Während die Justiz in Fällen wie dem von Lina E hart durchgreift und linke Gewalt konsequent verfolgt, bleibt das Vertrauen vieler in eine gleichmäßige Strafverfolgung erschüttert. Zu oft mussten rechte Netzwerke, von militanten Kameradschaften bis hin zu gut organisierten Neonazi-Strukturen, kaum mit vergleichbarer Verfolgung rechnen.
Doch der Staat steht nicht nur vor der Herausforderung, Extremismus zu bekämpfen, sondern auch vor der Aufgabe, seine eigenen Institutionen glaubwürdig zu halten. Exemplarisch steht der Verfassungsschutz immer wieder in der Kritik, weil er nicht nur bei der Aufklärung rechtsextremer Strukturen versagt, sondern durch seine V-Leute-Praxis teils selbst zur Abschirmung extremistischer Netzwerke beiträgt. Zu oft wurden Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter der Behörde Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken hatten oder Informationen an diese weitergaben. In jüngerer Vergangenheit sorgten unter anderem Berichte über rechte Chatgruppen innerhalb von Sicherheitsbehörden sowie vernichtete Akten im NSU-Komplex für Aufsehen und Stimmen unterschiedlicher politischer Lager kritisieren, dass der Verfassungsschutz sich instrumentalisieren lasse und mitunter eher politischen Erwartungshaltungen folge, als neutral verfassungsfeindliche Strukturen zu analysieren.
Währenddessen wird gegen linke Gruppen mit voller Härte durchgegriffen – sei es bei Antifa-Strukturen oder bei Klimaaktivisten der Letzten Generation, denen der Vorwurf der „kriminellen Vereinigung“ gemacht wird. Diese Diskrepanz geht folglich mit einer zunehmenden zunehmenden Verhärtung des politischen Diskurses einher. Die Auseinandersetzung um Extremismus – von rechts wie von links – wird längst nicht mehr nur auf juristischer Ebene geführt, sondern hat sich zu einem ideologischen Kampf ausgeweitet, der sich in den Straßen und Parlamenten gleichermaßen abspielt. Auch der CDU-Chef Friedrich Merz hat dabei in den letzten Wochen eine Schlüsselrolle eingenommen.
Während sich Zehntausende in Deutschland friedlich gegen eine Annäherung der CDU an die AfD positionierten, versuchte Merz, diese Proteste zu delegitimieren. In einer Rede verurteilte er die Demonstrierenden der Demonstrationen für die Demokratie als “grüne und linke Spinner” und appellierte an SPD und Grüne, zur Mäßigung aufzurufen. Doch diese Darstellung ignorierte die Realität der Proteste: Bislang haben sich mehr als 1,6 Millionen Menschen an jenen kritisierten Demonstrationen beteiligt und die Mehrheit dieser verlief friedlich. Sie waren Ausdruck eines breiten gesellschaftlichen Widerstands gegen die politische Normalisierung rechtsextremer Positionen. Merz Äußerungen verdeutlichen indes nicht nur ein fragwürdiges Demokratieverständnis, sondern zeigen auch eine gefährliche Verschiebung der politischen Maßstäbe.