Florian Kleinmanns
Examensfälle im Gutachtenstil
Eine Rezension zu:
Joachim Becker
Fälle und Lösungen zum Verwaltungsrecht
Übungsklausuren mit gutachterlichen Lösungen und Erläuterungen
Reihe: Studienprogramm Recht 1. Auflage
Boorberg, Stuttgart u.a. 2002, 154 Seiten, 14,80 €
ISBN 3-415-03078-4
http://www.boorberg.de
Eines vorweg: Dem Autor muss zu Gute gehalten werden, dass er nicht
für den Satz des Buches verantwortlich ist. Mit dieser Aufgabe hat der Verlag eine externe Setzerei betraut. Anstrengend zu lesen ist das Ergebnis.
So ist der Zeilenabstand viel zu gering, Unterlängen der einen und
Oberlängen der folgenden Zeile berühren sich beinahe, wohingegen die
Wörter in der Horizontalen gelegentlich mehr als einen n-Abstand
voneinander entfernt stehen. Dazu kommen Merkwürdigkeiten mit den
Ligaturen; "fi" ist zusammengezogen, "ffi", "ff" und "fl" dagegen
nicht. Die Schrift tut ihr übriges, ihre Klammern und
Anführungszeichen passen nicht zu den übrigen Zeichen, und die Serifen
halten die Zeilen auch nicht zusammen. So werden die – objektiv gar
nicht so langen – Absätze zum Gegner des Betrachters, der im Kampf
gegen das Verrutschen beim Zeilensprung nur von Zeit zu Zeit durch
eine in aktueller Literatur immer exotischer werdende Schreibweise
wie "Fallösung" aufgeschreckt wird.
Wer diese Hürden überwindet, gelangt zu den examensrelevanten
Schwerpunkten des Verwaltungsrechts. Das Werk enthält im ersten
Drittel eine Einführung in die gutachterliche Bearbeitung
verwaltungsrechtlicher Fälle, der größere Teil ist Fällen mit
Musterlösungen gewidmet.
Die Einführung ist gegliedert in sechs Kapitel. Nach der Einleitung
stellt der Verfasser zunächst die Gutachtentechnik dar, wobei er
übersichtlich zwischen der Gutachtentechnik im Gesamtaufbau und der
Gutachtentechnik bei der Prüfung von Einzelfragen differenziert. Es
folgt ein Kapitel mit Überlegungen zur Fragestellung, die den
Bearbeiter durch eine Klausur oder Hausarbeit leitet. Dabei führt der
Autor aus, wie man oft schon anhand der Fragestellung erkennen kann,
welche Antwort der Aufgabensteller wünscht. Es folgt eine Anleitung
zum Anfertigen einer Lösungsskizze.
Die letzten beiden Kapitel der Einführung sind deutlich länger als die
vorangegangenen. In ihnen geht es um die Zulässigkeit und die
Begründetheit der Klage. Selbstverständlich können 30 Seiten kein
Verwaltungsprozessrechtslehrbuch ersetzen, doch gelingt es dem
Verfasser, alle relevanten Prüfungspunkte zumindest in Erinnerung zu
rufen. Die sechs allgemein anerkannten Klagearten werden angerissen,
Widerspruchsverfahren und vorläufiger Rechtsschutz werden ihrer
geringen Klausurbedeutung entsprechend nur in einem Nebensatz erwähnt.
Beeinträchtigt wird die gute Darstellung im Text durch eine dogmatisch
nachvollziehbare, aber unübersichtliche Gliederung, die auch das
vorangestellte Prüfungsschema zur Zulässigkeit bestimmt. Dort werden
zunächst unter I, II und III Voraussetzungen in der richtigen
Prüfungsreihenfolge aufgeführt und dann unter IV weitere
Voraussetzungen eingebracht, die "vor I", "vor II" bzw. "als IV" zu
prüfen sind. Einfacher zu erfassen wäre es, wenn diese bereits an der
Stelle genannt wären, an welcher der Bearbeiter sie prüfen
soll.
Zu den Fällen: Alle Fälle waren Gegenstand von
Fortgeschrittenenübungen an der Humboldt-Universität, an der auch der
Autor lehrt. Dabei orientieren sie sich vom Schwierigkeitsgrad her am
Examensniveau. Sie behandeln alle wichtigen Gebiete des Allgemeinen
und des Besonderen Verwaltungsrechts, wobei jeder Klausurfall gleich
mehrere Schwerpunkte aufweist. Die Sachverhalte sind klar und
eindeutig formuliert (dazu sind leider viele Universitätsprofessoren
nicht in der Lage), die Musterlösungen in schönstem Gutachtenstil
formuliert. Hier wird dem Leser klar, wie man sich an den
unproblematischen Stellen einer Arbeit kurz halten kann, ohne den
Gutachtenstil im Ganzen zu verlassen. Sie entsprechen den Erwartungen,
die in einer entsprechenden Examensklausur gestellt werden und
beschränken sich auch auf das konkret zur Falllösung Notwendige. Eine
Diskrepanz besteht nur zwischen dem niedrigen Niveau, das beim Leser
auf dem Gebiet des Gutachtenstils vorausgesetzt wird, und den hohen
Vorkenntnissen, die auf dem fachlich-verwaltungsrechtlichen Gebiet erforderlich sind.
Gesamteindruck:
Zur Vorbereitung auf verwaltungsrechtliche Klausuren in
Fortgeschrittenenübung und Examen ist das Buch gedacht, und dazu ist
es auch geeignet. Wer die neun Klausurfälle fehlerfrei gelöst hat, der
kann sich sicher sein, auch im Examen keinen unüberwindbaren
Schwierigkeiten gegenüber zu stehen, und wer Fehler gemacht hat, wird,
sofern er die nötigen Grundkenntnisse hat, anhand der Musterlösungen
erkennen können, wo er noch Nachholbedarf hat. Wer sich das Buch wegen
der Fälle und Musterlösungen kauft, wird nicht enttäuscht werden.
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