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Artikel 8720
Stefanie Samland
06.01.2004

Examensfälle mit Repetitorium

Eine Rezension zu:

Achim Seidel / Ekkehard Reimer / Markus Möstl

Allgemeines Verwaltungsrecht

Mit Kommunalrecht und Bezügen zum Verwaltungsprozessrecht sowie zum Staatshaftungsrecht

1. Auflage

Beck'sches Examinatorium Öffentliches Recht
Hrsg. von Udo Di Fabio


C.H. Beck, München 2003, 319 Seiten, 19,80 €
ISBN 3-406-50782-4

http://www.beck.de


Da schau her – auch der Beck-Verlag bietet nun Paperback-Bücher im A4-Format an, die sich auch noch "Examinatorium" nennen. Sollte hier ein Übergang von Lehrbüchern und Kommentaren zu Repetitoriums-Skripten stattfinden? Mischt C.H. Beck mit den neuen Werken in der Reihe der Examens-Lernskripten von AS, Hemmer & Co. mit?

Auf den ersten Blick dafür spricht:
  1. Die beiden bisher erschienenen Bücher zum Allgemeinen bzw. Besonderen Verwaltungsrecht sind vom Format her den Repetitoriums-Materialien sehr ähnlich.
  2. Der Reihentitel Beck'sches Examinatorium Öffentliches Recht und die Vorankündigung, dass bald weitere Werke erscheinen und die Reihe auch auf das Strafrecht und das Zivilrecht ausgedehnt werden soll, legen nahe, dass ein komplettes Examensvorbereitungs-Angebot angestrebt wird.
  3. In den Buchanzeigen wird selbst davon, dass die Bände "Repetitorien" seien.
  4. Die Autoren des "Allgemeinen Verwaltungsrechts" sind überwiegend Habilitanden und damit in der Altersstruktur näher an Repetitoren und der eigenen Ausbildung als an erfahrenen Universitätsprofessoren, die oft eine kategorische Abneigung gegen Repetitorien zum Ausdruck bringen.
Als Gegenindizien können genannt werden:
  1. Das Layout des Umschlags betont die lange Erfahrung und Reputation des Beck-Verlags und hebt sich deutlich von den Repetitoriums-Skripten ab.
  2. Die Werke sind nicht als komprimierte Stoffsammlung, sondern als Klausurenkurs konzipiert. Der Leser erlernt den Stoff also nicht geordnet nach Ausführungen über die Merkmale eines Verwaltungsakt, über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten sowie über den öffentlich-rechtlichen Vertrag oder das Staatshaftungsrecht. Vielmehr soll der Lerneffekt durch die eigene Erprobung an anspruchsvollen Fällen erzielt werden.
  3. Im Vorwort wird ausdrücklich der "eilige Leser" von der Zielgruppe der Bücher ausgeschlossen, die Werke des "Beck'schen Examinatoriums" sind daher nicht zum erstmaligen Erlernen des Stoffes oder zügigen Repetieren vor Klausuren, sondern zum tiefergehenden Durcharbeiten gedacht.
Im Einzelnen:

Das vorliegende Buch zum Allgemeinen Verwaltungsrecht ist eine Zusammenstellung von 19 Klausuren auf Examensniveau. Es richtet sich an "Studenten mit dem Ziel des Prädikatsexamens", entsprechend anspruchsvoll sind die Fälle. Einzelne Musterlösungen übersteigen den Umfang dessen, was in einer fünfstündigen Examensklausur vom Bearbeiter erwartet werden kann. Dies liegt jedoch nicht in erster Linie daran, dass die Fälle übermäßig kompliziert gestrickt wären, sondern vor allem an der Konzeption des Buches, das eben nicht nur Klausurenkurs, sondern auch Examinatorium sein soll. Es werden immer wieder allgemeine Ausführungen, Vertiefungen und Ergänzungen in die Lösungen eingestreut, die sich von den konkreten Fällen etwas entfernen, um bestimmte Probleme näher zu behandeln. Oft geschieht dies in Extra-Kästen – welche dadurch auch geeignet sind, eigenständig ohne die Fälle gelesen zu werden – mit Aufbau- oder Vertiefungshinweisen.

Inhaltlich sind das allgemeine Verwaltungsrecht sowie das Kommunalrecht – welches nicht im Parallelband zum Besonderen Verwaltungsrecht behandelt wird – Gegenstände des Buches. Da die Autoren ihre Fälle in examensvorbereitenden Kursen an der Universität München erprobt haben, wird auf bayrisches Landesrecht zurückgegriffen. Gerade die Verwaltungsverfahrensgesetze sind sich aber so ähnlich, dass ein Übertragen des Gelesenen auf andere Bundesländer keine Probleme bereitet. Auch Ausflüge in das Europäische Gemeinschaftsrecht finden statt.

