweise ein Leben lang hohe Schadenssummen abbezahlen müssten, unserer rechtlichen Analyse nicht stand.
Dieses Ergebnis ist keineswegs systemfremd. Eine Haftung für reine Vermögensschäden, wie sie hier zur Debatte stehen, ist im deutschen System der drei kleinen deliktischen Generalklauseln eine Ausnahme.