An Fall 1 soll nun der Aufbau eines Falles exemplarisch dargestellt werden. Zunächst wird der Sachverhalt auf einer Seite (später in anderen Fällen auch mal auf zwei Seiten) abgedruckt und mit einem Bearbeitervermerk (Aufgabenstellung / Fallfrage) sowie einer Abwandlung versehen. Abwandlungen bzw. verschiedene Fragestellungen finden sich des öfteren. Im Fall 1 geht es darum, dass dem Kläger eine Gaststättenerlaubnis mit der "Auflage" verbunden wird, dass er auch das Dach seines Einfamilienhauses, in dem nicht die Gaststätte aufgebaut werden soll, repariert.

Die Musterlösung beginnt auf einer neuen Seite und ist im Gutachtenstil aufgebaut. Schon nach der Überschrift "Verwaltungsrechtsweg" erwertet den Leser das erste Kästchen mit Ausführungen zum Standort dieses Prüfungspunktes. Im Prüfungspunkt "statthafte Klageart" wird das erste Problem aufgeworfen, nämlich die Frage, ob in der Aufforderung zur Dachinstandsetzung eine Nebenbestimmung liegt. Diese Konstellation wird recht ausführlich abgegrenzt zu anderen rechtlichen Handlungsformen. Nachdem das Vorliegen einer Nebenbestimmung bejaht wurde, geht die Musterlösung auf die selbstständige Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen ein, wobei knapp ein gelungener Meinungsstreit dargeboten wird. Bei der Bestimmung der Art der Nebenbestimmung wird auf die Savigny'sche Formel verwiesen, auch diese würde man – ebenso wie die zusätzlichen Ausführungen in den Extra-Kästen – nicht so ausführlich in einer Falllösung heranziehen. Im folgenden wird noch auf ein passendes Urteil verwiesen und dessen Sachverhalt näher geschildert, was ebenfalls als "Plus" zur eigentlichen Lösung gewertet werden kann. Unproblematisches wird jedoch nicht lang ausgewälzt, so hier die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Nach der Prüfung der Begründetheit erhält der Leser Hinweise dazu, mit welchen zusätzlichen Erwägungen die Fallbearbeitung angereichert werden kann, um eine gute Punktzahl zu erzielen. In der Abwandlung wird eine weitere Form erkennbar, mit der die Autoren die Musterlösungen zu einem Examinatorium anreichern. Auch innerhalb der Falllösung wird teilweise ein aufgeworfenes Problem ausführlicher als nötig erläutert – hier die Frage der reformatio in peius – und unter der Überschrift "Anwendung auf den vorliegenden Fall" wieder auf den konkreten Sachverhalt komprimiert.

Die Lösungen enthalten in gebotenem Umfang Nachweise in Fußnoten, einschlägige Rechtsprechung und Leseempfehlungen werden am Ende der Musterlösung aufgeführt. Trotz des für eine Fallsammlung oder ein gewohntes Lehrbuch ungewohnten Formates bietet das vorliegende Buch ein angenehmes Druckbild und eine übersichtliche Darstellung.

Gesamteindruck:
Von der Zielsetzung her reiht sich das Examinatorium zum Allgemeinen Verwaltungsrecht durchaus in die examensvorbereitende Literatur ein. Nicht nur durch Form und Gestaltung des Buches, sondern auch durch die Konzentration auf die examensrelevanten Problemstellungen kann das Buch von Seidel/Reimer/Möstl durchaus als Teil eines durch einen motivierten Studenten eigenständig durchgeführten Repetitoriums genutzt werden.

Im Unterschied zu den gewöhnlichen Repetitoriums-Materialien eignet es sich jedoch nicht zum erstmaligen Erlernen des Allgemeinen Verwaltungsrecht, sondern ist eine vertiefende Ergänzung zur Wissensaneignung. Es stellt eine Herausforderung an den Studenten mit dem Ziel Prädikatsexamen dar, die es sich zu stellen überaus lohnt. Die Fälle umfassen die typischen Examensprobleme, fordern aber auch zu methodischen Erwägungen auf, die es einem guten Bearbeiter erlauben, auch unbekannte Aufgaben zu bewältigen. Der ausgereifte Buchumschlag und der "hohe Name" des Herausgebers, Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio, versprechen also nicht zu viel. Den drei Autoren ist ein Werk gelungen, welches dem Examenskandidaten, der im Hinblick auf ein Klausurenexamen die Empfehlung, viele Klausuren unter Examensbedingungen zu schreiben, ernst nimmt, ein echtes Juwel bei der Vorbereitung auf das erste Staatsexamen sein wird. Auf die weiteren Bände darf mit Spannung gewartet werden.

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